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DAZ aktuell
Honorierung, Lieferengpässe, Nullretax
Die Anträge zum Deutschen Apothekertag liegen vor
Zum Perspektivpapier Apotheke 2030, also dem neuen Leitbild, gibt es nur einen Antrag: „Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker verabschiedet das Perspektivpapier Apotheke 2030 in der vorliegenden von der Mitgliederversammlung empfohlenen Fassung“, beantragt der Geschäftsführende ABDA-Vorstand. Für die Diskussion des Papiers ist aber am Donnerstagvormittag viel Zeit eingeplant.
Mehrere Anträge gibt es zum Medikationsmanagement. Die Kammer Mecklenburg-Vorpommern fordert, dass ein Fortbildungscurriculum erarbeitet werde, dessen erfolgreicher Abschluss die Voraussetzung für eine Vergütung sein soll. In einem Leitantrag, der zwei Anträge aus Berlin und Nordrhein zusammenfasst, wird eine einheitliche IT-Struktur mit einer Anwendungssoftware gefordert, die in die Apothekensoftware integriert werden soll.
Versorgungsengpässe
Welche Bedeutung das Problem der Lieferengpässe von Arzneimitteln und Impfstoffen hat, erkennt man an der Zahl der Anträge dazu. Die Apothekerkammern Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Thüringen und der baden-württembergische Verband wollen, dass seitens der Politik Maßnahmen gegen Arzneimittel-Lieferengpässe ergriffen werden. Kammer Berlin und Verband Nordrhein beantragen gemeinsam, die Regierung aufzufordern, die Versorgung mit lebensnotwendigen Impfstoffen sicherzustellen.
Aber auch weitere Versorgungsprobleme werden angesprochen: So regt die Berliner Kammer eine staatliche Förderung der Antibiotikaforschung an, der Hessische Apothekerverband (HAV) Förderprogramme, um die pharmazeutische Versorgung auf dem Land zu gewährleisten.
Die Versorgung von Patienten mit Schmerzpumpen beschäftigt die Kammer Nordrhein. Die Rechtslage müsse so geändert werden, dass die Versorgung dieser Patienten durch Apotheken wieder möglich werde, fordert sie. In einem weiteren Antrag werden die gesetzlichen Krankenkassen aufgefordert, bei Rabattverträgen die galenischen Eigenschaften der Präparate zu berücksichtigen, insbesondere die Sondengängigkeit und Teilbarkeit von Tabletten.
Der Apothekerverband Nordrhein will neue Regelungen zur Hilfsmittelabgabe im Notdienst und der Palliativversorgung. Es könne nicht im Sinne des Patienten sein, wenn für Hilfsmittel zur Arzneimittel-Applikation – wie Spritzen, Pen-Nadeln oder Infusionsbesteck – erst eine Genehmigung eingeholt werden müsse. Apotheken könnten Arzneimittel binnen Stunden liefern – die Genehmigung für das Applikationssystem lasse aber manchmal vier Wochen auf sich warten.
Ein ganz besonderes Versorgungsproblem beschäftigt die Kammer Berlin: Die Interpretation von Datenschutzbestimmungen bei der Verwendung der Rezeptdaten sei von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Dies verhindere „derzeit die Generierung der für die wissenschaftliche Bewertung der Qualität der Arzneimittelversorgung erforderlichen Daten“. Deswegen seien eindeutige Regelungen zur „Sicherstellung einer wissenschaftlichen Evaluation der Qualität der Arzneimittelversorgung zu treffen“. Diese dürfe nicht „zum Spielball von Datenschützern werden“, finden die Berliner.
Schnittstellen-Probleme
Fast schon ein Dauerbrenner auf Apothekertagen ist das Entlass-Management. Dieses Mal fordert der Geschäftsführende ABDA-Vorstand ein einheitliches, vom Krankenhaus auszustellendes Entlass-Rezept für die kurzfristige Medikation. Für den Patienten entfiele der bisher nötige Gang zum niedergelassenen Arzt, der „in der Regel ab Freitagmittag Probleme“ bereite. Da die niedergelassenen Apotheken flächendeckend eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung an sieben Tagen die Woche organisieren, sei das Entlass-Rezept der „Königsweg“.
Honorarerhöhung
Wie jedes Jahr werden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, und dabei nicht zuletzt die Fragen der Honorierung, wohl auch auf diesem Apothekertag eine große Rolle spielen. In einem Leitantrag wird eine jährliche Überprüfung der Höhe des Festzuschlags gefordert. Außerdem soll die Methodik geändert werden, mit der der Anpassungsbedarf der Vergütung errechnet wird. Der Leitantrag fordert weiter, für Rezepturarzneimittel nicht nur das Arbeitsentgelt, sondern auch den Festzuschlag von 8,50 Euro zu erheben – schließlich muss auch hier beraten werden. Angepasst werden soll außerdem das Sonderentgelt für dokumentationspflichtige Arzneimittel sowie der Zuschlagsbetrag für den Nacht- und Notdienstfonds von derzeit 16 Cent. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die ursprünglich versprochene Summe von 120 Millionen Euro pro anno für die Notdienstpauschale auch zusammenkommt.
Diese Maßnahmen seien geeignet, die flächendeckende Arzneimittelversorgung zu stärken, da zum einen das „Herzstück“, der Festzuschlag nach AMPreisV, erhöht, zum anderen der mit dem Nacht- und Notdienstfonds beschrittene Weg einer finanziellen Förderung der Gemeinwohlverpflichtungen fortgesetzt würde. Ein weiterer Antrag fordert die Erhöhung des Rezepturzuschlags.
Auch eine Erhöhung des prozentualen Zuschlags der AMPreisV wird verlangt. Dem HAV schwebt eine Verdoppelung auf sechs Prozent vor. Der Berliner Apotheker-Verein fordert eine Gebühr von 3,50 Euro bei Nichtverfügbarkeit eines Rabattarzneimittels. Da die Kassen in den Rabattverträgen vereinbaren könnten, dass die Gebühr vom nicht lieferfähigen Hersteller zu begleichen sei, führe sie nicht zu höheren Kosten der GKV. Außerdem sollten sich Rabattverträge zeitlich über mehrere Monate überschneiden, wird aus Sachsen gefordert. Dadurch hätten die Apotheken ausreichend Zeit, ihre Warenlager ohne Verluste zu bereinigen.
Abschaffung der Nullretaxen
Auch mit dem Ärgernis Null-Retaxationen beschäftigt sich ein Leitantrag, der insgesamt acht Anträge zusammenfasst und fordert, die Zulässigkeit von Nullretaxationen aufgrund von Formfehlern grundsätzlich auszuschließen. Da der Rechtsweg gegen diese Vollabsetzungen vor den nationalen Gerichten ausgeschöpft ist, müsse nun der Gesetzgeber tätig werden. Die „exzessiven Retaxationen“ der Krankenkassen hätten dazu geführt, dass der Zeitaufwand zur Behebung kleiner formaler Fehler das zumutbare Maß längst überschritten hat. Der rheinland-pfälzische Apothekerverband fordert außerdem eine Entschädigung für nicht gerechtfertigte Absetzungen. Den Apotheken solle der Zinsverlust und der entstandene personelle und materielle Mehraufwand vergütet werden.
Ganz generell den Einfluss der GKV auf das Berufsleben in der Apothekenpraxis beschränken möchte der HAV. Das SGB V eröffne den Kassen derzeit „zu viele Möglichkeiten, auf den Apothekenbetrieb erschwerend Einfluss zu nehmen.“
Neben den Retaxationen gibt es weitere Probleme bei Abgabe und Abrechnung von Arzneimitteln, beispielsweise mit der Substitutionsausschlussliste. Um die kontinuierliche Versorgung mit dem gleichen Präparat zu gewährleisten, fordert die Kammer Brandenburg, dass auch bei Wirkstoffen auf der Liste ein Austausch erlaubt wird, um das Arzneimittel abgeben zu können „welches aufgrund bestehender Rabattverträge vormals substituiert wurde“.
Wettbewerb
Um den Wettbewerb bei OTCs einzudämmen fordert die AK Nordrhein die Wiedereinführung der Festpreise für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel – bei „unveränderten Bezugskonditionen für öffentliche Apotheken“. Die Arzneimitteltherapiesicherheit dürfe nicht dem vermeintlichen Wettbewerb im Gesundheitswesen geopfert werden.
Der Verband aus Nordrhein stört sich an sogenannten On-Pack-Promotions. Zusammen mit den Kollegen aus Baden-Württemberg fordert er, diese Kombinationen von Arzneimitteln mit Zugaben, die keine applikations- oder anwendungsunterstützende Funktion haben, zu verbieten. Diese Werbeaktionen der Hersteller setzten falsche Kaufanreize und förderten so den Arzneimittelmehrverbrauch, kritisieren die Antragssteller.
Vorratshaltung
Die Pflichten zur Vorratshaltung in Apotheken möchte die LAK Thüringen ändern. So fänden sich in der Liste der Notfall-Arzneimittel Wirkstoffe, für die kein in Deutschland zugelassenes Präparat verfügbar ist. Außerdem sei die Pflicht zur kurzfristigen Beschaffung von Arzneimitteln zur Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen realitätsfremd. Solche Erkrankungen würden stationär behandelt, weshalb diese Arzneimittel nur über krankenhausversorgende und Krankenhaus-Apotheken besorgt würden, auf die diese Pflicht deshalb beschränkt werden solle.
Europäische Probleme
Nicht nur deutsche Gesetze und Vorschriften, auch ausländische Regelungen, und hier vor allem europäische, bereiten der Apothekerschaft Sorgen.
So fordert die AK Berlin, Muster-Datenbanken mit ausländischen Rezepten („Cross-Border-Verschreibungen“) und Arztausweisen einzurichten, um die Echtheit der vorgelegten Dokumente überprüfen zu können.
Die Kammer möchte zudem, dass Verschreibungen von „Internet-Ärzten“ nicht anerkannt werden. Solche Rezepte sind in einzelnen EU-Staaten, beispielsweise Großbritannien, zulässig und müssten nach EU-Recht in Deutschland akzeptiert werden.
Probleme mit Entscheidungen auf europäischer Ebene sieht wohl auch der ABDA-Vorstand. Er fordert in einem Antrag die Bundesregierung und die Europäische Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Entscheidungskompetenz der Mitgliedstaaten über die Organisation ihres Gesundheitswesens beachtet wird. Vor allem nicht-legislative Maßnahmen könnten zu einem Unterlaufen dieser eigentlich garantierten Zuständigkeit der Nationalstaaten führen. Dazu zählt der ABDA-Vorstand beispielsweise „Aktionspläne“, aber auch europäische Normen, die mittel- bis langfristig Einfluss auf die nationale Gesetzgebung haben könnten. Welche faktische Kraft auch formell nicht bindende Anforderungen entfalten können, hätten die Euro-Stabilisierungsmaßnahmen in den südeuropäischen Krisenländern überdeutlich gezeigt. Auch die vertraulichen Diskussionen über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP kritisiert die ABDA. „Finanziell motivierte Interessen internationaler Großkonzerne am europäischen Gesundheitsmarkt dürfen keinen Vorrang vor berechtigten öffentlichen Belangen des Gesundheitsschutzes erhalten“, heißt es in der Antragsbegründung.
Berufsvertretung
Wie jedes Jahr sollen die Delegierten auch über Änderungen bei der Organisation und Struktur der Berufsvertretung abstimmen. Die Kammer Nordrhein möchte, dass der ABDA-Präsident in Zukunft von den Delegierten des Apothekertags gewählt wird. Eine Wahl durch die Mitglieder des höchsten Gremiums der Apotheker verstärke die Legitimation des Präsidenten.
Dem HAV liegt die Effizienz am Herzen: Um schnellere Entscheidungsfindung und Beschlussfassung zu ermöglichen, soll die Struktur der Organe und Gremien der ABDA überprüft werden. Und auch die Einsparpotenziale des ABDA-Haushaltes sollen auf den Prüfstand. Zudem wird mehr Transparenz gefordert. Die ABDA soll nach Meinung des HAV zweimal jährlich in den etablierten Fachzeitschriften über Sachstand, Projektfortschritt und finanziellen Status der geförderten Projekte (z.B. ABDA-KBV-Modell oder Securpharm) berichten. In eine ähnliche Richtung geht ein Antrag der LAK Thüringen: Sie möchte größere Transparenz über den Bearbeitungsstatus der vom Apothekertag angenommenen Anträge. So sei der Antragsteller zu entscheidenden Ausschusssitzungen einzuladen. Werde ein Antrag als erledigt betrachtet, sei dem Antragsteller eine Möglichkeit der Stellungnahme einzuräumen. Alle Anträge und ihr Bearbeitungsstatus sollten darüber hinaus in einer zentralen Datenbank aufrufbar sein. Die Berliner Kammer möchte, dass alle Beschlüsse und Stellungnahmen der ABDA auf deren Webseite einsehbar sind.
Arzneimittelfälschungen
Die aktuellen Probleme beim Arzneimittel-Import nach Deutschland adressieren mehrere Anträge. Die ersatzlose Streichung der Importverpflichtung nach § 129 SGB V fordern LAV und LAK aus Bayern zusammen mit dem LAV Rheinland-Pfalz. Dieser will darüber hinaus, dass die lückenlose Verifizierbarkeit der Herkunft von Importarzneimitteln gewährleistet wird. Die aktuelle Situation stelle ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar und öffne der organisierten Kriminalität Tür und Tor. Bei der Bevölkerung führe dies zur Verunsicherung über die Sicherheit des Bezugswegs Apotheke. Außerdem fordern die Pfälzer das SecurPharm-Projekt weiterhin mit ausreichenden Mitteln auszustatten. Die Bayern wünschen eine durchgängige Kennzeichnung von Krankenhaus-Ware. Das sei zum Schutz vor Einschleusung gefälschter oder gestohlener Ware unerlässlich.
Weitere Anträge
Der AV Nordrhein fordert, die Hersteller zu verpflichten, Impfstoffe auch in Einzeldosen anzubieten. Außerdem sollen OTC-Arzneimittel für Patienten unter 18 Jahren erstattet werden.
Weitere Anliegen des HAV sind Bürokratieabbau und Veränderungen beim Pharmaziestudium. Auch die PTA- und PKA-Ausbildungen sollen grundsätzlich überarbeitet werden. Außerdem soll ein „Honorar- und Strategiearbeitskreis“ eingeführt werden.
Die Kammer Nordrhein fordert, die Anzahl der zuständigen Krankenhausapotheker in Relation zur Betten- und Patientenzahl, der Fallschwere und/oder des Umfangs der Dienstleistung festzuschreiben, beispielsweise auf einen Apotheker pro 100 Betten. Auch sollten geeignete Maßnahmen gegen „rechtsvergessene“ ausländische Versandapotheken ergriffen werden.
Ein Sitz im gemeinsamen Bundesausschuss ist eine gemeinsame Forderung der Kammer Nordrhein und des HAV.
Die LAK Thüringen wünscht sich ein Newsletter-Schnellinfo-System der AMK-Meldungen.
Die Berliner Kammer möchte eindeutig festgelegte Bedingungen bei Analysen mit Nahinfrarot-Spektroskopie. Um die Vielfalt des Apothekerberufs deutlicher zu machen, soll die Bundesapothekerordnung geändert sowie eine Imagekampagne gestartet werden. Kampagnen wollen auch die Kammern Nordrhein und Thüringen und der Thüringer Verband, und zwar zur Nachwuchsgewinnung.
Dr. Kerstin Kemmritz und Kollegen fordern, die Evidenz zu den am häufigsten abgegebenen OTC-Arzneimitteln aufzuarbeiten.
Die LAK Baden-Württemberg fordert, den Benzodiazepin-Entzug in der Apotheke zu etablieren.
Die LAK Sachsen hält eine weitere, vierte, Taxzeile für die vielen Sonderzeichen auf dem Rezept für notwendig. Zusammen mit dem Landesapothekerverband fordert sie zudem die generelle Zertifizierung von Apothekensoftware, damit alle Vorgaben der Abrechnung korrekt umgesetzt werden.
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