- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 35/2014
- Cholsäure fördert das ...
Arzneimittel und Therapie
Cholsäure fördert das Wachstum
Hilfe bei seltenem Gallensäure-Synthesedefekt
Cholsäure ist die vorherrschende primäre Gallensäure beim Menschen. Bei Patienten mit einem angeborenen Mangel an 3β-Hydroxy-Δ5-C27-steroid-Oxidoreduktase oder Δ4-3-Oxosteroid-5β-Reduktase ist die Biosynthese vermindert oder fehlt ganz. Beide angeborenen Erkrankungen sind äußerst selten. Die Prävalenz in Europa liegt bei etwa drei bis fünf Patienten mit 3β-Hydroxy-Δ5-C27-steroid-Oxidoreduktase-Mangel je zehn Millionen Einwohnern; die Prävalenz des Δ4-3-Oxosteroid-5β-Reduktase-Mangels liegt Schätzungen zufolge um das Zehnfache niedriger. Das Erkrankungsalter ist unterschiedlich. Unbehandelt kommt es zur Bildung nicht physiologischer cholestatischer und hepatotoxischer Gallensäure-Metaboliten in der Leber, im Serum und im Urin. Das kann zu Leberfunktionsstörungen und zum lebensbedrohenden Leberversagen führen. Das Grundprinzip der Behandlung besteht in der Wiederherstellung der Gallensäure-abhängigen Komponente des Gallenflusses. Dazu werden primäre Gallensäuren wie die Cholsäure eingesetzt. Sie schafft einen Gallensäuren-Pool, der den Gallenfluss und die Fettresorption anregt. Damit können die Gallensekretion und die biliäre Elimination toxischer Metabolite wiederhergestellt werden, und die Produktion toxischer Gallensäuremetaboliten wird durch negative Rückkopplung gehemmt.
Viele Krankheiten des Säuglings- und Kindesalters mit neonataler Cholestase und ungeklärtem Mangel fettlöslicher Vitamine oder ungeklärte Funktionsstörung der Leber und Krankheiten des Erwachsenenalters mit neurologischen Störungen können auf einen Gallensäure-Synthesedefekt deuten. Die Diagnose basiert auf der Bestimmung der Leberenzyme und des Bilirubinprofils im Serum und der Analyse von Urin, Serum und Galle mit liquid secondary ionization-Massenspektrometrie (LSIMS) und Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS). Bei klinischem Verdacht ist eine Analyse des Urins des Kindes mit LSIMS schon in den ersten Tagen nach der Geburt möglich, sodass mit der Therapie begonnen werden kann, bevor signifikante Krankheitszeichen auftreten.
Dosierungsempfehlungen
Cholsäure ist angezeigt zur Behandlung von angeborenen Störungen der primären Gallensäuresynthese aufgrund eines 3β-Hydroxy-Δ5-C27-steroid-Oxidoreduktase-Mangels oder eines Δ4-3-Oxosteroid-5β-Reduktase-Mangels bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen im Alter von einem Monat bis 18 Jahren und bei Erwachsenen. Die tägliche Dosis beträgt 5 bis 15 mg/kg. In allen Altersgruppen liegt die Mindestdosis bei 50 mg, und die Dosisanpassung erfolgt in 50-mg-Schritten. Bei Erwachsenen sollte die tägliche Dosis 500 mg nicht übersteigen. Die tägliche Dosis kann aufgeteilt werden, sofern sie aus mehr als einer Kapsel besteht, um die kontinuierliche körpereigene Cholsäure-Produktion nachzuahmen und um die Anzahl der pro Gabe einzunehmenden Kapseln zu verringern. Die Cholsäure-Kapseln sind täglich etwa zur selben Zeit morgens bzw. abends zu den Mahlzeiten einzunehmen. Durch die Einnahme zu den Mahlzeiten lässt sich die Bioverfügbarkeit von Cholsäure erhöhen und die Verträglichkeit verbessern. Die Kapseln müssen unzerkaut mit Wasser geschluckt werden. Bei Säuglingen und Kindern, die keine Kapseln schlucken können, kann man die Kapseln öffnen und den Inhalt in Säuglingsnahrung oder Saft geben.
Steckbrief
Handelsname: Orphacol®
Hersteller: Laboratoires CTRS, Frankreich
Einführungsdatum: 15. Mai 2014
Zusammensetzung: jede Hartkapsel enthält 50 mg bzw. 250 mg Cholsäure; sonstiger Bestandteil mit bekannter Wirkung: Lactose (145,79 mg je Kapsel)
Packungsgrößen, Preis, PZN: 50 mg: 30 Stück, 3268,66 Euro, PZN 10417824; 60 Stück, PZN 10417830, 6479,99 Euro; 250 mg: 30 Stück, PZN 10417847, 16.113,99 Euro
Stoffklasse: Gallen- und Lebertherapie, Gallensäure-haltige Zubereitungen; ATC-Code: A05AA03
Indikation: Orphacol ist angezeigt zur Behandlung von angeborenen Störungen der primären Gallensäuresynthese aufgrund eines 3β-Hydroxy-Δ5-C27-steroid-Oxidoreduktase-Mangels oder eines Δ4-3-Oxosteroid-5β-Reduktase-Mangels bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen im Alter von einem Monat bis 18 Jahren und bei Erwachsenen.
Dosierung: Die tägliche Dosis beträgt bei Säuglingen, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen 5 bis 15 mg/kg. In allen Altersgruppen liegt die Mindestdosis bei 50 mg, und die Dosisanpassung erfolgt in 50-mg-Schritten. Bei Erwachsenen sollte die tägliche Dosis 500 mg nicht übersteigen.
Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Cholsäure oder einen der sonstigen Bestandteile; gleichzeitige Anwendung von Phenobarbital mit Cholsäure
Nebenwirkungen: Pruritus, Diarrhö, erhöhte Transaminasen, Gallensteine
Wechselwirkungen: Phenobarbital antagonisiert die Wirkung von Cholsäure. Die Anwendung von Phenobarbital bei Patienten mit 3β-Hydroxy-Δ5-C27-steroid-Oxidoreduktase-Mangel oder Δ4-3-Oxosteroid-5β-Reduktase-Mangel, die mit Cholsäure behandelt werden, ist kontraindiziert. Ciclosporin verändert die Pharmakokinetik von Cholsäure durch Inhibition der Aufnahme in der Leber und der hepatobiliären Sezernierung von Gallensäuren sowie deren Pharmakodynamik durch Inhibition von Cholesterin-7α-hydroxylase. Eine gleichzeitige Anwendung ist zu vermeiden. Gallensäuresequestranten (Cholestyramin, Colestipol, Colesevelam) und bestimmte Antazida (z.B. Aluminiumhydroxid) binden Gallensäuren und sorgen für ihre Eliminierung. Man geht davon aus, dass eine Anwendung dieser Arzneimittel die Wirkung von Cholsäure abschwächt. Zwischen der Gabe von Gallensäuresequestranten oder Antazida und der Gabe von Cholsäure muss ein Zeitraum von mindestens fünf Stunden liegen, unabhängig davon, welches Arzneimittel zuerst gegeben wird.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Die Behandlung mit Cholsäure ist abzubrechen, wenn sich eine gestörte hepatozelluläre Funktion (ermittelt anhand der Prothrombinzeit) nicht innerhalb von drei Monaten nach Einleitung der Cholsäure-Behandlung verbessert. Dabei sollte ein gleichzeitiges Absinken der Gesamt-Gallensäuren im Urin zu beobachten sein. Die Behandlung ist zu einem früheren Zeitpunkt abzubrechen, wenn eindeutige Hinweise auf eine schwere Leberinsuffizienz vorliegen.
Orphan drug normalisiert die Laborparameter
Die absoluten Patientenzahlen sind aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen niedrig. Deshalb sind auch keine kontrollierten klinischen Studien möglich. Berichte über klinische Erfahrungen liegen mit kleinen Kohorten von Patienten und in Form einzelner Fallbeschreibungen vor. Insgesamt werden Ergebnisse einer Cholsäure-Behandlung von weniger als 100 Patienten in der Literatur berichtet. Cholsäure wurde daher unter „außergewöhnlichen Umständen“ zugelassen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) wird jedes Jahr die neuen Informationen prüfen, die verfügbar werden.
Es konnte gezeigt werden, dass eine orale Cholsäure-Therapie die Notwendigkeit einer Lebertransplantation hinauszögert oder vermeidet, zu einer Normalisierung der Laborparameter führt, histologische Leberläsionen bessert und die Gesamtsymptomatik der Patienten signifikant verbessert. Eine massenspektrometrische Urinanalyse unter Cholsäure-Therapie zeigt das Vorliegen von Cholsäure sowie eine deutliche Verringerung bzw. sogar eine vollständige Elimination der toxischen Gallensäure-Metaboliten.
Wechselwirkungen beachten
Da Phenobarbital die Wirkung von Cholsäure antagonisiert, ist die Anwendung kontraindiziert. Auch eine gleichzeitige Anwendung mit Ciclosporin ist zu vermeiden, da Ciclosporin die Cholesterin-7α-hydroxylase und die Aufnahme in die Leber und die hepatobiliäre Sezernierung von Gallensäuren inhibiert. Ist die Anwendung von Ciclosporin notwendig, so muss der Gallensäure-Spiegel im Serum und im Urin engmaschig überwacht und die Cholsäure-Dosis entsprechend angepasst werden. Cholestyramin, Colestipol, Colesevelam und bestimmte Antazida (z.B. Aluminiumhydroxid) binden Gallensäuren und sorgen für ihre Eliminierung. Man geht davon aus, dass eine Anwendung dieser Arzneimittel die Wirkung von Cholsäure abschwächt. Unter der Behandlung mit Cholsäure traten Pruritus und Diarrhö auf. Diese Nebenwirkungen klangen nach einer Dosissenkung wieder ab und lassen auf eine Überdosierung schließen. Patienten, bei denen es zu Pruritus bzw. persistierender Diarrhö kommt, sollten daher mittels Messung der Gallensäurewerte im Serum bzw. im Urin auf eine mögliche Überdosierung untersucht werden. Die Häufigkeit dieser Nebenwirkungen ist nicht bekannt und kann auf Grundlage der verfügbaren Daten auch nicht abgeschätzt werden. Nach Langzeittherapie wurde über Gallensteine berichtet.
Quelle
Fachinformation Orphacol®, Stand November 2013
Orphanet – Das Portal für seltene Krankheiten und Orphan Drugs, www.orpha.net
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.