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„Deutlich effizienter als andere Großhändler“
Interview mit den AEP-Geschäftsführern Jens Graefe und Tobias Zimmermann
DAZ: Beim Markteintritt wurde AEP von der Branche totgeschwiegen. Nun werden sie mit Kritik überzogen, man wirft Ihnen „Rosinenpickerei“ vor. Eigentlich könnten Sie sich jetzt geadelt fühlen.
Graefe: Ich weiß nicht, ob geadelt das richtige Wort ist. Zu Anfang wurden wir bewusst ignoriert, in letzter Zeit scheint es ja gar kein anderes Thema mehr zu geben als uns. So ganz unbedeutend kann das also nicht sein, was wir hier tun. Wir arbeiten für unser Konzept und wir arbeiten für unsere Kunden. Wenn man uns dabei wahrnimmt, sind wir dafür dankbar – das beeinflusst uns aber nicht groß.
Zimmermann: Was uns allerdings schon überrascht, ist die Stichhaltigkeit der Argumente. Das würde ich mir schon etwas fundierter wünschen. Wir wollen freien Wettbewerb, wir wollen ein faires Miteinander. Ich finde es auch interessant, wenn wir anscheinend Hauptgegenstand von Bilanzpressegesprächen sind, in denen unsere Wettbewerber nicht so gute Zahlen verkünden müssen.
DAZ: Auch die ABDA hat auf dem DAV-Wirtschaftsforum so etwas wie eine Warnung vor AEP ausgesprochen. Ist das für Sie kartellrechtlich relevant?
Graefe: Zuallererst einmal wäre ein Boykottaufruf der ABDA kartellrechtlich relevant. Es gibt aber keinen solchen Boykottaufruf. Wir werten die verbreitete Äußerung als Meinung eines Einzelnen, der ja auch – wenn ich das richtig verstanden habe – ohnehin die ABDA verlässt. Die ABDA hat sich bisher offiziell neutral verhalten und wir haben in der Vergangenheit viel Sympathie in persönlichen Gesprächen erfahren. Ich gehe davon aus, dass das auch in Zukunft so bleiben wird.
DAZ: Die Kritik der Branche zielt ja darauf ab, dass Sie immer von freier Marktwirtschaft und Wettbewerb reden, sich selbst aber als „Rosinenpicker“ betätigen in einem Markt, der ja nicht ganz so frei ist wie Sie das darstellen.
Graefe: Thema eins: Wir haben ein Preismodell, das komplett diskriminierungsfrei ist. Wir steuern nicht. Wir wollen nicht nur die „günstigen“ Produkte, wir benachteiligen keine BtMs über Gebühren, wir haben keine „Minderspannenartikel“ oder Ähnliches. Thema zwei: Wir sagen ganz klar, wir liefern einmal pro Tag. Wo hier Rosinenpickerei betrieben wird, weiß ich nicht. Ganz im Gegenteil, wenn ich mir die Kommunikation der Wettbewerber anschaue, die alle auf die kleinpreisigen Produkte gehen und aktiv versuchen, die Bestellstruktur zu optimieren oder zu bestrafen, muss man sich doch die Frage stellen: Ist das nicht die Rosinenpickerei?
DAZ: Der Vorwurf ist doch, dass AEP nur funktioniert, weil es den „klassischen“ Großhandel gibt. AEP profitiert von dieser „Grundversorgung“ und kann mit einem günstigeren System billigere Preise anbieten. Aber nur, weil es den „klassischen“ Großhandel gibt.
Graefe: Wir sagen nicht, wie viele Lieferungen am Tag für die individuelle Apotheke nötig sind. Das ist nicht unser Thema, das überlassen wir den Apothekern. Unser Angebot ist aber klar: Wir liefern einmal am Tag. Wir haben unter unseren Kunden Apotheken, die uns als Alleinlieferanten nutzen, wir haben Apotheken, die uns als Erstlieferanten nehmen und wir haben Kunden, die uns als Zweitlieferanten nutzen. Und alles andere dazwischen. Das heißt, unsere Kunden signalisieren uns: Das alles geht!
Zimmermann: Wie ein Kunde das Angebot des Marktes in seiner Bestellstrategie zusammensetzt, ob ein Kunden zwei, drei oder vier Lieferungen am Tag wünscht – das entscheidet der Kunde.
DAZ: Ihre Wettbewerber argumentieren mit dem gesetzlichen Versorgungsauftrag. Erfüllt AEP diesen Auftrag?
Graefe: Das habe ich bisher nicht gehört, wahrscheinlich weil es so offensichtlich falsch ist. Der Versorgungsauftrag in § 52b fordert, das vollständige apothekenpflichtige Sortiment werktäglich innerhalb einer angemessenen Zeit zur Verfügung zu stellen – frei formuliert. Das tun wir. Wir sind übrigens, so glaube ich jedenfalls, der einzige Großhandel Deutschlands, der das schriftlich hat, weil wir erst kürzlich unsere Zulassung bekommen haben. „Angemessene Zeit“ heißt nicht drei- bis viermal am Tag.
DAZ: Aber Sie sind nicht in der Lage, ein lebensnotwendiges Arzneimittel kurzfristig am selben Tag in die Apotheke zu bringen.
Zimmermann: Wir bringen es am nächsten Vormittag. Und wirklich lebensnotwendige Arzneimittel müssen laut Apothekenbetriebsordnung ohnehin in einer ausreichenden Menge in der Apotheke vorrätig gehalten werden. Das unterstreicht das oben Gesagte. Übrigens: Wenn der Apotheker Kühlware bei uns um 18 Uhr bestellt, hat er sie am nächsten Morgen. Wenn ich richtig informiert bin, sind wir damit sogar die Schnellsten.
DAZ: Jede Lieferung kostet Geld. Betreiben Ihre Wettbewerber ein Verschwendungsgeschäft, weil sie mehrfach am Tag Apotheken anfahren?
Graefe: Unsere Wettbewerber tun das, was der Markt augenblicklich nachfragt. Das gilt auch für die Touren. Ich habe mich letztens mit einem Apotheker unterhalten, der in der Nähe von fünf Großhandelslägern liegt. Er sagte, er könne täglich 35 Touren bekommen, aber das brauche nun wirklich keiner. Übrigens: das war durchaus kein Nobody. Und ob das ökologisch sinnvoll ist, muss auch jeder selbst beurteilen, ob es ökonomisch tragbar ist auch. Wie auch immer, es sieht aber so aus, als ob man da vielleicht doch noch was verbessern kann. Kein Apotheker braucht wohl 35 Touren …
DAZ: Das hat ja nun Herr Trümper als Phagro-Vorsitzender im DAZ-Interview von sich gewiesen. Da sprach er vom „optimalen System“ und hat dabei den „klassischen“ Großhandel gemeint, nicht AEP.
Graefe: Mich erstaunt diese Aussage, dass es keinerlei Verbesserungsmöglichkeiten geben soll. Weiter möchte ich Herrn Trümpers Aussagen nicht kommentieren. Ich persönlich bin überzeugt, dass das AEP-Konzept deutlich effizienter als alle bestehenden Großhandlungen in Deutschland ist. Wir bieten mit einer geringeren Kostenbasis fokussierten Service. Wir haben in sieben Monaten sieben Prozent der deutschen Apotheker als Kunden gewonnen – da kann ich nicht sehen, dass es für uns keinen Markt gibt.
DAZ: Wie viele Apotheken zählen Sie aktuell zu Ihren Kunden?
Zimmermann: Mittlerweile sind es 1300. Fast alle davon bestellen täglich, wenn auch in verschiedensten Intensitäten – von Allein- bis Defektlieferant ist alles dabei.
DAZ: Wie hoch ist Ihr Umsatz?
Graefe: Den wollen wir im Moment noch nicht nennen. Aber wir werden dieses Jahr im guten dreistelligen Millionenbereich landen.
DAZ: Verdienen Sie – mal abgesehen von den Anfangsinvestitionen –Geld?
Zimmermann: Wir gehen davon aus, dass wir in diesem Jahr den Break even erreichen werden. Unabhängig davon: Unsere gesamte Finanzierung ist langfristig strukturiert und gesichert.
DAZ: Sie betonen immer wieder, wie günstig Sie im Vergleich mit Ihrer Konkurrenz arbeiten. Können Sie das etwas näher beleuchten? Wie viel günstiger sind Sie?
Graefe: Sie können davon ausgehen, dass wir uns auf dem Niveau der günstigsten Großhandelssysteme der Welt bewegen. Günstiger geht es wohl nicht mehr.
DAZ: Wenn Sie Ihren Kostenvorteil betrachten: Liegt der im Transportmodell, dass Trans-o-flex so günstig für Sie arbeitet? Liegt es daran, dass Sie optimal aufgestellt sind? Liegt es an der einen Lieferung pro Tag? Oder daran, dass Sie so wenige Mitarbeiter haben?
Zimmermann: Zur Trans-o-flex: Wir haben hier keine Sonderkonditionen. Wir sind ein normaler Kunde der Trans-o-flex und werden auch als normaler Kunde behandelt. Vor allem preislich. Wir sind in der Personalausstattung deutlich schlanker als andere Großhändler, wir sind auch beim Thema Logistik, beim Lager und bei der IT deutlich schlanker. Außer beim Thema Finanzierung sind wir durchweg deutlich günstiger als der klassische Großhandel.
DAZ: Wie geht es denn weiter? Welche Ziele haben Sie in nächster Zeit?
Graefe: Wir können mit unserem Team zwischen 150 und 200 Apotheken pro Monat gewinnen. Das ist uns bisher gelungen, da sind wir Monat für Monat dabei. Im Moment haben wir eine vierstellige Anzahl von Apotheken, die mit uns Termine machen und uns sprechen möchten. Damit sind wir die nächsten sechs Monate gut beschäftigt. Bis Ende des Jahres werden wir bei über 2000 Kunden sein.
DAZ: Ursprünglich sagten Sie einmal, dass Sie aus Kostengründen auf einen Außendienst verzichten würden. Nun besuchen Sie die Apotheken. Ist das eine Kehrtwende?
Zimmermann: Nein. Wir verzichten auf einen klassischen Außendienst. Wir haben ein „Expansion Team“, das rausgeht und die AEP erklärt. Dass das nötig ist, war uns immer klar. Wie zentral dieser direkte Kontakt zu den Apothekern ist, das hatten wir vielleicht ein bisschen unterschätzt. Wir brauchen dieses Team im Moment aber vor allem um Vorurteile abzubauen, die über uns verbreitet wurden. Es wurden beim Apotheker massiv Gerüchte gegen uns platziert. Es gibt nichts, was zu absurd ist, als dass es nicht beim Apotheker vorgetragen wurde. Da ist Rosinenpicker noch das harmloseste … Es bedarf hier einfach verstärkt des persönlichen Gesprächs, das zu klären. Aber im Moment spüren wir richtig Rückenwind. Denn alle Gerüchte relativieren sich angesichts der jetzigen Rabattkürzungen.
DAZ: Sind die Rabattkürzungen der entscheidende Grund, zu Ihnen zu kommen?
Graefe: Die Gründe sind unverändert Preis, Transparenz und Innovation. Das sind die drei Themen, warum die Apotheken zu uns kommen. Wir verschenken nichts, wir machen keine Individualabsprachen, wir machen keine Urlaubsreisen, wir laden nicht in irgendwelche Bars – wir lassen unsere gesamte Schlankheit den Apotheker zukommen.
DAZ: AEP gilt als Rebell in der Branche, in einem Oligopol. Was wollen Sie erreichen im Markt – außer das Sie Geld verdienen wollen?
Zimmermann: Wir haben zwei Ziele: Erstens: Wir wollen unser Modell nachhaltig im Markt etablieren. Was uns wohl schon gelungen ist, wenn ich mir die Reaktionen der anderen anschaue. Zweitens: Wir wollen Wahlmöglichkeiten anbieten. Die Kunden gestalten die Märkte, das ist ganz wichtig. Der Kunde soll den Markt so gestalten, wie er ihn will. Mehr wollen wir nicht. Wir sehen uns nicht als Rebell. Wir sehen uns als neuen Anbieter, der etwas anbietet, das es bisher nicht gab.
DAZ: Die Politik beobachtet sehr aufmerksam, was im Apothekenmarkt passiert. Besteht nicht die Gefahr, dass durch ihre sehr günstigen Preise der Eindruck entsteht, beim Großhandel sei „noch Luft drin“, wenn es um die nächste Sparrunde im Gesundheitswesen geht? Mit der Gefahr, dass der Großhandel sich seinen Sparbeitrag bei den Apotheken wieder holt …
Graefe: In den letzten anderthalb Jahren haben wir im Großhandel eine ruinöse Rabattschlacht erlebt. Wir fragen uns schon, warum jetzt vor allem über AEP diskutiert wird. Die Verteilungsfrage ist doch nicht an AEP auszumachen, sondern am Verhalten des bestehenden Großhandels, der Strategien gefahren hat, die in der breiten Fläche zu negativen Ergebnissen geführt haben. Das ist doch viel gefährlicher. Und das alles, ohne dass wir überhaupt am Markt waren, vor unserer Zeit. Außerdem: Es muss doch niemand erst kommen und der Politik erzählen, dass Geld im System ist, wenn solche Rabattschlachten gemacht werden.
DAZ: Jetzt wird die Konditionenschraube von den meisten Großhändlern wieder angezogen. Wie bewerten Sie dieses Vorgehen?
Zimmermann: Es scheint so zu sein, dass alle unsere Wettbewerber zeitgleich die Konditionen anpassen wollen – und müssen. Und es wird in allen Kundenbriefen ein relativ einheitliches Modell angeführt, zum Teil mit sehr gleichlautenden Formulierungen. Fakt ist, dass in allen Briefen von einem „Handelsspannenausgleich“ gesprochen wird. Ich habe den Ausgleich noch nicht verstanden, und schon gar nicht die Berechnung hierzu. Sicher bin ich mir aber, dass das die Transparenz nicht erhöhen wird ...
DAZ: Es gibt den Spruch: Der Apotheker und der Großhandel sitzen in einem Boot. Stimmen Sie diesem Bild, dass es dem einen nur gutgeht, wenn es dem anderen auch gutgeht, zu?
Graefe: Der Spruch war mir bisher nicht geläufig. Der Apotheker ist der Kunde des Großhandels. Und der Großhandel hat eine Marge. Diese Marge ist vor zwei Jahren beim Großhändler geblieben und dann zum Apotheker gewandert. Und diese Marge will der Großhandel jetzt zurückhaben. Ob das partnerschaftlich ist, muss jeder selbst entscheiden. Die Rabatte der AEP bleiben bestehen, und werden so zum Einkommen der Apotheke. Wenn etwas partnerschaftlich ist, dann das. Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir in einem Boot sitzen – wir sind Kunde und Lieferant. Daraus eine Schicksalsgemeinschaft zu konstruieren, finde ich sehr pathetisch.
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