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Phytotherapie gestern, heute, morgen

15 Jahre Forschergruppe Klostermedizin

cae | Die Forschergruppe Klostermedizin der Universität Würzburg blickt in diesem Jahr auf ihr 15-jähriges Bestehen zurück und feierte dieses Ereignis am 1. Oktober mit einem kleinen Symposium im Kloster Oberzell in Zell am Main bei Würzburg. Das Motto lautete: (Zukunfts-)Perspektiven der Phytotherapie.
Foto: Forschergruppe Klostermedizin
Referenten zur Phytotherapie und zu alternativen Therapien (v.l.): Hartwig Sievers, Bernhard Uehleke, Heinz Schilcher, Johannes Gottfried Mayer, Amina Ather, Christa-Marie Kitz, Thomas Vallomtharayil.

Inkompetente Laien schaden der Phytotherapie

In Umfragen bekunden die Deutschen immer wieder ihre Sympathie für pflanzliche Arzneimittel und die Naturheilkunde. Vor diesem Hintergrund stellte Prof. Dr. Heinz Schilcher, Autor des bekannten „Leitfaden der Phytotherapie“, die Frage, von wem sich die Bevölkerung über die Heilpflanzen informieren lässt. Er kam zu dem Ergebnis, dass sowohl auf dem Buchmarkt als auch in Presse und Fernsehen sowie in den Internet-Medien vorwiegend Personen aktiv sind, die einerseits keine wissenschaftliche Ausbildung auf dem Gebiet der Pharmazie oder Medizin vorweisen können und andererseits völlig überzogene Therapieversprechen machen. Laut Schilcher sind etwa zehn Prozent der Aussagen in der „Laienliteratur“ nicht gesichert und weitere zehn Prozent falsch und mit Risiken für die Gesundheit behaftet. Damit fügt sie nach seiner Ansicht der Phytotherapie großen Schaden zu.

Hinsichtlich der hierzulande praktizierten Ayurveda äußerte Thomas Vallomtharayil, Castrop-Rauxel, ebenfalls Kritik: Nirgendwo auf der Welt sei es um Ayurveda so schlecht bestellt wie in Deutschland. Einerseits gebe es nirgendwo so viele Einrichtungen, die sich auf Ayurveda berufen, wie in Deutschland, andererseits gebe es nur 20 Ärzte, die diese Therapie wirklich beherrschen.

Hemmnisse für Innovationen

Mit grundsätzlichen Problemen der Phytotherapie setzte sich Dr. Dr. Bernhard Uehleke, Freie Universität Berlin, auseinander. Er wies darauf hin, dass die Forschung in Deutschland eher rückläufig sei und kaum noch neue Produkte auf den Markt kommen, während in Asien, vor allem in Indien und China, die Forschung stark ansteige. Leider handele es sich aber vor allem um experimentell-pharmakologische Studien mit oft sehr optimistischen Ergebnissen. Klinische Studien hingegen würden sehr oft so mangelhaft durchgeführt, dass ihre Ergebnisse in Europa nicht akzeptabel seien.

Laut Uehleke können Anregungen für neue Anwendungen durchaus aus der „Traditionellen Europäischen Medizin“ und traditionellen Therapien Asiens gewonnen werden. Dazu seien aber ein Entwicklungskonzept, junge engagierte Wissenschaftler und Sponsoren notwendig.

Dr. Hartwig Sievers, Fa. PhytoLab in Vestenbergsgreuth, beleuchtete die gesetzlichen Rahmenbedingungen auf dem Gebiet der Pflanzenheilkunde. Hier sei die Tendenz zu beobachten, dass die Bestimmungen in Deutschland immer strenger werden und Innovationen behindern, während sie in den einstmals so strengen USA immer lockerer werden. Er forderte, Arzneipflanzenmonografien in den Arzneibüchern aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse schneller zu aktualisieren.

Pflanzen gegen Malaria und Frauenleiden

Die Kinderärztin Dr. Christa-Maria Kitz vom Afrika-Zentrum an der Universität Würzburg begann ihren Vortrag „Malaria und Phytotherapie“ mit einer Statistik: Jährlich erkranken 207 Millionen Menschen weltweit an Malaria, von denen 80 Prozent Afrikaner sind. Unter den jährlich 627.000 Todesfällen sind sogar 90 Prozent Afrikaner, die meisten davon Kinder unter fünf Jahren. Bereits seit dem 17. Jahrhundert wird die Chinarinde (Cinchona pubescens) bzw. deren Alkaloid Chinin gegen Malaria eingesetzt, und dennoch sind bislang keine Resistenzen bekannt. Sehr wirksam sind auch die getrockneten Blätter vom Einjährigen Beifuß (Artemisia annua), der von China bis nach Rumänien wächst und in China schon seit Langem gegen Malaria eingesetzt wird. Die getrockneten Blätter wirken laut Kitz sogar besser als Präparate mit isoliertem Artemisinin.

Dr. Amina Ather, Castrop-Rauxel, stellte Pflanzen vor, welche vor allem zur Gesundheitsfürsorge von Frauen geeignet sind, darunter erstaunlich viele Früchte wie Granatapfel, Papaya und Peepal (Ficus religiosa), aber auch der Hennastrauch, der vielen wohl nur als Färbemittel bekannt ist.

Erforschung der Klostermedizin und Umsetzung in die Praxis

Dr. Johannes Gottfried Mayer, Leiter der Forschergruppe Klostermedizin, resümierte deren bisherige Arbeit. Anfangs lag ein Schwerpunkt auf Publikationen: Historische Texte mussten gesichert, ediert, übersetzt und kommentiert werden. Ein Beispiel ist der „Macer floridus“, das wichtigste Kräuterbuch der Klostermedizin, das die Forschergruppe bereits 2001 in einer Übersetzung mit Kommentar herausgebracht hat und das derzeit unter dem Titel „Kräuterbuch der Klostermedizin“ verfügbar ist. Das 2002 erschienene „Handbuch der Klosterheilkunde“ ist, leicht überarbeitet, als „Großes Buch der Klosterheilkunde“ neu herausgekommen. Die Entwicklung der Kräuterbücher bis 1600 und eine kleine Geschichte der Pflanzenabbildungen bietet der 2009 veröffentlichte Band „Die Pflanzen der Klostermedizin in Darstellung und Anwendung“; er enthält u.a. 70 Pflanzenbilder des Benediktiners Vitus Auslasser von 1479. Daneben entstanden mehrere große historische „Pflanzenporträts“.

Von Beginn an bis heute ist die Forschergruppe an der Beratung, Planung und Betreuung von Kräutergärten in Franken und Hessen engagiert. Seit zwei Jahren kooperiert sie mit dem Museum für Wissenschaft und Technik im Islam in Istanbul, wo ein Garten der von Avicenna (Ibn Sina) empfohlenen Arzneipflanzen entstanden ist. Nicht zuletzt bietet die Forschergruppe Kurse sowohl für Therapeuten als auch für interessierte Laien im Kloster Oberzell bei Würzburg an. 

Quelle: Tobias Niedenthal, Forschergruppe Klostermedizin

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