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- DAZ 34/2014
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Arzneimittel und Therapie
Die schnelle Nummer 4?
PDE-5-Hemmer Avanafil bei erektiler Dysfunktion
Phosphodiesterase-5-Hemmer (PDE-5-Hemmer) haben seit Ende der 90er Jahre einen festen Platz in der Behandlung der erektilen Dysfunktion (ED) und werden von den Fachgesellschaften als Erst-Linien-Therapie empfohlen. Ihr Status als nicht erstattungsfähige „Lifestyle-Arzneimittel“ tut der Beliebtheit unter den Patienten dabei keinen Abbruch. Auch der neue Wirkstoff Avanafil soll folgerichtig als solches gruppiert werden, da es „dem Kriterium eines Arzneimittels zur Behandlung der sexuellen Dysfunktion entspricht und dabei der individuellen Bedürfnisbefriedigung und/oder Steigerung des Selbstwertgefühls dient“, wie der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in einer Begründung schreibt [1].
Die Frage nach dem Warum?
Doch weshalb besteht Bedarf nach einem vierten Wirkstoff innerhalb einer gut besetzten Wirkstoff-Klasse? Vor allem dann, wenn die Wirkung eines Wirkstoffs gegenüber den Vorgängern verbessert werden kann oder Nebenwirkungen minimiert sind und sich die Anwender einen entsprechenden Nutzen versprechen. Für Avanafil wird eine Reduktion des spürbaren Wirkeintritts auf 15 Minuten propagiert, so dass die Wartezeit zwischen Einnahme und erwünschtem Effekt möglichst kurz ist. Bezüglich der Nebenwirkungen könnte von Vorteil sein, dass Avanafil laut In-vitro-Studien hoch selektiv die Isoform 5 des Enzyms Phosphodiesterase hemmt, welche vorrangig an der glatten Muskulatur des Schwellkörpers (Corpus cavernosum) vorkommt. Eine unselektive Hemmung anderer Phosphodiesterasen, insbesondere der Isoformen 3 und 6, welche am Herzen bzw. in den Photorezeptoren der Retina vorkommen, würde zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen wie z.B. Sehstörungen führen. Dass der Markt groß ist, kann auch einer der Gründe dafür sein, einen weiteren Wirkstoff einzuführen. Den Hersteller könnten daher Pressemitteilungen aus den USA optimistisch stimmen, denen zufolge man davon ausgeht, dass ca. 60% der Anwender von PDE-5-Inhibitoren nicht an einen Wirkstoff gebunden und wechselfreudig sind, da man(n) immer auf der Suche nach dem Optimum ist.
Wirkmechanismus
Unausweichliche Voraussetzung für den Therapieerfolg der PDE-5-Hemmer und damit auch von Avanafil ist die sexuelle Stimulation des Anwenders. Denn nur so kommt es zu einer lokalen Freisetzung des gefäßerweiternden Stickstoffmonoxids (NO), welches die vermehrte Bildung von cyclischem GMP katalysiert. cGMP wiederum wirkt relaxierend auf die glatte Muskulatur des Schwellkörpers, wodurch bei sexueller Erregung mehr Blut in den Penis ein- als ausströmt und so die Erektion verursacht wird. Die Hemmung der PDE 5 verhindert eine Inaktivierung von cGMP zu GMP, wodurch die cGMP-Spiegel und damit die Erektion aufrecht erhalten wird.
Wie schnell darf’s gehen?
PDE-5-Inhibitoren führen nur bei sexueller Stimulation zur einer Entspannung der glatten Muskulatur im Schwellkörper und zu einer Steigerung des Bluteinstroms in den Penis. Die vier nun am Markt befindlichen Wirkstoffe müssen gemäß der Angaben in der Fachinformation bei Bedarf mit folgendem Abstand vor der sexuellen Aktivität eingenommen werden:
- Sildenafil (Viagra®): 60 Minuten
- Vardenafil (Levitra®): 25 bis 60 Minuten
- Tadalafil (Cialis®): 30 Minuten
- Avanafil (Spedra®): 30 Minuten
Und wie lange wirkt’s?
Die Halbwertszeit beträgt bei
Sildenafil: 3 bis 5 Stunden
Vardenafil: 4 bis 5 Stunden
Tadalafil: 17,5 Stunden
Avanafil: 5 Stunden
Nutzen
In den drei randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studien, welche über einen Zeitraum von bis zu drei Monaten die Wirksamkeit von Avanafil untersuchten, zeigte sich eine statistisch signifikante Überlegenheit aller Wirkstärken gegenüber Placebo [2]. Die insgesamt 1168 Probanden wurden aus der allgemeinen Population mit erektiler Dysfunktion (ED), ED-Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2 sowie Patienten mit ED infolge einer bilateralen nervenerhaltenden radikalen Prostatektomie rekrutiert. In einer anschließenden offenen Langzeitstudie erhielten 493 Patienten Avanafil für mindestens sechs Monate und 153 Patienten für mindestens zwölf Monate. Auch hier zeigte sich eine signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo. Die Geschlechtsverkehrsversuche unter Avanafil waren in allen untersuchten Einnahme-Zeitintervallen erfolgreicher als unter Placebo, auch diejenigen, welche innerhalb von 15 Minuten nach der Einnahme und bis zu sechs Stunden nach der Einnahme stattfanden. So wurden zum Beispiel in einer Studie 300 Geschlechtsverkehrsversuche innerhalb einer Zeitspanne von 15 Minuten nach der Einnahme unternommen. Die Erfolgsraten von Avanafil in den Dosierungen 50 mg, 100 mg und 200 mg waren hier 64%, 67%, und 71% verglichen mit 27% unter Placebo.
Dosierung
Spedra® soll maximal einmal täglich eingenommen werden. Die Einnahme richtet sich dabei nach dem voraussichtlichen Beginn der sexuellen Aktivität und sollte circa 30 Minuten vorher erfolgen. Die empfohlene Dosierung beträgt 100 mg und kann je nach Ansprechen und Verträglichkeit auf 50 mg reduziert oder auf maximal 200 mg erhöht werden. Findet eine gleichzeitige Behandlung mit moderaten CYP3A4-Inhibitoren wie Erythromycin, Fluconazol, Amprenavir, Fosamprenavir, Diltiazem, Verapamil oder Aprepitant statt, beträgt die empfohlene Maximaldosis von Avanafil 100 mg. Zwischen den einzelnen Einnahmen sollte dann auch noch ein zeitlicher Abstand von mindestens 48 Stunden eingehalten werden. Bei gleichzeitiger Einnahme starker CYP3A4-Inhibitoren ist Avanafil kontraindiziert (s.u.). Bei Patienten mit mäßig bzw. leicht eingeschränkter Nierenfunktion ist mit einer reduzierten Wirksamkeit zu rechnen, es sind aber keine Dosisanpassungen erforderlich. Bei einer leichten bis moderaten Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Stadium A oder B) sollte die Behandlung mit der niedrigsten wirksamen Dosis eingeleitet und gegebenenfalls nach Verträglichkeit gesteigert werden. Eine starke Leber- bzw. Niereninsuffizienz stellt eine Kontraindikation dar (s.u.). Bei älteren Patienten ist keine Dosisanpassung erforderlich, jedoch wurde die Anwendung bei Patienten ab 70 Jahren nicht ausreichend untersucht, weshalb keine Empfehlungen bezüglich einer möglichen Dosisanpassung für diese wichtige Patientenpopulation ausgesprochen werden können. Dass fettreiche Nahrung den Wirkeintritt im Vergleich zum Nüchternzustand verzögern kann, ist ein wichtiger Einnahmehinweis für das Beratungsgespräch.
Kontraindikationen
Bei der Anwendung von Avanafil sind einige Gegenanzeigen zu beachten. Eine Kontraindikation liegt bei starker Funktionseinschränkung der Eliminationsorgane vor (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min oder Child-Pugh-Stadium C), da diese Personengruppen nicht ausreichend untersucht wurden und der Wirkstoff renal und hepatisch eliminiert wird. Da es ein Substrat des Cytochrom P4503A4 ist und seine Plasmaspiegel bei gleichzeitiger Gabe starker CYP3A4-Inhibitoren wie Ketoconazol, Makrolidantibiotika oder Ritonavir und anderen Protease-Inhibitoren steigen, ist die gleichzeitige Einnahme kontraindiziert. Avanafil darf außerdem nicht bei Männern angewendet werden, die kardiale Risiken aufweisen. Dazu zählen Patienten, die innerhalb der letzten sechs Monate einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine lebensbedrohliche Arrhythmie erlitten haben, Patienten mit anhaltender Hypo- oder Hypertonie (<90/50 mmHg oder > 170/100 mmHg) sowie Patienten mit instabiler Angina pectoris, Angina pectoris während des Geschlechtsverkehrs oder mit kongestivem Herzversagen im Stadium 2 nach NYHA oder höher. Weitere Gegenanzeigen sind durch die möglichen Auswirkungen von PDE-5-Inhibitoren auf die Netzhaut bedingt: Sehverlust aufgrund einer nicht arteriitischen anterioren ischämischen Optikusneuropathie (NAION) sowie bekannte erbliche degenerative Netzhauterkrankungen.
Steckbrief
Handelsname: Spedra®
Hersteller: Berlin-Chemie AG, Berlin
Einführungsdatum: 1. März 2014
Zusammensetzung: 50 mg; 100 mg bzw. 200 mg Avanafil; sonstige Bestandteile: Mannitol, Fumarsäure, Hyprolose, niedrigsubstituierte Hyprolose, Calciumcarbonat, Magnesiumstearat, Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E172)
Stoffklasse: Mittel bei erektiler Dysfunktion, ATC-Code: G04BE10
Indikation: zur Behandlung der erektilen Dysfunktion bei erwachsenen Männern
Dosierung: empfohlene Dosis 100 mg Avanafil, bei Bedarf etwa 30 Minuten vor der sexuellen Aktivität eingenommen; je nach Wirksamkeit und Verträglichkeit kann die Dosis auf maximal 200 mg Avanafil erhöht oder auf 50 mg reduziert werden
Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Avanafil, Einnahme von organischen Nitraten oder Stickstoffmonoxid-Donatoren, Herzinfarkt, Schlaganfall oder lebensbedrohliche Arrhythmien innerhalb der letzten sechs Monate, anhaltende Hypotonie oder Hypertonie, instabile Angina pectoris, Angina pectoris während des Geschlechtsverkehrs oder mit kongestivem Herzversagen NYHA II-IV, schwere Leber- oder Nierenfunktionsstörung, Verlust des Sehvermögens wegen nicht arteriitischen anterioren ischämischen Optikusneuropathie, erbliche degenerative Netzhauterkrankungen, Anwendung von starken CYP3A4-Inhibitoren
Nebenwirkungen: häufig: Kopfschmerzen, Hitzegefühl, Nasenverstopfung; gelegentlich: Schwindel, Somnolenz, Nebenhöhlenschmerzen, verschwommenes Sehen, Palpitationen, Hitzewallungen, Sinussekretstauung, Belastungsdyspnoe, Dyspepsie, Übelkeit, Erbrechen, Magenbeschwerden, Rückenschmerzen, Muskelverspannungen, Müdigkeit; selten: Influenza, Nasopharyngitis, saisonale Allergie, Gicht, Schlaflosigkeit, vorzeitiger Samenerguss, Affektstörungen, psychomotorische Hyperaktivität, Angina pectoris, Tachykardie, Hypertonie, Rhinorrhö, Verstopfung der oberen Atemwege, Mundtrockenheit, Gastritis, Bauchschmerzen, Diarrhö, Ausschlag, Flankenschmerz, Myalgie, Muskelspasmen, Pollakisurie, Penisstörungen, spontane Erektion, Juckreiz im Genitalbereich, Asthenie, Brustschmerzen, grippeähnliche Symptome, peripheres ÖdemWechselwirkungen: Avanafil verstärkt die hypotonen Wirkungen von Nitraten; gleichzeitige Anwendung mit Antihypertonika (α-Adrenozeptorblocker) kann wegen sich addierenden gefäßerweiternden Wirkungen zu einer symptomatischen Hypotonie führen, Alkohol kann das Risiko weiter erhöhen; CYP3A4-Inhibitoren können die Avanafil-Exposition steigern; gleichzeitige Anwendung von Avanafil und CYP-Induktoren wird nicht empfohlen
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Vor Beginn der Behandlung sollte der kardiovaskuläre Status des Patienten geprüft werden. Patienten, deren Erektion vier Stunden oder länger andauert oder die Seh- bzw. Hörstörungen entwickeln, sollten umgehend einen Arzt aufsuchen.
Nebenwirkungen
Die Risiken und Nebenwirkungen sind vergleichbar mit denen anderer PDE-5-Hemmer. Zu den hinlänglich bekannten unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die in klinischen Studien mit Avanafil am häufigsten beobachtet wurden, zählen Kopfschmerzen, Hitzegefühl, verstopfte Nase, Sinussekretstauung (Verstopfung der Nebenhöhlen) und Rückenschmerzen. Da das Sicherheitsprofil von Spedra® bisher auf der Auswertung von Daten von 2144 Probanden basiert, wurden selten oder sehr selten auftretende Nebenwirkungen, welche im Zusammenhang mit anderen PDE-5-Hemmern bekannt sind, (noch) nicht beobachtet. Hierzu zählen Fälle von nicht arteriitischer anteriorer ischämischer Optikusneuropathie (NAION), plötzlichem Hörverlust, Priapismus (Dauererektion des Penis), Hämaturie, Hämatospermie, Penisblutung und Hypotonie. Als Symptom einer Hypotonie könnten die unter Avanafil beobachteten Schwindelgefühle gewertet werden. Eine Zunahme von Inzidenz und Schweregrad der Nebenwirkungen wurde mit steigender Dosis (Überdosis) beobachtet.
Wechselwirkungen
Zu den für Avanafil wichtigen Nahrungsmittel-Arzneimittel-Interaktionen zählen die Einnahme von Grapefruitsaft und Alkohol. Zwischen dem Genuss der Zitrusfrucht bzw. ihres Saftes und der Anwendung von Avanafil sollte ein Zeitraum von 24 Stunden liegen, da sie die Plasmaspiegel des Wirkstoffs möglicherweise erhöht. Alkohol erhöht die Herzfrequenz und senkt den Blutdruck, zwei Komponenten, die entsprechende Nebenwirkungen von Avanafil verstärken und zu Schwindelgefühlen, Hypotonie und im schlimmsten Fall Synkopen führen können. Generell sollte beachtet werden, dass unter dem Einfluss von Alkohol die Erektionsfähigkeit vermindert ist. Eine Kontraindikation besteht – wie bei allen anderen PDE-5-Hemmern – bei der gleichzeitigen Einnahme organischer Nitrate oder Stickstoffmonoxid-Donatoren. Es kann zu plötzlichem Blutdruckabfall infolge einer additiven blutdrucksenkenden Wirkung kommen. Avanafil nimmt auch Einfluss auf die Hämodynamik von Patienten, die mit Alphablockern wie Tamsulosin und Doxazosin behandelt werden. In klinischen Studien zeigten sich bei stabil mit Alphablockern eingestellten Patienten Blutdrucksenkungen von klinisch relevantem Ausmaß, es wurden jedoch keine Synkopen beobachtet.
Fazit
Für die weltweit vielen Millionen Betroffenen mit erektiler Dysfunktion steht mit Avanafil nun eine vierte Therapieoption aus der Gruppe der PDE-5-Hemmer zur Verfügung. Im Vergleich zu den drei bisher verfügbaren Wirkstoffen der Substanzgruppe verfügt Avanafil über keine nennenswerten Vor- oder Nachteile. Es wird daher vermutlich schwer, die Vormachtstellung des generisch verfügbaren Sildenafil anzukratzen. Dass es, wie angepriesen, rascher erektogen wirkt und so im Bedarfsfall eine sehr spontane Einnahme ermöglicht, sollte erst nach breiterer Anwendung beziehungsweise vergleichenden Studien beurteilt werden.
Quelle
[1] Gemeinsamer Bundesausschuss (GBA) in einer Begründung zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie, Anlage II – Lifestyle-Arzneimittel am 13.05.2014. https://www.g-ba.de/downloads/40-268-2799/ 2014-05-13_AM-RL-II-SN_Spedra_TrG.pdf (letzter Zugriff am 22. Juli 2014)
[2] Fachinformation Spedra® (Avanafil). Stand: Januar 2014
[3] Kyle JA et al. Avanafil for Erectile Dysfunction. Annals of Pharmacotherapy 2013;47(10):1312-1320
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