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Ernährung
Damit die Galle nicht überläuft
Ernährungsmedizinische Prävention und Begleittherapie von Gallensteinen
Physiologie und Pathophysiologie. Die von der Leber produzierte Gallenflüssigkeit (600 bis 1000 ml/d) wird in die Gallenblase transportiert, wobei sie in ihrer Zusammensetzung modifiziert und auf ca. 10% des Ausgangsvolumens konzentriert wird [4]. In der Gallenflüssigkeit enthalten sind Gallensäuren bzw. Gallensalze, Phospholipide (u.a. Lecithin), mizellar gelöstes Cholesterol sowie verschiedene Proteine, Elektrolyte und der Gallenfarbstoff Bilirubin. Über hormonelle (Cholezystokinin) und neuronale Regulationsmechanismen (Nervus vagus) wird die Gallenflüssigkeit bei Nahrungsaufnahme in das Duodenum sezerniert, wo sie mit dem Nahrungsbrei in Kontakt kommt. Hauptfunktionen der Gallenflüssigkeit sind physiologische Fettverdauung und -resorption sowie die Exkretion nicht nierengängiger Fremdstoffe und Abbauprodukte [4]. Pathophysiologisch kommt es zur Bildung von Gallensteinen durch eine Übersättigung der Gallenflüssigkeit mit Cholesterol oder Bilirubin. Unter Beteiligung von Calcium-Ionen und Glykoproteinen fallen die Steine dann entweder als Cholesterol- oder als Pigmentsteine (Calcium-Bilirubinat) aus [4].
Therapie. Die kausale Therapie symptomatischer Gallensteine besteht in der operativen Steinentfernung mittels unterschiedlicher Operationstechniken [1]. Asymptomatische Gallensteine stellen in der Regel keine Indikation für einen chirurgischen Eingriff (Cholezystektomie) dar. Die medikamentöse Litholyse kommt nur in wenigen Ausnahmefällen und bei bestimmten Konstellationen (vor allem bei Patienten mit hohem Operationsrisiko) in Betracht; insbesondere die Litholyse mittels Ursodesoxycholsäure besitzt ein sehr hohes Rezidivrisiko [5].
Nicht-diätetische Faktoren. Abgesehen von den direkten diätetischen Risikofaktoren gibt es weitere lithogene Einflüsse, z.B. eine verlängerte intestinale Transitzeit (Obstipation, Neuropathien, UAW) und unzureichende körperliche Aktivität [2]. Weiterhin begünstigen alle Faktoren die Entstehung von Cholesterol-Steinen, die das biliäre Konzentrationsverhältnis von Cholesterol zu Phospholipiden und Gallensäuren (sogenannter lithogener Index) in Richtung Cholesterol verschieben. Dies ist immer dann der Fall, wenn entweder weniger Gallensäuren gebildet (z.B. bei Lebererkrankungen) oder im Rahmen eines Gallensäure-Verlustsyndroms unzureichend intestinal rückresorbiert werden (z.B. Morbus Crohn, Ileum-Resektion, Mukoviszidose) [6]. Auch bestimmte Wirkstoffe wie Ceftriaxon, Ciclosporin oder die Fibrate fördern die Bildung von Gallensteinen.
Ernährungsmedizinische Aspekte. Zu den Risikofaktoren für die Entstehung von Gallensteinen zählen neben hormonellen [7, 8], genetischen [9] und ethnischen in besonderem Maße auch diätetische Einflüsse [4]. Übergewicht und Adipositas, metabolisches Syndrom sowie starke Gewichtsschwankungen sind die wesentlichen Risikofaktoren für Gallenerkrankungen, weshalb im Zuge der aktuellen Adipositas-Epidemie auch die Prävalenz für Gallensteine steigt [10–12]. Auch Diabetes mellitus Typ 2, erhöhte Triglycerid-Werte sowie erniedrigte HDL-Werte im Blut sind unabhängige Risikofaktoren für das Auftreten von Gallensteinen [1].
Epidemiologische Daten zeigen, dass die „typisch westliche Ernährungsweise“ mit hyperkalorischer Nahrungszufuhr, einem hohen Anteil an Fetten und raffinierten Kohlenhydraten sowie einem geringen Anteil an Ballaststoffen die Entstehung von Cholesterol-Steinen begünstigt [2, 6]. Daher besitzen ernährungstherapeutische Maßnahmen bei Gallenstein-Leiden einen hohen Stellenwert sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärprävention. Unter Primärprävention versteht man die Prävention der Gallenstein-Bildung bei Menschen mit familiärer Prädisposition oder mit risikoerhöhender Stoffwechsellage (Typ-2-Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, metabolisches Syndrom); Sekundärprävention bezeichnet die Maßnahmen bei Patienten mit bereits stattgehabten Gallenkoliken oder mit belassenen Gallensteinen. Die Empfehlungen zur diätetischen Prävention von Gallensteinen sind für beide Patientengruppen identisch.
Risikofaktor Übergewicht
Sowohl die hyperkalorische Ernährung (in der Regel > 2500 kcal/d) als auch das resultierende Übergewicht sind bereits einzeln starke Risikofaktoren für die Entstehung von Gallensteinen [13–16], während körperliche Aktivität steinprotektiv wirkt [17]. Mit steigendem Übergewicht steigen die Cholesterol-Produktion und die hepatische Cholesterol-Ausscheidung [18]; außerdem kommt es bei der Adipositas zu Fettinfiltrationen der Gallenblasen-Wand (Cholezystosteatose), was zu chronischen Entzündungen und eingeschränkter Gallenblasen-Motilität führt [2]. Andererseits wirkt sich auch die Insulin-Resistenz der Adipositas begünstigend auf die Entstehung von Gallensteinen aus [6]. Besonders ein bauchbetonter Fettansatz ist unabhängig vom BMI mit einem erhöhten Gallenstein-Risiko assoziiert [16].
Ernährungsempfehlung: Gewichtsreduktion. Da Übergewicht einen Hauptrisikofaktor für die Entstehung von Gallensteinen darstellt, besteht die Steinprävention bei Menschen mit Übergewicht oder Adipositas primär in der Gewichtsreduktion [2]. Allerdings sollte diese Gewichtsreduktion langsam (max. 1 kg/Woche) und möglichst mit ernährungstherapeutischer Begleitung erfolgen, um reaktive Gallenkoliken (und/oder Gichtanfälle) zu vermeiden: Bei zu rascher Umstellung von hyper- auf hypokalorische Kost wird vermehrt Fett aus dem Gewebe mobilisiert, sodass die Leber mit Fetten „überflutet“ wird [4]. Zusätzlich fehlt bei fettarmen Diäten der nutritive Reiz zur Cholezystokinin-Freisetzung und damit das Signal zur Gallenblasen-Kontraktion, wodurch die vermehrt produzierte Gallenflüssigkeit sogar noch länger in der Gallenblase verweilt. Die Folge: Bei raschem Gewichtsverlust steigt die Cholesterol-Konzentration in der Gallenflüssigkeit an, während die Gallensäure-Exkretion reduziert ist – das Risiko für die Gallenstein-Bildung steigt [19–22]. Aus diesem Grund sind auch Gewichtsschwankungen (weight cycling) ein unabhängiger Risikofaktor für Gallensteine [23–25]. Von einem zu raschen Gewichtsverlust muss den Patienten daher ebenso abgeraten werden wie von einer abrupten Umstellung auf eine stark fettreduzierte Ernährung [26]; vielmehr sollte die Energiezufuhr an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden (normokalorisch), anstatt mit dem kontraproduktiven Ziel eines schnellen Gewichtsverlustes eine hypokalorische Diät zu beginnen.
Da die Phase des Gewichtsverlusts für die Bildung von Gallensteinen prädestiniert ist, sollte bei Risikopatienten eine prophylaktisch-begleitende Pharmakotherapie mit Ursodesoxycholsäure (mind. 500 mg/d) und Statinen bis zur Gewichtsstabilisierung erfolgen [19, 27–32]. Die prophylaktische Gabe von Ursodesoxycholsäure während der Gewichtsreduktion ist signifikant wirksamer, wenn der Gewichtsverlust nicht durch bariatrische Chirurgie, sondern allein durch diätetische Maßnahmen erzielt wurde [26]. Einzelne Berichte über günstige Effekte einer Supplementation mit Omega-3-Fettsäure-Präparaten während eines schnellen Gewichtsverlustes hinsichtlich einer Reduktion der Gallensteinbildung sind bislang nicht aussagekräftig genug, um seriöse Empfehlungen geben zu können [33]. Indikationen für den früher üblichen Einsatz von Cholagoga oder Choleretika ergeben sich hier nicht, da die normale, bedarfsorientierte orale Ernährung einen vollkommen ausreichenden physiologischen Reiz für die Bildung und Sekretion der Gallenflüssigkeit darstellt [6].
Ernährungstipps für die Praxis:
Primär- und Sekundärprävention von Gallensteinen
CAVE: Es gibt keine spezielle „Gallenschonkost“ oder „Gallensteindiät“! Wie bei zahlreichen anderen Zivilisationserkrankungen auch, ist zur Prävention von Gallensteinen keine spezielle Diätform erforderlich: Eine bedarfsorientierte (= normokalorische) und ausgewogene Leichte Vollkost sowie die Vermeidung von Übergewicht sind vollkommen ausreichend.
Risikofaktor Übergewicht
- Übergewicht vermeiden
- vorhandenes Übergewicht langsam (!) reduzieren
→ normokalorische Leichte Vollkost (statt hypokalorischer Reduktionsdiät)
→ nicht abrupt auf fettarme Diät umsteigen!
→ regelmäßig moderate körperliche Aktivität
→ Gewichtsreduktion prophylaktisch begleiten mit Ursodesoxycholsäure und gegebenenfalls Statinen
Risikofaktor Fett
- maßgeblich sind Fettmodifikation und mäßige Fettrestriktion
- Fettanteil in der Nahrung begrenzen (max. 70 g/d), Ziel ist nicht eine fettfreie Diät!
- fettreiche Mahlzeiten vermeiden
- möglichst wenig gesättigte Fettsäuren und gehärtete Fette, möglichst viel ungesättigte Fettsäuren (in Nüssen und Ölen) und ω-3-Fettsäuren (in fettreichem Seefisch)
- ungünstig: Sonnenblumenöl, gehärtete Fette
- besonders vorteilhaft: Oliven-, Raps- oder Nussöle
- restriktiver Verzicht auf Cholesterol-haltige Lebensmittel ist nicht erforderlich
Risikofaktor Kohlenhydrate
- Konsum an raffinierten Zuckern wie Saccharose oder Fructose möglichst einschränken
- auf mit Fructose bzw. Fructose-Sirup gesüßte Softdrinks verzichten
- Vollkornprodukte statt Weißmehlprodukte verwenden
- Ballaststoff-reiche Lebensmittel statt Saccharose- oder Fructose-reicher Lebensmittel verwenden
präventiver Faktor Ballaststoffe
- Ballaststoff-reiche Getreideprodukte (Vollkorn) als Grundnahrungsmittel einsetzen
- besonders empfehlenswert als Getreideballaststoffe: Haferkleie
- möglichst viel Obst und Gemüse essen
- möglichst selten Hülsenfrüchte (Linsen, Bohnen, Erbsen) verwenden
Risikofaktor Fett
Bei den aufgenommenen Fetten ist nicht allein die absolute Fettmenge zu beachten, sondern besonders relevant ist das Fettsäuremuster [34]: Lediglich langkettige, gesättigte Fettsäuren fördern die Entstehung von Cholesterol-Steinen, während dies durch einfach ungesättigte Fettsäuren und ω-3-Fettsäuren nicht bzw. weniger der Fall ist [35–37]. Ungünstige Effekte auf die biliäre Cholesterol-Konzentration scheinen auch Sonnenblumenöl und gehärtete Fette mit ihrem hohen Anteil an trans-Fettsäuren zu besitzen [38], während Olivenöl die Cholesterol-Konzentration senkt [39, 40]. Die typischerweise auch in Milch und Milchprodukten enthaltenen trans-Fettsäuren (trans-Vaccensäure) haben dagegen keinen Einfluss auf das Gallenstein-Risiko [41].
Ernährungsempfehlung: Fettmodifikation und mäßige Fettrestriktion. Aufgrund der pathophysiologischen Grundlagen der Gallenstein-Entstehung liegt es nahe, dass eine mäßige Fettrestriktion sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärprävention zielführend ist. Eine mäßige Fettrestriktion bedeutet eine Begrenzung des täglichen alimentären Fettkonsums auf 60 bis 70 g im Rahmen einer Leichten Vollkost. Es gibt allerdings keinen Grund zu der Annahme, dass der Fettkonsum zur Prävention oder Behandlung von Gallensteinen stärker als bei anderen Zivilisationserkrankungen darüber hinaus eingeschränkt werden sollte [6]. Empfehlenswert ist lediglich der Verzicht auf fettreiche Mahlzeiten, da diese zu starken Gallenblasen-Kontraktionen und Koliken führen können [1]. Für den Alltag empfehlenswert sind die moderate Fettzufuhr, bei der hochwertige Pflanzenöle (Oliven-, Raps- oder Nussöle) bevorzugt werden, und der weitgehende Verzicht auf gehärtete Fette (z.B. Kekse, Kuchen, vegetarische/vegane Brotaufstriche, panierter Fisch als Convenience-Produkt). Die grundsätzliche Empfehlung zum zweimal wöchentlichen Verzehr von fettem Seefisch ist nicht nur wegen der enthaltenen Omega-3-Fettsäuren, sondern vielmehr als Bestandteil einer gesunden Ernährung im Sinne der Leichten Vollkost empfehlenswert.
Risikofaktor Kohlenhydrate
Ein hoher Konsum an raffinierten Zuckern wie Saccharose oder Fructose scheint die Cholesterol-Konzentration in der Gallenflüssigkeit zu erhöhen [41, 42]. Als Ursache hierfür werden verschiedene Mechanismen diskutiert; so bewirkt Insulin per se eine Stimulation der Cholesterol-Synthese, und sowohl Saccharose als auch Fructose tragen maßgeblich zur hyperkalorischen Ernährung mit konsekutivem Übergewicht bei – was ja beides ebenfalls Risikofaktoren für Gallenstein-Bildung sind [13]. Die häufig in Softdrinks verwendete Fructose ist in ihrer industriellen Verwendung besonders kritisch zu sehen, da sie nicht nur das Risiko für Gallensteine erhöht, sondern auch ein maßgeblicher Risikofaktor für Gicht und Hyperurikämie ist [43–46]. Auch wenn ein direkter Zusammenhang mit der Gallenstein-Bildung nur wenig belegt ist, trägt ein hoher Konsum raffinierter Kohlenhydrate nachweislich zu wichtigen Risikofaktoren wie etwa Übergewicht oder auch Diabetes mellitus bei [4].
Ernährungsempfehlung: Menschen mit erhöhtem Risiko für Gallensteine sollten sparsam mit Zucker und Weißmehlprodukten sein und dies auch im Rahmen der bedarfsorientierten Kalorienzufuhr berücksichtigen.
Präventiver Faktor: Ballaststoffe
Sowohl aus epidemiologischen Untersuchungen als auch aus Interventionsstudien ist bekannt, dass eine Ballaststoff-arme Ernährung die Entstehung von Gallensteinen fördert, während Getreideballaststoffe einen protektiven Effekt haben [47–49]. Eine an Getreideballaststoffen reiche Kost (z.B. 30 bis 50 g Haferkleie pro Tag) vermindert die intestinale Rückresorption der Gallensäuren und reduziert die Cholesterol-Konzentration in der Gallenflüssigkeit, wodurch das Risiko der Auskristallisierung sinkt [50]. Anders als Getreideballaststoffe führen dagegen die Ballaststoffe der Leguminosen (Linsen, Bohnen, Erbsen) zu einer erhöhten Cholesterol-Konzentration in der Gallenflüssigkeit und begünstigen so die Entstehung von Gallensteinen [38].
Ernährungsempfehlung: Patienten mit weiteren Risikofaktoren für Gallensteine sollten ballaststoffreiche Lebensmittel (z.B. Vollkornprodukte, Obst, Gemüse) bevorzugen.
Weitere Faktoren
Cholesterol. Bei ca. 75% der Gallensteine handelt es sich um Cholesterol-Steine, weshalb die Vermutung naheliegt, dass ein Zusammenhang mit der nutritiven Aufnahme von Cholesterol bestehen könnte [1]. Die Datenlage ist jedoch überaus widersprüchlich und liefert ein breites Spektrum an Untersuchungen, die einen positiven, einen negativen oder gar keinen Effekt der Cholesterol-Zufuhr auf die Gallensteinentstehung zeigen konnten [13, 34]. Der Grund dafür liegt darin, dass das mit der Nahrung aufgenommene Cholesterol nicht unvermittelt in die Gallenflüssigkeit übertritt, sondern als Komponente zahlreicher hochkomplexer Stoffwechselvorgänge fungiert [4]. Auch sind die interindividuellen Unterschiede hinsichtlich Mahlzeitenzusammensetzung und genotypisch determinierter Enzymausstattung derart groß, dass es extrem schwierig wäre, eine methodisch geeignete Studie zu konzipieren [34]. Sicherlich ist ein übermäßiger Cholesterol-Konsum bei Risikopatienten nicht günstig, eine allgemeingültige Empfehlung zum Verzicht oder eine tägliche Verzehrmenge kann jedoch nicht seriös abgeleitet werden.
Alkohol. Moderater Alkoholkonsum (ca. 20 g/d bei Männern bzw. 10 g/d bei Frauen) senkt die biliäre Cholesterol-Konzentration messbar, und tatsächlich müssen sich Menschen, die regelmäßig in Maßen Alkohol konsumieren, seltener einer steinbedingten Cholezystektomie unterziehen [13, 51]. Der Mechanismus dieses Zusammenhangs ist bisher nicht geklärt, möglicherweise spielt dabei der Effekt von Alkohol auf die HDL-Spiegel im Blut eine relevante Rolle. Allerdings erscheint eine entsprechende Verzehrsempfehlung angesichts der mit dem Alkoholkonsum verbundenen Risiken (und insbesondere der hepatotoxischen Effekte) als nicht sinnvoll [4].
Einzelne Nahrungsbestandteile. Anhand epidemiologischer Studien oder In-vitro-Untersuchungen wird in der Laienpresse immer wieder auf mögliche präventive Effekte einzelner Lebensmittel oder Nahrungsbestandteile hingewiesen, z.B. bei Nüssen, Magnesium, Vitamin C, Vitamin E, Calcium oder Folsäure [13, 52–57]. Allein unter methodischen Gesichtspunkten ist es praktisch nicht möglich, einen derartigen Einzeleffekt wissenschaftlich valide nachzuweisen. Menschen, die täglich eine Handvoll Nüsse essen, haben tatsächlich seltener Gallensteine als Menschen, die keine Nüsse essen [52, 53]; dies liegt jedoch mit Sicherheit nicht an den Nüssen, sondern daran, dass sich die entsprechenden Menschen insgesamt abwechslungsreicher ernähren als jene, die niemals Nüsse essen. Nichtsdestotrotz zeigen all diese Untersuchungen eines: Es sind nicht einzelne Nahrungsbestandteile, die einen präventiven Effekt haben, sondern es ist die ausgewogene, vollwertige und normokalorische Ernährung. Entsprechend schützen auch bei einem übergewichtigen Risikopatienten keine Einzelsupplemente vor Gallensteinen, sondern allein eine grundsätzliche Ernährungsumstellung. Dies sollte man auch all jenen Kunden klar machen, die aufgrund einschlägiger Werbeanzeigen in die Apotheke kommen und nach entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln verlangen.
Fazit
Wie andere „große“ ernährungsabhängige Krankheiten ist auch das Gallenstein-Leiden ein guter Beleg dafür, dass es weder in der Primär- noch in der Sekundärprävention einer organspezifischen Diät in Form einer besonderen „Gallenschonkost“ bedarf. Vielmehr ist die grundsätzliche Ernährungsumstellung auf eine bedarfsorientierte, normokalorische und ausgewogene Kostform in jedem Fall empfehlenswert und „therapeutisch ausreichend“.
Grundsätzlich wirkt sich die Umstellung auf eine fett- und kohlenhydratmodifizierte Ernährung positiv auf das Gallensteinrisiko – und zahlreiche weitere Gesundheitsrisiken – aus. Welcher konkrete Faktor hierbei für die Senkung des Gallenstein-Risikos entscheidend ist, ist für die Praxis nicht einmal relevant: Schließlich geht die Reduktion der gesättigten Fettsäuren und gehärteten Fette sowie der Saccharose- und Fructose-reichen Lebensmittel (zugunsten Ballaststoff-reicher Lebensmittel) automatisch mit einer Abnahme der Energiezufuhr einher.
Auch wenn viele Patienten lieber einen scheinbar spezifischen „Gallentipp“ hätten: Der Schlüssel zur Prävention und Therapie von Gallenstein-Leiden liegt in einer abwechslungsreichen Leichten Vollkost mit viel Obst und Gemüse, mäßigem Verzehr von fettarmen Milchprodukten, Eiern, Fisch (und fettarmem Fleisch), einer Bevorzugung von Vollkornvarianten bei sparsamem Konsum von Zucker und Fett und mit Verwendung von Nüssen und hochwertigen Ölen.
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Autoren
Prof. Dr. rer. nat. Martin Smollich, Fachapotheker für Klinische Pharmazie, Antibiotic Stewardship-Experte (DGI). 1998 bis 2004 Studium von Biologie und Pharmazie in Münster und Cambridge (UK), 2005 bis 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universitätsfrauenklinik Münster und Promotion über ein Thema zur experimentellen Pharmakotherapie des Mammakarzinoms, 2009 bis 2013 klinische Tätigkeit und pharmakologischer Konsildienst. Seit 2013 Professor und Studiengangsleiter des Studiengangs Clinical Nutrition/Ernährungsmanagement an der Mathias Hochschule Rheine.
Wissenschaftliche Schwerpunkte: Klinische Ernährung, Klinische Pharmakologie, Arzneimitteltherapiesicherheit und rationale Antiinfektiva-Therapie.
Dipl. med. päd. Birgit Blumenschein, Diätassistentin, 1988 bis 1990 Ausbildung zur staatlich anerkannten Diätassistentin, 1996 bis 2002 Lehrassistentin an medizinischer Fachschule, Fachbereich Diätassistenz, 1997 bis 2003 Studium der Medizinpädagogik an der Charité in Berlin. Seit 2003 selbstständig tätig in eigener Praxis, seit 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Mathias Hochschule Rheine, Studiengangskoordinatorin des Studiengangs Clinical Nutrition/Ernährungsmanagement, B.Sc.
Wissenschaftliche Schwerpunkte: Ernährungsmedizin mit den Schwerpunkten Gastroenterologie, Stoffwechsel und Adipositas; Gesundheitsbildung, Betriebliches Gesundheitsmanagement.
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