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DAZ aktuell
Protest oder Annäherung?
Ein Stimmungsbild zum Deutschen Apothekertag 2014 in München
Gabriela Aures
Inwiefern sich innerhalb der ABDA etwas verändert hat und wie sehr das mit dem Wechsel des Präsidenten zu tun hat, kann ich als Außenstehende nicht beurteilen – das müssen andere beantworten. Mir erscheint es aber durchaus so, dass durch diese doch „neue Basis“ frische Gedanken in „die ABDA“ getragen wurden, die bei einer zunehmenden Zahl von Kollegen in Kammern oder Verbänden nicht mehr grundsätzlich und unreflektiert als „Basisquatsch“ abgetan (abgekanzelt klingt zu hart) werden, sondern vermehrt Eingang in die „offizielle“ Diskussion finden.
Was sich seit dem ersten Aufeinandertreffen vor dem Deutschen Apothekertag 2012, bei dem sich quasi „Establishment und Autonome“ gegenüberstanden, sicher gewandelt hat, sind Einsichten. Durch Gespräche ist Verständnis und zum Teil auch Achtung entstanden. Ich behaupte, die „Protestler“ sind erwachsen(er) geworden. Die Kopf-durch-die-Wand-Attitüde haben wir abgelegt, haben dabei aber nicht unseren kritischen Geist verloren, wie in den entsprechenden Foren nachzulesen ist. Diese Diskussionskultur ist in weiten Teilen besser, reflektierter und sachlicher geworden! Wir haben aber auch gesehen und gelernt, warum manche Dinge nicht anders laufen können oder schneller oder erfolgreicher.
Und ich behaupte, dass immer mehr Standesvertreter mittlerweile erkannt haben, dass ihnen nicht ein Häufchen von pharmazeutischen RAF-Terroristen gegenübersitzt, die aus Prinzip erstmal „bin ich dagegen“ schreien. Auch wir wollen unseren Beruf erhalten und nicht „die ABDA“ abschaffen!
Der Leitbild-Prozess beziehungsweise das Perspektivpapier ist eine Skizze, die von so vielen äußeren Einflüssen noch verändert – oder konterkariert – werden kann. Mir persönlich hätte der „Ethikkodex“ der sächsischen Kammer gereicht – und parallel dazu lieber eine politisch ausgerichtete Strategie, wie wir Apotheken, Apothekerinnen und Apotheker uns gegen die steigende Zahl der Angriffe wehren wollen.
Manche Passagen sind nett und einschläfernd, gut fürs apothekerliche Gewissen. Wirklich relevant wird es beim Medikationsmanagement und ich hoffe sehr, „die ABDA“ hat die Größe, zu erkennen, dass sie nicht die alleinige Deutungshoheit hat.
Ich erwarte, dass die diesbezügliche Diskussion am Deutschen Apothekertag 2014 keine Alibi-Veranstaltung ist, die die Zustimmung ein wenig demokratischer erscheinen lassen soll.
Nach meiner Beobachtung gibt es seit Jahren eine Aufbruchstimmung, die leider lange Zeit an den Pforten der Jägerstraße abgeprallt ist. Und doch bin ich optimistisch, dass sich das (zwar) langsam, aber sicher ändert.
Wie sagte Herr Martius 2012 über die Strategie der ABDA: „Nicht aggressiver, sondern erfolgreicher.“ Ich wünsche mir: Offener, beherzter und mutiger!
Christoph Gulde
Für mich stehen dieses Jahr politische Ereignisse über den standespolitischen Themen: Vor 100 Jahren brach der 1. Weltkrieg aus, vor 75 Jahren der 2. Weltkrieg und in der Ukraine stehen sich die beiden Blöcke West und Ost wieder brandgefährlich gegenüber. Die Ereignisse in Syrien und dem Irak hinterlassen mich auch ratlos. Die schlummernde Eurokrise, die zunehmend nationalistischen Töne in Europa machen mich nachdenklich. Insofern fahre ich mit gedämpften Gefühlen und Erwartungen zum diesjährigen Apothekertag.
Friedemann Schmidt ist ABDA-Präsident in einer Zeit geworden, als die „Basisdemokratie“ gesellschaftlich in aller Munde war und ist und er hat sich darauf aus meiner Sicht gut eingestellt. Die sogenannten Protestapotheker können sich artikulieren und finden Gehör. Manche von ihnen gehen sogar den Weg durch die Institutionen und übernehmen Verantwortung. Die Diskussionskultur hat sich bei allen Schwierigkeiten verbessert. Dabei zeigt sich immer wieder, dass Demokratie anstrengend ist – eine Erkenntnis, die auch die politischen Parteien in diversen Bürgerbeteiligungsprozessen machen.
Das Perspektivpapier (ex-Leitbild) zeichnet sich besonders durch einen intensiven Diskussionsweg aus. Das Ergebnis ist nicht überraschend und kann das auch nicht sein. Das eigentlich Gute daran ist die Auseinandersetzung im Berufsstand. Am Ende entscheiden die Kunden, als Kranke oder Gesunde über das, was die Apotheke mit Zukunft leisten muss. Die waren bei diesem Prozess nicht gefragt. Und ebenso entscheidend wird sein, ob das Berufsbild „Apotheke“ auch in Zukunft so attraktiv ist, dass wir im Wettbewerb um die Berufsanfänger bestehen können.
Standespolitisch gibt es keine Aufreger: Es stehen keine Wahlen an und die Apotheke wird von den Verantwortlichen derzeit auch nicht infrage gestellt. Umso wichtiger ist es aus meiner Sicht, dass wir bei den noch nicht erledigten Themen dran bleiben:
- Ganz oben die Nullretax bei Formfehlern, hier haben die Krankenkassen in der Selbstverwaltung versagt und ich sehe eine Lösung nur noch möglich durch eine Anpassung der Gesetze.
- Eine angemessene Honorierung, Stichwort 8,51 Euro für die Rezeptur.
- Wenn Dinge nichts wert sind, kann man auch über deren Abschaffung nachdenken, Stichwort BtM-Dokumentation.
- Die regelmäßige Überprüfung des Fixzuschlages auf einer fairen Basis.
Eine Aufbruchstimmung erkenne ich nicht, aber eine intensive Auseinandersetzung mit den Folgen der neuen Apothekenbetriebsordnung, eine Modernisierung und den Willen zur Qualität in vielen Apotheken. Aber auch die feste Erwartung, dass sich das auch in einer Anerkennung und der Honorierung niederschlägt.
Dr. Hans-Peter Hubmann
Die Diskussionskultur der ABDA war im Vorstand und gegenüber den Mitgliedsorganisationen schon immer gut. Große Veränderungen waren also gar nicht notwendig. Wir pflegen die offene Diskussion, da darf es auch mal unterschiedliche Meinungen geben. Alle Punkte werden behandelt und die Ergebnisse, soweit möglich, in unseren Gremien weiter besprochen.
Man muss dazu sagen, dass bei den meisten Themen große Einigkeit im ABDA-Gesamtvorstand herrscht. In der Berufsöffentlichkeit und den Fachmedien werden aber natürlich nur die Aspekte wahrgenommen, bei denen es unterschiedliche Auffassungen gibt. Das liegt in der Natur der Sache. Dissens ist einfach interessanter als Konsens.
Bei der Erarbeitung des Perspektivpapiers haben sich viele Kolleginnen und Kollegen online oder in den Arbeitskreisen der Länder eingebracht. Einer der emotionalen Höhepunkte war sicher der Leitbildkonvent in Berlin, auf dem in toller Arbeitsatmosphäre zielstrebig an den Punkten des Papiers gearbeitet wurde. Und so große Unterschiede, wie gerne kolportiert wird, gibt es gar nicht. Die Rolle der Apotheker als Heilberufler und Arzneimittelfachleute war nie umstritten.
Am Leitbildkonvent haben auch sehr kritische Apothekerinnen und Apotheker teilgenommen, die keine Funktionsträger in Kammern und Verbänden sind. Genau die waren danach sehr beeindruckt von der Diskussion und den vielen Hintergründen und der Arbeit am Konvent – und auch vom Ergebnis.
Dieser Entwicklungsprozess, an dem alle Apothekerinnen und Apotheker mitwirken konnten, hat zu einer Versachlichung der Debatte geführt. In einigen großen Tageszeitungen, wie etwa „Die Welt“, fand das Perspektivpapier positiven Widerhall. Diesen Aufbruch werden wir am Apothekertag in der Diskussion am Donnerstag sicher weiter voranbringen.
Dr. Kerstin Kemmritz
Hatten wir vorher überhaupt breit angelegte Diskussionen? Ich kann mich nicht erinnern. Von daher müssen ja überhaupt erst mal Diskussionsmöglichkeiten eingeführt werden. Da waren und sind meine Erwartungen an den Präsidenten Friedemann Schmidt sehr hoch, zumal er ja gezeigt hat, dass er selber Diskussionen führen und sich Themen und Personen stellen kann. Wenn er das macht, finde ich das gut, auch wenn er mit manchen Themen oder Statements vielleicht aneckt. Da ist noch Luft nach oben. Auch bei den Mitgliedsorganisationen!
Und die Atmosphäre? Na ja, da geht es ja nicht nur in einigen online-Foren oft recht hoch her! Das ist schon manchmal sehr heftig, aber es zeigt auch, wie frustriert und fertig manche Kollegen sind, wohl auch, weil sie noch nicht so recht sehen, wo und wann es mal wieder besser werden soll.
Der Leitbild-Prozess hatte ja einige handwerkliche Schwierigkeiten im Hinblick auf eine breite Diskussionsmöglichkeit und war streckenweise ein ziemlicher „closed shop“. Begrenzt auf einzelne Bundesländer und ausgestattet mit einer ziemlich schwerfälligen Diskussions- und Antwortmöglichkeit war es nicht gerade einfach, unterschiedliche Sichtweisen verständnisvoll zu diskutieren. Darum bin ich mit einigen Kollegen dann auch wieder auf „echte“ Treffen ausgewichen, was in Berlin sicher leichter möglich ist, weil sich viele kennen und man sich gut treffen kann. Aber immerhin war die „Atmosphäre“ zumindest in Berlin sehr sachlich. Und aus einigen Kommentaren konnte man schon etwas ziehen. Schade, dass sie jetzt alle „weg“ sind.
Eine echte Aufbruchstimmung oder einen Ruck spüre ich leider nicht. Dazu müssten wir ja auch erst mal alle klar wissen, wo es hingehen soll! Das Medikationsmanagement, wie es jetzt bei ARMIN ausprobiert und im Perspektiv-Papier beschrieben wird, ist mitnichten das gelobte Land. Das ist allenfalls eine Etappe auf der Reise. Vor allem können sich viele Kollegen überhaupt nicht vorstellen, wie wir aus der jetzigen Situation, in der der Arbeitsalltag mit Bürokratie, Rabattverträgen, Retaxationen und Dokumentationen mehr als ausgefüllt ist, überhaupt jemals wieder mehr Pharmazie machen können! Jedenfalls nicht bei der Honorierung! Erst wenn da nicht nur ein Perspektiv-Papier, sondern eine echte Perspektive auf dem Tisch liegt, können wir den Kopf wieder freikriegen für andere Horizonte und neue Aufgaben.
Gunnar Müller
Äußerlich sind zwar durchaus „positive Signale“ für mich erkennbar. Von einer „Transparenz“ gegenüber den „Mitgliedern der Mitgliedsorganisationen“, also uns „einfachen“ Apothekerinnen und Apothekern, ist die ABDA allerdings (immer noch) weit entfernt. Inhaltlich wie äußerlich. Das könnte sich ändern, wenn endlich einmal Mitgliederbefragungen und Urabstimmungen bei wichtigen Themen eingeführt werden – z.B. bei der „Wahl“ des Präsidenten oder dem Positionspapier zur Weiterentwicklung des Berufsstandes.
Es liegt in der Natur der Sache, dass „interne Veränderungen“, obwohl ich Mitglied einer Kammerversammlung bin, für mich aufgrund der Verschlossenheit der ABDA-Struktur nicht wahrnehmbar sind. Leider.
Ein auf den Kammerbereich beschränktes Leitbild-„Forum“ hier, ein paar nicht öffentliche Arbeitsgruppen und ein ebensolcher Konvent dort, veredelt mit einer Verabschiedung durch die ABDA-MV als „oberstem Organ“ und ein „Abnicken“ auf dem Apothekertag sind ja ganz nett – reichen aber bei Weitem nicht aus, die Apothekerschaft in ihrer Gesamtheit mitzunehmen und ihre Bedürfnisse angemessen einzubringen. Nur durch den Druck vieler einzelner Kolleginnen und Kollegen kam es dazu, dass das Leitbild nicht bereits beim DAT 2013 von der ABDA „aus dem Zylinder“ gezogen, sondern überhaupt erst einmal einer Diskussion zugeführt wurde. Das ist positiv.
Ein echter Meinungsaustausch und die Berücksichtigung aller Apothekerinnen und Apotheker – nicht nur der berufstätigen sondern selbstverständlich auch der „Pensionäre“ etc. – ständen den ABDA-Organisationen allerdings gut zu Gesicht. Auch bei der Arbeit in den Kammerbezirken. Neben dem Leitbild gibt es leider nach wie vor und immer noch viel zu viele „wichtigere“ Themen. Deshalb werden wir nicht müde werden, weiter „Apfelbäumchen“ zu pflanzen.
Die diesjährigen DAT-Anträge sind vielversprechend. Allein, dass sie gestellt wurden ist positiv. Es liegt nun an den delegierten Kolleginnen und Kollegen zu entscheiden, wie „mutig“ sie sind und wie wenig (oder wie viel) „Erneuerung“ sie zulassen wollen – zum Wohle unseres Berufsstandes. Zur Frage, ob es eine Aufbruchstimmung gibt, ein uneingeschränktes JA! Notgedrungen. Immer noch und mehr denn je! Dabei scheinen mir die „Unterschiede“ gar nicht so groß zu sein. „Mal wieder als Apotheker und mit weniger Bürokratie arbeiten“ zu können, anerkannt zu werden (auch ohne AMTS) für unsere bereits jetzt hervorragende Arbeit und dafür auch anständig entgolten – vertreten von einer für die Bedürfnisse der Basis aufgeschlossenen Berufsvertretung: Das wäre doch ‘mal ein Anfang.
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