Arzneimittel und Therapie

Kampf gegen Multisystematrophie

Rifampicin kann das Fortschreiten nicht stoppen

Der Versuch, das Fortschreiten einer Multisystematrophie mithilfe von Rifampicin zu verlangsamen, führte in einer US-amerikanischen Studie zu keinem therapeutischen Erfolg. Dennoch konnten im Hinblick auf die Konzeption künftiger Studien wertvolle Informationen gewonnen werden.

Die progressiv fortschreitende Multisystematrophie (MSA) beruht auf neurodegenerativen Veränderungen im Zentralnervensystem und manifestiert sich in vielfältigen Beeinträchtigungen des autonomen Nervensystems. Darunter fallen orthostatische Dysregulationen, neurologische Blasenstörungen, erektile Dysfunktionen, Störungen der Bewegungskoordination, Parkinson-Syndrom und Zeichen einer Pyramidenbahnschädigung. Je nach Ausprägung der Symptomatik unterscheidet man den Parkinson- und den Cerebellum-Subtyp. Der mittlere Erkrankungsbeginn liegt im sechsten Lebensjahrzehnt, die Prävalenz beträgt etwa 10 Fälle auf 100.000 Menschen. Autonome Störungen (vornehmlich Erektions- und Miktionsstörungen) können Jahre vor den Bewegungsstörungen auftreten. Nach der Manifestation der neurologischen Symptomatik schreitet die Erkrankung rasch fort, die mediane Überlebenszeit liegt unter zehn Jahren. Eine kausale Therapie ist nicht möglich, die systemische Behandlung – vornehmlich mit Antiparkinsonmitteln – zeigt nur marginale Effekte. Eine medikamentöse Verlangsamung der Erkrankung ist derzeit nicht möglich.

Aggregation von α-Synuclein

Histopathologisch sind Einlagerungen bestimmter Einschlusskörperchen, sogenannter α-Synuclein-Aggregate, im Zytoplasma von Oligodendrozyten (Gliazellen des ZNS) und Nervenzellen nachweisbar. α-Synuclein ist ein lösliches Protein, das an der Ausschüttung von Dopamin beteiligt ist. Welche Mechanismen zur Bildung dieser Ablagerungen führen, ist unklar. Es spricht aber vieles dafür, dass die Akkumulation von α-Synuclein für das Fortschreiten der Erkrankung verantwortlich ist. [Anmerkung: Diese Proteinaggregationen spielen auch bei der Pathogenese weiterer neurodegenerativer Erkrankungen wie der Parkinson-Krankheit sowie der Lewy-Körper-Demenz eine wichtige Rolle]. Daher wird nach Möglichkeiten gesucht, diese Aggregation zu verhindern. Ein potenzieller Kandidat hierfür ist das Antibiotikum Rifampicin, das im Tierversuch bei transgenen Mäusen die Bildung von α-Synuclein-Fibrillen hemmt. Ob sich dieser Effekt auch beim erkrankten Menschen zeigt, wurde nun in einer US-amerikanischen Studie untersucht.

Kein therapeutischer Erfolg

Für die randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie wurden 100 Patienten ausgewählt, die in zehn US-Zentren aufgrund einer bestätigten oder vermuteten MSA behandelt wurden. Die nach Subtyp (Parkinson- oder Cerebellum-Subtyp) stratifizierten Probanden wurden zwei Gruppen zugeteilt und erhielten entweder zweimal täglich 300 mg Rifampicin (Verumgruppe) oder 50 mg Riboflavin (Placebogruppe). Der primäre Studienendpunkt umfasste Veränderungen der MSA-Symptomatik nach zwölf Monaten (ermittelt mithilfe der krankheitsspezifischen Skala UMSARS); ferner wurden in weiteren Endpunkten zusätzliche Bewertungen festgehalten. Die Ergebnisse einer im Vorfeld geplanten Interimsanalyse (die Auswertung der Daten von jeweils 15 Patienten jeder Gruppe nach zwölf Monaten Therapie) zeigten, dass ein Weiterführen der Behandlung sinnlos ist, so dass die Studie beendet wurde. Zu diesem Zeitpunkt lagen Daten von 49 Probanden der Verumgruppe und von 50 Teilnehmern der Placebogruppe vor, die in die Schlussanalyse eingingen. Der primäre Studienendpunkt – Veränderungen der MSA-Symptomatik – war in beiden Gruppen gleich (jeweils 0,5 Punkte pro Monat). Bei drei Teilnehmern (6%) der Verumgruppe und zwölf (24%) der Placebogruppe waren eine oder mehrere schwere Nebenwirkungen aufgetreten, die jedoch nicht mit der Therapie in Verbindung gebracht wurden.

Suche geht weiter

Das Fazit der Studie: Mithilfe von Rifampicin konnte der Krankheitsverlauf einer MSA nicht verlangsamt oder gar unterbrochen werden. Die Suche nach krankheitsmodifizierenden Wirkstoffen geht also weiter. Studienautoren und Kommentatoren sind sich aber darin einig, dass die Studiendurchführung nicht nutzlos war. So konnten wichtige Informationen für eine optimale Planung weiterer Untersuchungen – z.B. Kriterien für die Probandenauswahl, Studiendesign, Festlegen der Scores – gewonnen werden. Das Rüstzeug für weitere Studien liegt nun bereit. 

Quelle

Low et al. Efficacy and safety of rifampicin for multiple system atrophy: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet Neurol 2014; 13: 268–275.

Wenning G et al: Rifampicin for multiple system atrophy. Lancet Neurol 2014; 237–238.

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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