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„Der deutsche Großhandel ist effizient“
Interview mit Dr. Thomas Trümper, Vorsitzender des Phagro | Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels e.V.
DAZ: Seitdem mit AEP ein neuer Großhandels-Anbieter aufgetaucht ist, wird viel über die Belieferung von Apotheken mit Arzneimitteln gesprochen. Gibt es denn da Neuigkeiten?
Trümper: Ja, die gibt es ganz bestimmt. Neuigkeiten gibt es nämlich insofern, als Außenstehende über Pharmalogistik diskutieren und dabei Behauptungen aufstellen, die einer eingehenden Würdigung durch Experten bedürfen. Und mit Fachleuten meine ich Logistiker und Fachleute, die das Geschäft in allen Facetten kennen und um dessen Komplexität wissen. Seit Jahren begleitet uns in Diskussionen immer wieder die Frage, ob man denn nicht Kosten sparen könne, wenn man weniger häufig in die Apotheke fahre. Das klingt für Außenstehende logisch und trivial zugleich.
DAZ: Aber stimmt es denn nicht, dass gerade in Deutschland die Kosten im Pharmagroßhandel recht hoch sind, wie CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich auf dem 51. DAV-Wirtschaftsforum angemerkt hat?
Trümper: Dazu gibt es ganz klare Fakten, die solch eine Annahme nicht nur widerlegen, sondern das Gegenteil beweisen. Unser Verband ist Mitglied im Europäischen Branchenverband GIRP in Brüssel und natürlich haben wir darüber Kenntnis, wie die Situation in anderen Ländern ist. Unsere Marge in Deutschland liegt deutlich unter fünf Prozent und liegt damit im unteren Drittel von 20 Ländern, deren Daten bekannt sind. Wir bewegen uns auf dem Niveau von Griechenland und Ungarn. Allein in vier Ländern ist die Marge mehr als doppelt so hoch. Auch vergleichbare Länder wie Österreich haben eine um 33 Prozent höhere Marge.
DAZ: Sie sprechen über die Marge, die der Großhandel erhält. Aber wie sieht es mit den anteiligen Kosten am Arzneimittelpreis aus?
Trümper: Hier wird noch deutlicher, wie effizient das deutsche Großhandelssystem ist. Der Herstellerverband vfa hat in seinen Statistiken 14 europäische Länder verglichen und dabei den Kostenanteil der jeweiligen Stakeholder ermittelt. Der deutsche Großhandel liegt mit drei Prozent an den Gesamtkosten der Arzneimittel auf dem vorletzten Platz. Um beim Beispiel zu bleiben: Österreich liegt mit einem exakt doppelt so hohen Kostenanteil unter den Spitzenreitern.
DAZ: Nicht zu leugnen ist doch die Tatsache, dass Apotheken mehrfach am Tage beliefert werden, und die berechtigte Frage besteht, ob das notwendig ist?
Trümper: Auch hier kursieren viele Gerüchte. Nach unserer Verbandsstatistik, die vom unabhängigen Institut für Handelsforschung in Köln ermittelt wird, liegt die mittlere Belieferungsfrequenz in 24 Stunden bei 3,1. Wohl gemerkt, da ist eine Nachtlieferung dabei. Sehr viele Apotheken erhalten nachts eine Lieferung und am Tage eine Lieferung für eilige Medikamente. Allerdings zwingt der Wettbewerbsdruck in attraktiven Lagen die Apotheken dazu, ihren Kunden, den Patienten, kurze Lieferzeiten anzubieten. Der Großhandel reagiert darauf als Dienstleister und dies begründet dann die Mehrfachbelieferung. Nun wird auch behauptet, Deutschland läge hier an der Spitze in Europa. Und auch das stimmt nicht. Unser europäischer Verband weist eine mittlere Frequenz in Europa von 2,66 aus. Damit liegen wir in Deutschland leicht über dem Mittel.
DAZ: Bei der Marge und den Kosten lag der deutsche Pharmagroßhandel im europäischen Vergleich sehr günstig, warum hier nicht?
Trümper: Wir liegen in Deutschland unbestritten mit der Versorgungsqualität der Patienten an der Spitze. Ein Grund mit dafür ist die hohe Anzahl an Produkten, die in Apotheken verkauft werden, sie ist grob gesagt doppelt so hoch wie in anderen Ländern. Es ist für Apotheken unmöglich, alle nachgefragten Artikel vorrätig zu halten. Hervorzuheben sind bei diesem Thema insbesondere auch die hohe Zahl der Rabattverträge. Dies sind derzeit fast 18.000. Sie erhöhen bei unserer großen Anzahl von Kassen und damit von individuellen Verträgen die Nachfragevielfalt in der einzelnen Apotheke. Das kann nur über den vollversorgenden Großhandel und mit einer schnellen Belieferung aufgefangen werden.
DAZ: Was halten Sie von dem Vorschlag, ganz Deutschland aus nur einem Lager zu versorgen? Dies würde mit einem Lieferdienst, der jede Apotheke anfährt, gut und preiswert funktionieren.
Trümper: Mit diesem Vorschlag muss man sich sicher ernsthaft auseinandersetzen, wozu allerdings Detailkenntnis gehört. Wenn man hört, dass die im Phagro zusammengeschlossenen Mitgliedsfirmen 113 Läger in Deutschland unterhalten, dann klingt dies schon wie eine Super-Idee, auf die man mit revolutionärem Denken kommen kann. Lassen Sie mich deshalb Schritt für Schritt argumentieren. Diese 113 Betriebsstätten werden von 13 Firmen betrieben. Das sind im Mittel neun Läger pro Firma. Also geht es bei Erhaltung des Wettbewerbs um die Differenz von eins zu neun. Grund genug, dennoch weiter nachzudenken. Die Geschichte mit dem einen Lager und dem Lieferdienst, der alle Apotheken erreicht, verschweigt natürlich, dass noch 40 Umladestationen existieren, ohne die das System „bundesweiter Lieferdienst“ nicht funktioniert. Nur 40 Umladestationen bei 13 Akteuren ergeben 520. Dann sieht das schon nicht mehr ganz so revolutionär aus und über ein Monopol wollen wir doch nicht allen Ernstes reden.
DAZ: Und was ist mit der Lieferqualität?
Trümper: Die wird leiden. Wollen Apotheker wirklich Arzneimittel geliefert bekommen, die über zwei oder drei Umladestationen nach ein paar hundert Kilometern auf Autobahn und Landstraße ihr Ziel erreichen? Dabei denke ich insbesondere an kühlkettenpflichtige Arzneimittel, Betäubungsmittel oder Gefahrstoffe. Die Fehleranfälligkeit solch eines Systems ist hoch. Wir kennen das alle aus dem privaten Bereich mit den Paketdiensten. Interessant ist übrigens, dass genau diese Unternehmen alle die Finger vom Arzneimittelvertrieb lassen. Warum wohl?
DAZ: Wäre es dennoch nicht viel wirtschaftlicher, aus einem einzigen Lager zu liefern?
Trümper: Zur Beantwortung dieser Frage reichen ein paar Fakten. Der Großhandel liefert im Jahr etwa 1,5 Milliarden Packungen an die 21.000 Apotheken in Deutschland, das sind am Tag etwa 5 bis 6 Millionen. Darunter sind eine große Zahl an BtM, Kühlketten- und Kühl-Artikel. Dies aus einem einzigen Lager leisten zu wollen, ist schon recht verwegen. Bedenken Sie, es ist nicht nur die Auslieferung, es geht ja auch z.B. um Wareneingang und um Lagerung. An Retouren hat bei diesem Thema wohl niemand gedacht. Und wohl auch nicht, was passiert, wenn das einzige Lager einen Betriebsausfall hat. So ist das eben, wenn man großzügig über neue Modelle spricht. Aber zu diesem Thema habe ich noch eine Zahl. Die modernen Großhandelslager unserer Mitgliedsfirmen weisen Drehzahlen von 20 und mehr auf. Das bedeutet einen Lagerumschlag von 2,7 Wochen. Die gesetzliche Vorgabe zur Vorhaltung von Arzneimitteln für den Großhandel liegt bei zwei Wochen. Wo bitte soll da noch ein Systemvorteil mit einem einzigen Lager liegen? Das Volumen ändert sich nicht, ob ein Lager oder 118. Lassen Sie uns aber noch einen Blick in andere Länder werfen. Es gibt kein Land, in dem eine zentrale Belieferung umgesetzt wurde. Natürlich gibt es Länder mit weniger Großhandelslagern, aber diese Länder haben auch ganz andere Rahmenbedingungen.
DAZ: Wenn man Ihre Argumente so hört, dann könnte man zu dem Schluss kommen, dass alles gut ist und Änderungen in der Belieferung nicht nötig sind.
Trümper: Wir haben tatsächlich ein optimales System unter den vorgegebenen Rahmenbedingungen. Das heißt doch aber nicht, dass wir uns im Sessel zurücklehnen. Allein unser aktives Engagement im Europäischen Verband GIRP zeigt, dass wir Ideen suchen. Natürlich verbessern wir auch unsere Strukturen ständig. Der Großhandel hat allein in den letzten vier Jahren 93 Millionen an Kosten eingespart, das sind 7,3 Prozent bei sehr lohnintensiven Arbeiten. Und glauben Sie mir Eines: Wenn eine unserer Mitgliedsfirmen auch nur den kleinsten Funken einer innovativen Idee spürt, dann setzt sie diesen auch um. Wir liefern nicht nur schnell, wir passen uns auch extrem schnell an.
DAZ: Herr Trümper, vielen Dank für das Gespräch!
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