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Kooperationen
Zwischen Auslaufmodell und neuen Chancen
Trends und Tendenzen bei Kooperationen
Werfen wir einen Blick auf die momentane Verfassung vieler Kooperationen, dann muss man nüchtern feststellen: Begeisterung sieht ungeachtet positiver Umfrageergebnisse anders aus. Vielmehr haben sich die Kolleginnen und Kollegen damit auf ihre Art gut arrangiert, und das vorherrschende Motto lautet sinngemäß: „Sorgt für attraktive Produkte und gute Einkaufskonditionen, aber redet mir nicht ungefragt in den Betrieb hinein.“
Auf dieser Basis des Leben-und-leben-Lassens haben etliche der mitgliederstarken, großhandelsgestützten Kooperationen mehr oder weniger deutlich die Tausendermarke übersprungen und ihre Teilnehmerzahlen mehrheitlich gehalten. Größen wie „gesund leben“ (Gehe, etwa 2400 Mitglieder), Linda (Phoenix, 1200 Mitglieder), „meine Apotheke mea“ (Sanacorp, 1500 Teilnehmer) oder der bekannte MVDA (3300 Mitglieder) liegen recht stabil im Markt.
Vivesco, ebenfalls eine der starken Kooperationen mit deutlich über 1000 Mitgliedern, muss hingegen den schwierigen Switch zu „Alphega“ verdauen. Man hätte sich dabei durchaus einen für das Kundenohr eingängigeren Namen wünschen können.
Mit etwa 260 Apotheken gehören die dem privaten Großhandel (Pharma privat) nahestehenden A-plus-Apotheken hingegen bereits den etwas kleineren Organisationen an.
Ein wenig aus dem Fokus geraten ist die schon rund 20 Jahre bestehende, ehemals sehr starke und innovative Parmapharm-Gruppe („gesund ist bunt“, etwa 350 Teilnehmer), und ähnlich scheint es um die auf Spezialsegmente, Naturheilkunde sowie entsprechende Schulungen fokussierten Torre-Apotheken („Natürlich“ mit rund 180 Vollmitgliedern) etwas ruhiger geworden zu sein.
Gut im Rennen liegt nach wie vor die Elac („Guten Tag-Apotheken“) als Kooperation der gehobenen Klasse, finden sich hier doch durchwegs deutlich überdurchschnittliche Apotheken. Dieser Königsklasse der Apotheken gelingt es in einer zunehmend gespaltenen Apothekenlandschaft, Marktanteile zu gewinnen, ohne auf Teufel komm heraus neue Mitglieder akquirieren zu müssen.
Etwas anders sieht es bei den stringenteren „Konzeptbetreibern“, de facto Franchise-Systemen, aus, allen voran DocMorris (stets deutlich unter 200 Apotheken, inzwischen unter 90) und den mühsam wachsenden Easy-Apotheken (knapp 90): Gemessen an den hochfliegenden Plänen vor etlichen Jahren sind sie letztlich als gescheitert anzusehen, nicht zuletzt durch die Verquickung mit dem Versandhandel unter gleichem Namen. DocMorris befindet sich im Abwicklungsprozess, inwieweit das Umflaggen auf das Lloyds-Konzept gelingt, bleibt abzuwarten.
Auch vom vermeintlichen Siegeszug der Easy-Apotheken bleibt am Ende des Tages nicht mehr sehr viel übrig. Einst waren DocMorris und easy-Apotheken angetreten, innerhalb weniger Jahre 500, wenn nicht gar 1000 Apotheken von sich zu überzeugen und den Markt in der Fläche zu durchdringen. Schaut man sich die Regionalgliederung der Republik in Groß-, Mittel- und Kleinstädte sowie Dörfer an, dann lässt sich in der Tat schnell erkennen, dass man mindestens etwa 500 Standorte benötigt, um eine gute Flächenabdeckung und damit einen entsprechenden Bekanntheitsgrad zu erreichen. Diese Ziele wurden von den Franchise-Konzepten meilenweit verfehlt. Selbst die 200er-Marke hat DocMorris nicht erreicht, und die easy-Apotheken sind bis heute nicht einmal dreistellig.
Eher gering vertreten sind weiterhin die Avie-Apotheken (um 180) und die Farma-plus-Apotheken (knapp 40), beide ebenfalls stark auf eine aktive Angebotspolitik hin orientiert.
Weiterhin gibt es noch eine ganze Reihe von Spezial- oder Kleinkooperationen, teilweise mit regionalem Schwerpunkt. Zu nennen sind hier Namen wie 1A-GESUND Apotheken (Saarbrücken), Apodirekt (Rednitzhembach), apogen (Hannover), apo-rot (Hamburg), BP apo Consulting (Selm), Curadies (Leipzig), Cura-San (Duisburg), Migasa (Lengerich), ProPharm (Bad Saulgau) und VitaPlus (Gilching) – neben manch anderen mehr.
In Anbetracht dieser Vielfalt und Zersplitterung fällt es in der gegenwärtigen Lage nicht leicht, schlagende Argumente für den echten Kooperationsgedanken zu finden, der ja über die Funktion als preiswerte Einkaufsquelle mit etwas marketingtechnischer Begleitmusik hinausreichen sollte.
Warum werden Kooperationen gewählt?
Gerade die Konzeptbetreiber haben bisweilen den Glauben an Wunder und ihre unwiderstehliche Strahlkraft geweckt. Teilnehmer dachten und denken, mit Entrichtung der nicht unbeträchtlichen Gebühren und etwas äußerer Kosmetik sowie mehr Marketing sitzen sie im Wohlstandsaufzug in die oberen Etagen der Apothekenlandschaft. In etwas abgeschwächter Form wurden auch von anderen Kooperationen beträchtliche Erwartungen geweckt: Wenn wir erst einmal einen Markennamen in der Bevölkerung haben ...
Also kaut man nach, was andere vorgekaut haben. Dumm, wenn in der eigenen Straße drei weitere Apotheken etwas ganz Ähnliches tun. In einer solchen Denkweise manifestiert sich eine gewisse Form der Bequemlichkeit – ich kaufe Erfolg. Wenn es denn funktioniert.
Was bei Schnellrestaurants wie McDonalds oder einem Baumarkt wie OBI sehr gut, bei etlichen anderen Franchisekonzepten aber aus Sicht der Franchisenehmer (nicht unbedingt der Konzeptbetreiber) schon weit schlechter aufgeht, hat sich bei Apotheken als ausgesprochen schwierig entpuppt: Eben der Aufbau einer beim Kunden bekannten Marke. Und selbst die bekannteste Marke – das war in der Tat mal DocMorris – hat dann letzten Endes gepatzt.
Auf eine gewisse Art kann man sogar über den Misserfolg der Markenbildung bei den Kunden froh sein – werden auf diese Weise die Apotheken doch immer noch als individuelle Betriebe wahrgenommen und nicht als „Quasi-Ketten“. Welcher Kunde vermag denn an diesem Punkt sauber zu differenzieren?
Als schwierig haben sich zudem alle Ansätze entpuppt, den Apotheken in die Bücher oder auch nur in die Warenläger zu schauen. Gemeinsame Betriebswirtschaft, Warenwirtschaft, gar gemeinsame Steuer- und Unternehmensberatung: So weit ging in aller Regel das Vertrauen dann doch nicht – und das ist gut so, solange man die Fahnen für die unabhängige Apotheke hochhält. Vergessen wir nicht: Für einen solchen Austausch sensibler Daten gibt es immer noch Einrichtungen wie Erfa-Gruppen, wo man auf einer anderen Vertrauensbasis agieren kann.
Gründe für und gegen eine Kooperation
Nicht wenige Teilnehmer an Kooperationsmodellen gerade aus der Großhandelsecke ähneln eher einer „Premiummitgliedschaft im Club“. Gegen einige hundert Euro Monatsgebühr rechnet sich das Ganze unter dem Strich doch, da das der Türöffner zu besseren Bezugskonditionen und Rabatten, Rückvergütungen, Industriezuschüssen u.a.m. ist. Die sonstigen Aktionen, Zeitungen, Flyer und Zugabeartikel werden mitgenommen; sollten sie sich als attraktiv erweisen, werden sie gerne verwendet. Der Rest, und das ist nicht wenig, wird schlicht entsorgt. Der Anteil dieser „Edelmitgliedschaften“ ist hoch. Letztlich handelt es sich in erster Linie um ein nüchternes und schmerzfreies Rechenexempel, ob das Sinn macht. All diese Massenkooperationen haben dabei das Problem, dass die Mitglieder sehr unterschiedlich sind – von der kleinen Land-Apotheke bis zur großen Center-Apotheke findet sich alles. Dementsprechend schwierig ist es, passende Konzepte für alle zu finden.
Andere verkaufen sich „mit Haut und Haaren“, richten ihr ganzes Unternehmenskonzept darauf aus – hier sind wir bei den echten Konzeptbetreibern angekommen, meist mehr oder weniger Franchisemodelle mit Monatsgebühren im vierstelligen Bereich, gerne um 1000 bis etwa 1500 Euro. So eine Entscheidung will gerade heute sehr gut überlegt sein. Von etlichen durchaus erfolgreichen Apotheken dieser Konzeptbetreiber sollte man sich nicht allein leiten lassen. Die spannende Frage ist nämlich: Sind sie tatsächlich wegen dieses Konzeptes erfolgreich? Oder wären sie nicht ohne ein solches Konzept mit etwas Ideenreichtum und einem pfiffigen Auftritt ebenso weit, weil einfach der Standort gut ist? Umgekehrt ist es erfahrungsgemäß schwierig, einen schwachen Standort durch ein solches Konzept so weit aufzuwerten, dass er plötzlich zu den erfolgreichen zählt. Und persönliche Defizite in der Unternehmensführung lassen sich selbst mit den besten Konzepten kaum wettmachen.
Als Rettungsanker taugen Kooperationen also fast nie, egal ob stringentes Franchisemodell oder eher lockerer Großverbund. Am ehesten kann eine solche Rettungsaktion durch Spezialisierung gelingen. Spezialsegmente haben das Potenzial, großräumig neue Kunden anzuziehen, deshalb empfiehlt sich eher ein Blick auf Kooperationen und Verbundmodelle, die sich z.B. auf Naturheilkunde und bestimmte Kundengruppen fokussieren.
Und so gilt es klar abzuwägen, was Sie von einer Kooperation erwarten. Die ultimative Lösung von Unternehmensproblemen ist es nicht, und auch nicht das schützende Dach, das vor allem Unbill schützt. Wägen Sie also ab:
- Ich möchte nicht allzu viel ändern und schließe mich „einer großen Masse“ an, weil es sich unter dem Strich einfach doch rechnet.
- Ich möchte mein gesamtes Unternehmenskonzept umstellen, und eine Variante ist dann ein stringenter Konzeptbetreiber („Franchise“) – oder aber vielleicht doch ein komplett neues, eigenes Konzept, welches man sich mit professioneller Hilfe erstellen lässt!
- Ich möchte mich eher spezialisieren und suche deshalb nach Gruppierungen, die eine solche Fokussierung gestatten.
- Ich gehöre zu den größeren Apotheken und trete den entsprechend exklusiveren, geräuschlos, aber effektiv arbeitenden Kooperationen bei, da hier eine gewisse „Augenhöhe“ gegeben ist und für Top-Apotheken auch Top-Konditionen bei den Verhandlungen mit der Industrie zu erwarten sind.
Eine weitere Hilfestellung mag die Tabelle „Auswahlhilfe“ sein. Bedenken Sie bitte zudem: Die gängigen Kooperationen sind keine caritativen Vereine zur Förderung des Apothekenwesens. Unter dem Strich müssen sie sich – auch oder weil sie seinerzeit den Initiatoren oftmals erhebliche Anlaufverluste beschert haben – rechnen. Je größer der „Overhead“, der „Wasserkopf“, je bunter und vielfältiger die Werbematerialaussendungen (von denen ja viele in der Rundablage landen), umso höher sind die Kosten. Und die zahlen – Sie! Direkt über Gebühren oder indirekt über schlechtere Einkaufskonditionen.
Neue Kooperationsmodelle für die Zukunft?
Ist der Kooperationsgedanke nunmehr tot oder auf reine „Rabattjäger“ reduziert? Mitnichten!
Die Gründe liegen auf der Hand: Noch nie in ihrer Geschichte standen die Apotheken derart vielfältigen, aber auch zunehmend komplexen Herausforderungen gegenüber. Kaum jemand überblickt das Marktgeschehen noch bis ins Detail, schon alleine die zahlreichen Facetten zu erkennen, bereitet Mühe. Die rechtlichen und vertraglichen Verkomplizierungen bedeuten für die Apotheken immer unüberschaubarere Risiken.
Gleichzeitig sind wir einer ungeheuren Produktvielfalt ausgesetzt. Selektion tut not. An den Flanken der klassischen Apothekenbetätigungsfelder entstehen zudem neue Märkte (zum Beispiel der ganze Bereich der Medizin-, Informations- und Kommunikationstechnik, neue Diagnose- und Testmöglichkeiten, neuartige Therapiesysteme), die nur darauf warten, aufgearbeitet und erschlossen zu werden. Der Zug der Globalisierung rollt weiter. Auch und gerade in anderen Regionen der Erde entstehen zahlreiche High-Tech-Produkte und Innovationen. Zudem finden die historisch gewachsenen und bewährten Therapierichtungen „exotischer“ Länder immer mehr den Weg über die Grenzen. Hier gilt es den Blick weltweit schweifen zu lassen, interessante Produkte zu identifizieren und für die deutsche Apotheke marktfähig zu machen. Gerade der letzte Punkt ist enorm wichtig und die Aufgabe einer starken Gemeinschaft: Sich den zahlreichen rechtlichen und logistischen Herausforderungen zu stellen, die mit einem Import und einer Vermarktung verbunden sind.
Doch vor der eigenen Haustür warten gleichfalls Chancen. Zu den eher verpassten Möglichkeiten zählt das Beispiel Körperpflege, mit der aktuellen Betriebsordnung explizit apothekenüblich geworden. Die Pleite des Drogerieriesen Schlecker hat den Apotheken (gerade auf dem Land) an dieser Stelle zusätzlich in die Hände gespielt. Nur – eine starke Gemeinschaft hätte diesen Markt apothekengerecht aufbereiten und die sinnvollen Produkte selektieren müssen, denn niemand hätte sich natürlich ein ganzes Drogeriemarktsortiment hinlegen können. Genau das sind eben Aufgaben, die eine starke und professionelle Kooperation leisten sollte. Man schaue beispielsweise im Lebensmittelhandel einmal auf die Leistungsfähigkeit und die Möglichkeiten einer Edeka.
Selbst für pfiffige Marketingaktionen und Kundenansprachen ist durchaus noch Raum. Aber um heute aus der Masse und der Überflutung mit Informationen herauszuragen, muss man sich schon etwas Besonderes einfallen lassen.
Sollte zudem jetzt tatsächlich eine verstärkte, pharmazeutische Ausrichtung hin zu neuen Dienstleistungen stattfinden, wären ebenfalls ganz klar die Kooperationen gefragt: mit erprobten Programmen, Abläufen, medialer Begleitung, Hintergrunddaten, Daten- und Wissensmanagement. Alles Dinge, an denen der Einzelne typischerweise scheitern muss, da der Aufwand für die normale Apotheke viel zu groß ist, hier quasi neue Produkte und Leistungen zu kreieren, umzusetzen und zu vermarkten.
Wahrscheinlich besteht somit die zweite Chance für die Kooperationslandschaft nicht mehr in der klassischen, vorrangig produktbezogenen Absatz- und Marketingunterstützung sowie der Rabattgenerierung. Vielmehr könnte die Geburtsstunde der wissenschaftlichen, pharmazeutisch ausgerichteten „Kooperationen der Intelligenz“ nahen, die nicht mehr unbedingt nur aus der Ecke der wirtschaftlich fixierten Interessengruppen gespeist werden.
Damit bleibt als Fazit: Starke Gemeinschaften machen Sinn, wenn sie für die Mitglieder das leisten, was der Einzelne niemals zu leisten imstande wäre. Das ist bei den bisherigen Kooperationen nicht immer zu erkennen. Ein Wandel ist überfällig und ohne Weiteres möglich. Kluge Köpfe gerade aus der Kollegenschaft gibt es genug. Andererseits wird eine stark und kompetent geführte Apotheke an einem guten Standort absehbar auch ohne eine Kooperation zurechtkommen können.
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