Arzneimittel und Therapie

Typisch für Atypika?

Nach Neuroleptika-Neueinstellung versagen häufiger die Nieren

Bei über 65-Jährigen besteht offenbar ein höheres Risiko für akutes Nierenversagen, wenn sie vom Haus- oder Facharzt neu auf eines der drei atypischen Neuroleptika Olanzapin, Quetiapin oder Risperidon eingestellt wurden. Dies fanden Wissenschaftler im Rahmen einer retrospektiven, Bevölkerungs-basierten Kohortenstudie heraus. Daher sollte dieser unerwünschten Wirkung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Nach Recherchen der Studienautoren existieren zwar einige Fallberichte über plötzliches Nierenversagen unter der Behandlung mit atypischen Neuroleptika; systematisch, das heißt in klinischen oder epidemiologischen Studien, ist dieser Zusammenhang jedoch noch nicht untersucht worden. Es erscheint jedoch plausibel, dass bekannte Nebenwirkungen dieser Substanzgruppe wie Hypotension, akuter Harnverhalt sowie das maligne neuroleptische Syndrom (siehe Kasten) oder Rhabdomyolysen ein akutes Nierenversagen hervorrufen können. Doch selbst zu diesen unerwünschten Wirkungen und deren Folgen gibt es noch zu wenige Studien.

Malignes Neuroleptisches Syndrom (MNS)

Bei Anwendung von Antipsychotika kann es zu diesem Syndrom kommen, das durch Hyperthermie, Muskelsteifigkeit, autonome Instabilität, Bewusstseinstrübungen und erhöhte Serum-Kreatinphosphokinase-Werte gekennzeichnet ist. Als zusätzliche Symptome können Myoglobinurie, Rhabdomyolyse und akutes Nierenversagen auftreten. In einem solchem Fall sollen alle Antipsychotika abgesetzt werden.

Analysiert wurden die Daten zweier Gruppen mit jeweils 97.777 Patienten, die bezüglich ihrer Basis-Charakteristika (z.B. demografische Daten, Komorbiditäten, Begleitmedikation) sehr ausgewogen waren. Alle Patienten der ersten Gruppe waren zwischen 2003 und 2010 neu auf eines der drei atypischen Neuroleptika Quetiapin, Olanzapin oder Risperidon eingestellt worden. Das mittlere Alter der Patienten betrug 80,7 Jahre; 24% lebten in einer betreuten Einrichtung, bei 54% war eine Demenz diagnostiziert worden. Das am häufigsten verschriebene Atypikum war Risperidon (46%), gefolgt von Quetiapin (35%) und Olanzapin (19%). Die Anfangsdosis lag durchschnittlich bei 25 mg/d Quetiapin, 0,5 mg/d Risperidon und 2,5 mg/d Olanzapin. Bestimmt wurde das 90-Tage-Risiko für eine Klinikeinweisung wegen eines akuten Nierenversagens (primärer Endpunkt). Die sekundären Endpunkte umfassten eine Klinikeinweisung aus Gründen, die zu einem Nierenversagen führen können, wie Hypotension, akuter Harnverhalt, malignes neuroleptisches Syndrom oder Rhabdomyolyse, sowie Pneumonie, akuter Myokardinfarkt und ventrikuläre Arrhythmie, außerdem Tod jeglicher Ursache.

Höheres relatives Risiko gezeigt

Die Neueinstellung auf eines der drei Atypika war mit einem höheren relativen Risiko (RR) verbunden, innerhalb von 90 Tagen wegen eines akuten Nierenversagens in eine Klinik eingewiesen zu werden (RR 1,73, 95% KI 1,55 bis 1,92). Außerdem führte die Einnahme der Substanzen zu einem höheren Risiko für Hypotension (RR 1,91, 95% KI 1,60 bis 2,28), akuten Harnverhalt (RR, 1,98, 95% KI 1,63 bis 2,40), Pneumonie (RR 1,50, 95% KI 1,39 bis 1,62), akuten Myokardinfarkt (RR 1,36, 95% KI 1,20 bis 1,53) und Arrhythmien (RR 1,47, 95% KI 1,18 bis 1,82). Die Atypika-Einnahme war auch mit einer erhöhten Mortalität jeglicher Ursache (6,8% vs. 3,1%) verbunden (RR 2,39, 95% KI 2,28 bis 2,50).

Aufgrund dieser Ergebnisse plädieren die Autoren dafür, bei der Verschreibung atypischer Neuroleptika für ältere Patienten besondere Vorsicht walten zu lassen. Die Substanzen sollten nur dann eingesetzt werden, wenn andere Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Ein aktives klinisches Monitoring direkt nach der Neueinstellung sei sinnvoll, insbesondere bezogen auf Parameter wie Serum-Kreatinin oder Blutdruck. Beim Auftreten eines akuten Nierenversagens bei Älteren sollte auch bedacht werden, dass ein atypisches Neuroleptikum die Ursache dafür sein könnte.

In den Fachinformationen der in Deutschland verfügbaren Atypika sind derartige Vorsichtsmaßnahmen enthalten; so empfehlen beispielsweise die Fachinformationen von Risperidon-Präparaten, die Substanzen bei Patienten mit beeinträchtigter Nieren- oder Leberfunktion, wie sie im höheren Lebensalter häufig auftritt, langsamer aufzudosieren und generell mit besonderer Vorsicht einzusetzen. Falls eine Hypotonie auftritt, soll eine Dosisreduktion erwogen werden. 

Quelle

Hwang YJ et al. Atypical antipsychotic drugs and the risk for acute kidney injury and other adverse outcomes in older adults. A population-based cohort study. Ann Intern Med 2014;161:242-248

Fachinformation Risperdal®, Stand August 2013

Fachinformation Seroquel® Filmtabletten, Stand Januar 2014

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.