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- DAZ 34/2014
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Rezeptur
Multitalent Harnstoff
Was bei der Verarbeitung zu beachten ist
Seine Eigenschaften machen ihn zu einer wertvollen Substanz besonders auch in der Rezeptur. Harnstoff gehört daher zu den Top Ten der Rezeptursubstanzen.
Er wird bei trockener Haut zur Hydratisierung (Moisturizer) eingesetzt, aber auch als Keratolyticum oder Penetrationsbeschleuniger. Daneben hemmt er die epidermale Proliferation, zeigt einen antipruriginösen Effekt und wirkt antibakteriell.
Harnstoff als Wirk- und Hilfsstoff
Im Vordergrund stehen die hydratisierenden Eigenschaften des Harnstoffs.
Dabei ist das Vehikel, das heißt die Grundlage entscheidend: in O/W-Emulsionen entwickelt Harnstoff eine Sofortwirkung in den oberen Hautschichten. Eine länger andauernde, intensivere hydratisierende Wirkung wird dagegen mit W/O-Systemen bewirkt, die jedoch mit einer langsameren Penetration des Harnstoffs in tiefere Hautschichten verbunden ist.
Ebenfalls von Bedeutung ist der penetrationsfördernde Effekt für verschiedene Arzneistoffe. Demnach ist die topische Anwendung von Harnstoff unter zwei Gesichtspunkten zu sehen:
- Als Monotherapeutikum in Basisdermatika und kosmetischen Produkten;
- als Hilfsstoff in Kombination mit anderen Arzneistoffen.
Chemische Struktur und Stabilität
Bevor man einen Wirkstoff verarbeitet, sollte man sich mit den Eigenschaften der Substanz vertraut machen.
Von allgemeiner Bedeutung sind dabei beispielsweise
- die Löslichkeit,
- die pH-abhängige Stabilität, pH-Optimum),
- die ionische oder nichtionische Molekülstruktur sowie
- die basische, saure oder neutrale Reaktion nach Verarbeitung.
Harnstoff – eine nichtionische Neutralverbindung
Dem Molekülbau ist es jedoch bereits anzusehen: Harnstoff zerfällt in Ammoniumcyanat, CO2 und Ammoniak und zwar umso schneller, je ungünstiger die Umgebungsbedingungen sind. Die Zersetzung ist pH- und temperaturabhängig. Dabei ist weniger die absolut zersetzte Harnstoffmenge von Bedeutung, sie stellt normalerweise kein Problem dar. Viel wichtiger ist, dass auch bei einem geringen Ausmaß an Hydrolyse eine relevante pH-Verschiebung ins Alkalische erfolgt. Bis 9 kann der pH-Wert ansteigen. So führt beispielsweise die Zersetzung von 0,16% Harnstoff zu einem pH-Anstieg auf 8,5 [10]. Zudem nimmt die Hydrolysegeschwindigkeit des Harnstoffs mit steigendem pH-Wert immer weiter zu (autokatalytische Zersetzung).
Welche Punkte sind für die Stabilität wichtig?
Folgendes sollte bei der Verarbeitung von Harnstoff beachtet werden:
- kalte Verarbeitung,
- pH-Bereich der Stabilität (pH 4–8) einhalten [1, 5],
- pH-Anstieg gegebenenfalls durch Pufferung unterbinden (z.B. Lactat- oder Citrat-Puffer), besonders wenn weitere Inhaltsstoffe davon negativ betroffen sind (z.B. manche Corticoide oder Konservierungsmittel).
Weitere galenische Aspekte
Die Überlegungen zur Herstellung einer Harnstoff-haltigen Zubereitung sind primär auf folgende Frage gerichtet: Wie lässt sich diese Substanz auf einfache Weise einarbeiten? Harnstoff ist in Wasser sehr leicht löslich (1 in 1). Beträgt die Wassermenge in der Grundlage mehr als das zwei -bis dreifache der Harnstoffmenge, entsteht aufgrund der guten Wasserlöslichkeit eine Lösungssalbe. Entgegen althergebrachter Herstellungstechniken kann hier der Harnstoff einfach aufgestreut und eingerührt werden.
Der Lösungsprozess ist stark endotherm was zu einer deutlichen Abkühlung führt und entsprechend die Lösungsgeschwindigkeit merklich herabsetzt. Deshalb ist auch bei der Herstellung von Lösungssalben mit Harnstoff fein gemahlene Handelsware vorzuziehen.
Mikrobielle Stabilität der Rezeptur
Harnstoff ist zwar selbst antimikrobiell wirksam, vor allem jedoch bei niedrigen Konzentrationen ist das nicht ausreichend. Daher bedürfen wasserhaltige Vehikelsysteme meist einer Konservierung. Diese muss sowohl auf den Harnstoff als auch auf weitere Wirkstoffe und die Salbengrundlage abgestimmt sein. Folglich müssen sich die tolerierbaren pH-Bereiche für alle Bestandteile überlappen.
Herstellungsvarianten für Lösungssalben
Als allgemeine Methoden zur Herstellung von Lösungssalben lassen sich anführen:
- Substanz in der Phase der Löslichkeit auflösen, anschließend emulgieren.
- Arzneistoff auf die fertige Grundlage aufstreuen und einrühren.
- Flüssige Wirkstoffe in die vorgelegte Grundlage einarbeiten.
- Arzneistoff vorlegen, mit gleicher Menge Grundlage anreiben und restliche Grundlage portionsweise zugeben. Diese Methode ist besonders hilfreich, wenn man nicht sicher ist, ob sich wirklich eine Lösungssalbe ergibt, da sie eine Standardmethode zur Herstellung von Suspensionssalben ist [9].
Rezepturbeispiele
Nicht immer ist es nötig, wasserhaltige Harnstoffzubereitungen zu puffern. Ist der hydrolysebedingte pH-Anstieg nicht vertretbar, muss jedoch eine pH-Stabilisierung erfolgen.
Die folgenden Rezepturbeispiele sollen dies verdeutlichen:
Urea 3,0
Basiscreme DAC ad 50,0
Die Basiscreme enthält 50 Prozent Wasser. Der Harnstoff kann einfach aufgestreut und eingerührt werden, bis kein Kratzen mehr wahrnehmbar ist. Ein möglicher zersetzungsbedingter pH-Anstieg stört in diesem Fall die weiteren Bestandteile dieser Rezeptur nicht, da die Konservierung mit Propandiol pH-unabhängig wirksam ist.
Im zweiten Beispiel wird folgende hydrophile Harnstoff-Creme aus dem NRF (11.71.) angefertigt:
Harnstoff + Lactat-Puffer + Wasserhaltige hydrophile Salbe DAB
Wenn, wie in diesem Fall, wasserhaltige hydrophile Salbe verwendet wird, die mit Sorbinsäure konserviert ist, ist es sinnvoll, sie mit dem schwach sauren Lactat-Puffer (siehe Kasten „Puffer“) zu puffern, denn Sorbinsäure hat ein pH-abhängiges Wirkspektrum zwischen pH 3,5 und 5,5 und toleriert keine höheren pH-Werte [1].
Im dritten Beispiel wird Harnstoff auch als Penetrationsförderer für das Corticoid eingesetzt:
Betamethason-valerat + Urea + Citrat-Puffer (pH 4,2) + Basiscreme DAC
Eine Pufferung im Sauren ist nötig, da Betamethason- valerat nur bis pH 5 stabil ist.
Puffer
Lactat-Puffer für 100 g Creme:
Milchsäure (90% m/m) 1,0 g, Natriumlactat-Lösung (50% m/m) 4,0 g
Citrat-Puffer für 100 g Creme:
Citronensäure: 0,025 g, Natriumcitrat: 0,025 g, Gereinigtes Wasser ad 5,0 g
Wenn sich Harnstoff nicht in der Rezeptur lösen kann?
Natürlich liegt Harnstoff in wasserfreien Salbengrundlagen suspendiert vor. Bei der Verarbeitung sind in diesem Fall alle Punkte zu beachten, die für die Herstellung von Suspensionssalben nötig sind (vgl. Beitrag „Corticoide für die Haut, DAZ 2014 Nr. 25; [9]).
Zusammenfassung
Zusammenfassend kann man Folgendes festhalten:
- Harnstoff ist auch in wässriger Lösung recht stabil.
- Bereits eine geringfügige Hydrolyse führt zu deutlichem pH-Anstieg bis über pH 8.
- Ist der hydrolysebedingte pH-Anstieg nicht tolerierbar, muss gepuffert werden. Lactat- oder Citrat-Puffer eignen sich dazu.
Quelle
[1] DAC/NRF, Tabellen für die Rezeptur, Govi-Verlag 2013
[2] Bauer, KH, Frömming, KH, Führer, C, Lehrbuch der Pharmazeutischen Technologie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2012
[3] Voigt, R. Pharmazeutische Technologie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2010
[4] Stricker, H, Physikalische Pharmazie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 1987
[5] Gesellschaft für Dermopharmazie, Wirkstoffdossiers, 2013
[6] Wolf, G, Süverkrüp, R. Rezepturen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2011
[7] Breitkreutz, J, Eifler-Bollen, R, Kiefer, A. Fit für die Rezeptur, Govi-Verlag 2008
[8] Ziegler, A. S., Plausibilitäts-Check Rezeptur, Deutscher Apotheker Verlag 2013
[9] Pfeuffer, J. Corticoide für die Haut, Deutsche Apothekerzeitung Nr. 25, 2014:60-62
[10] Neues Rezeptur-Formularium, Rezepturhinweise: Harnstoff, 2014
Autor
Dr. Josef Pfeuffer, Pharmaziestudium und Promotion am Lehrstuhl für pharmazeutische Technologie in Erlangen
Fachapotheker für Pharmazeutische Technologie
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