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Zoff um Vivesco-Aus Kritik an Abstimmungsprozedere und -ergebnis
Laut der Vivesco-Satzung bedarf es für die Umfirmierung einer Mehrheit von 75 Prozent auf der Apothekerversammlung. Diese Versammlung, zu der alle Vivesco-Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der Vivesco Apotheken-Partner GmbH eingeladen werden, fand vergangenen Dienstag im hessischen Raunheim statt, rund 20 Kilometer von der Alliance-Zentrale in Frankfurt/M. entfernt. 87 Apothekerinnen und Apotheker waren gekommen, das sind etwas über zehn Prozent der rund 800 Vivesco-Gesellschafter. Nach Auszählung der 84 gültigen Stimmen stand fest: mit 63 hat ganz genau die mindestens notwendige Anzahl an Mitgliedern für die Umfirmierung gestimmt. Zwei Gesellschafter enthielten sich, eine Stimme war ungültig.
Erst nach Protest Anonymisierung
Das Prozedere der Abstimmung stößt einigen Mitgliedern, die gegen die Umbenennung gestimmt haben, übel auf. Den Anwesenden waren jeweils drei farbige Stimmzettel ausgehändigt worden: ein grüner, mit dem der Umfirmierung zugestimmt werden konnte, ein roter für eine Ablehnung sowie ein weißer, der Stimmenthaltung signalisierte. Auf den Zetteln stand, worüber abgestimmt wurde: „Maßnahme: Umfirmierung der Gesellschaft vivesco Apotheken-Partner GmbH in Alphega Apotheken-Partner GmbH und Aufgabe der Marke ‚vivesco‘ unter Ersatz und Einführung der Marke ‚Alphega‘ ab dem 01.07.2014 unter Änderung der Leistungs- und Serviceverträge.“ Außerdem aufgedruckt waren Name und Anschrift des Stimmberechtigten.
Nach Protesten anwesender Apotheker konnten die Stimmzettel durch Abschneiden des Namens anonymisiert werden. Wirklich anonym war die Abstimmung aber nicht. Denn die Stimmzettel wurden einzeln eingesammelt, und zwar nacheinander: erst die grünen, zustimmenden, dann die roten, ablehnenden und zuletzt die weißen, sich enthaltenden. Wer welche Farbe abgab, war dabei gut sichtbar – Kuverts gab es keine, die Sammelbox war durchsichtig. „Mit der Wahl des Abstimmungstages und dem Wahlmodus hat meines Erachtens Alliance Healthcare jede erdenkliche Chance genutzt, dass erstens möglichst wenige Apotheker kommen konnten und dass doch Mut erforderlich war, vor gefühlten 150 Alliance-Mitarbeitern den roten Stimmzettel in die Box zu werfen“, empört sich Tatjana Zambo aus Gaggenau. „Für mich alles hart an der Grenze der Manipulation.“
Nach den Aussagen anderer Teilnehmer waren dieses Mal eher mehr Apotheker als sonst bei der Versammlung anwesend. Laut einem Vivesco-Sprecher ist es auch üblich, dass der Vivesco-Außendienst bei den Apothekerversammlungen anwesend ist. Schließlich sei das eine gute Gelegenheit, Kooperationsmitglieder zu treffen und zu sprechen.
Wilhelm Möhrke aus Lengerich kritisiert auch die Auszählung. Entgegen der Satzung seien die Enthaltungen wie ungültige Stimmen behandelt und nicht mitgezählt worden. Die Satzung fordere aber eine Drei-Viertel-Mehrheit aller abgegebenen Stimmen. Zusammen mit den Enthaltungen wurden 86 Stimmen abgegeben, der Anteil der Pro-Stimmen sänke damit auf 73,3 Prozent – und die Drei-Viertel-Mehrheit wäre verpasst. Vivesco verweist auf den anwesenden Notar, der die Abstimmung überwacht hat. Dieser habe die Rechtmäßigkeit des Verfahrens und die Richtigkeit der Auszählung bestätigt.
Namensänderung führt zu Vertragsänderung
Für Zambo stand das Ergebnis ohnehin bereits vor der Abstimmung fest. „Nach dem, was sich die letzten Wochen und Monate abgespielt hat, ist für mich deutlich geworden, dass das Ziel ganz klar war, die Vivesco abzuschaffen. Der Mutterkonzern will das so und wir hier in Deutschland hatten nichts mitzubestimmen. Jeder Apotheker sollte sich nun überlegen, ob er sich auch in Zukunft einem Diktat aus England aussetzen will und wohin das führen kann.“ Zudem ärgert Möhrke und Zambo, dass die Apotheker mit der Namensänderung auch gleich einer Vertragsänderung zugestimmt haben, obwohl die geplanten Veränderungen nicht vorgelegt worden seien, geschweige denn die neuen Service- und Leistungsverträge. Gegenüber der DAZ betonte Vivesco, es handle sich ausschließlich um redaktionelle Änderungen der Verträge, hauptsächlich um den Austausch des Wortes „vivesco“ durch „Alphega“ – und das sei den Anwesenden auch mehrmals mitgeteilt worden.
Es gibt auch positive Stimmen
Nicole Massolle, Mitglied im Apothekerbeirat der Kooperation, versteht die Kritik an der namentlichen Abstimmung nicht: „Die anwesenden Apotheker sollen als Gesellschafter der Vivesco ihre Meinung kundtun. Ich finde es sehr befremdlich, dass die Kollegen nicht zu ihrer Meinung stehen“, verteidigt sie das Verfahren. Es habe den Ablauf transparent machen und jeden Manipulationsverdacht im Keim ersticken sollen. Auch für Angelika Schöpf aus Ingolstadt war das Abstimmungsverfahren völlig in Ordnung. Sie betont, dass es sich nicht um eine Wahl gehandelt habe. Für sie persönlich sei die Abstimmung ein ausreichend demokratischer Vorgang gewesen. Massolle, die in ihrer Bremer Apotheke das neue Konzept seit einigen Monaten testet, berichtet über eine teilweise sehr emotionale Diskussion über die Zukunft von Vivesco, die in den vergangenen Monaten geführt wurde. „Dass viele sehr an der Marke Vivesco hängen, kann ich gut nachvollziehen“, sagt sie. „Man betrachtet Vivesco als sein ‚Baby‘. Doch die Tochter wird erwachsen und nimmt einen anderen Namen an. Und die ‚Eltern‘ können sich nur schwer daran gewöhnen.“
Zambo kritisiert jedoch nicht nur das Abstimmungsverfahren. Sie sieht die Richtung, in die sich die Kooperation durch den Zusammenschluss mit Alphega entwickeln wird, grundsätzlich kritisch. „Was bringt’s den Apothekern?“, frage sie sich. „Es profitiert Alphega, es profitiert Alliance – aber es profitiert nicht der deutsche Apotheker.“ Mit der Umfirmierung in Alphega folge man nur Konzerninteressen, und mit einem einheitlichen Markenauftritt in mehreren Ländern dokumentiere man das auch ganz deutlich. Dadurch aber gingen alle Argumente der Apotheker gegen die Apothekenketten verloren. Möhrke, der seit zehn Jahren Vivesco-Mitglied ist, sieht das ähnlich: „Die deutschen Apotheker schaffen sich ab“, fürchtet er. Die Interessen der deutschen Mitglieder stünden in Zukunft hinter den Interessen eines multinationalen Konzerns zurück. „Wer weiß denn, wie es mit Alliance weitergeht. Nun werden sie von Walgreens übernommen. Was passiert, wenn als nächstes ein chinesischer Konzern Walgreens übernimmt?“
Nicole Massolle sieht das anders. „Wenn der Apotheker gut ist, dann kommen die Kunden. Dann ist es ihnen egal, welcher Kooperation die Apotheke angehört“, ist sie überzeugt. Und das Alphega-Konzept ermögliche ihr, ihre Abläufe so zu gestalten, dass der Output für die Kunden größer werde. Es sei ein inhaltlicher Gegenentwurf zu Discountkonzepten, betont sie. Und auch Alliance wird nicht müde zu betonen, man strebe keine weiteren Apothekenketten in Europa an. Im Dezember vergangenen Jahres sagte Ornella Barra, Alliance-Boots-Vorsitzende für den Großhandel, im Interview mit der DAZ: „Damit es hier überhaupt keine Missverständnisse gibt: Wir haben verstanden, dass es in Deutschland nur selbstständige Apotheker gibt. Und das wollen wir absolut nicht ändern.“
Wie geht’s weiter?
Zum 1. Juli wird Vivesco Geschichte sein. Ab diesem Datum wird die Kooperation unter dem Namen Alphega firmieren. Bis zu diesem Datum möchte der Außendienst alle Vivesco-Apotheken besuchen und für eine Teilnahme am neuen Konzept werben. Zumindest vor großen Investitionen brauchen sich die Vivesco-Mitglieder nicht zu fürchten: Die Kosten, die durch das Rebranding entstehen, übernimmt Alphega. „Das gilt für alle Maßnahmen, die von Alphega selbst angeboten werden“, betont ein Sprecher.
Doch wie viele der heute rund 1050 Vivesco-Apotheken wirklich zu Alphega wechseln werden, scheint völlig unklar. Die Verantwortlichen seien sich durchaus bewusst, dass sie noch nicht alle Apotheken-Partner „vom neuen Angebot und den Vorteilen einer europäischen Dachmarke überzeugen konnten“, heißt es in einer Pressemitteilung von Vivesco.
Zumindest Tatjana Zambo und Wilhelm Möhrke werden mit ihren Apotheken nicht bei Alphega dabei sein.
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