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Teil- oder Vollkostenrechnung – eine neue Frage zum Honorar
Ein Kommentar von Thomas Müller-Bohn
Der Unterschied zwischen Teil- und Vollkostenrechnung entwickelt sich zum neuen Knackpunkt der Apothekenhonorierung. Bei der Wirtschafts-Interpharm schien in dieser Frage sogar ein Riss durch die ABDA zu gehen. Jede Kostenrechnung hängt von ihren Annahmen ab. Je nach Perspektive und zu untersuchender Frage können für dieselbe Leistung unterschiedliche Kosten anzusetzen sein. Statt „richtig“ oder „falsch“ zählt hier, ob die Kosten für die Entscheidung relevant sind. Die Teilkostenrechnung fragt nach den zusätzlichen Kosten einer bestimmten Leistung. Zur Vollkostenrechnung gehört zusätzlich ein angemessener Anteil für die nicht zurechenbaren Gemeinkosten – doch was ist angemessen?
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt setzte sich am ersten Interpharm-Tag für spezifische Leistungshonorare ein, erklärte aber, Gemeinwohlpflichten könnten nur auf der Grundlage von Teilkosten honoriert werden. Am zweiten Interpharm-Tag warnte Lutz Engelen, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, vor solcher Zurückhaltung und erntete Beifall. Das Kombimodell habe die Mischkalkulation beendet. Honorare für einzelne Leistungen müssten daher aufgrund von Vollkosten kalkuliert werden, forderte Engelen. Dies tat Uwe Hüsgen in einer Studie zum Umgang mit Betäubungsmitteln, die er bei der Interpharm präsentierte. Demnach sind die BtM-spezifischen Aufgaben mit 8,31 Euro pro Abgabe zu kalkulieren. Doch der DAV-Vorsitzende Fritz Becker hatte kürzlich nur eine Gebühr von 2,50 Euro plus Mehrwertsteuer gefordert.
Angesichts solcher Differenzen muss die ABDA dringend ihren Kurs bestimmen. Etablierte Gemeinwohlpflichten und neue Aufgaben unterschiedlich zu kalkulieren, erscheint durchaus sinnvoll, aber wie groß dürfen diese Unterschiede sein? Und welche Mischkalkulation soll die Gemeinkosten tragen, wenn keine Vollkosten angesetzt werden? Die Fragen drängen, denn Schmidt kündigte an, der DAV werde im Mai sein Konzept zum Rezepturhonorar vorlegen. Doch bei der Interpharm wurde deutlich: Die anzusetzenden Kosten für ein Rezepturarzneimittel hängen erheblich davon ab, ob nur die Teilkosten der einzelnen Herstellung, die anteiligen Kosten der gesamten Herstellungstätigkeit, auch die Kosten bei der Abgabe oder sogar ein angemessener Anteil an den Gemeinkosten der Apotheke einbezogen werden. Teil- und Vollkosten unterscheiden sich also nicht wie schwarz und weiß, sondern dazwischen sind sinnvolle Kompromisse denkbar. Für Rezepturarzneimittel sollte dabei unbedingt beachtet werden, dass diese bei der Abgabe mindestens so viel Mühe wie Fertigarzneimittel bereiten. Ein entsprechender Festzuschlag ist daher überfällig – unabhängig vom Entgelt für die Herstellung.
Noch sehr viel mehr Varianten wären bei einer Kostenrechnung für die ganze Apotheke zu bedenken. Die würde nötig, um den GKV-Abschlag ab 2016 zu berechnen, wenn sich Gesetzgeber, Krankenkassen und Apotheker nicht vorher auf eine andere Lösung verständigen. Bei der Wirtschafts-Interpharm lehnte Schmidt ein solches Kostenrechnungsmodell für die ganze Apotheke als unpraktikabel bis unmöglich ab (siehe auch Bericht von der Wirtschafts-Interpharm). Kritiker entgegneten am nächsten Tag, die Leistungen der Apotheken könnten durchaus beschrieben werden, wie dies jede Apotheke in ihrem QMS macht. Dennoch stimme ich Schmidt hier zu. Denn eine qualitative Beschreibung würde für eine quantitative Bewertung zur Kostenrechnung längst nicht ausreichen. Die künftige Honorierung von einem solchen Modell abhängig zu machen, würde end- und fruchtlose Diskussionen mit Politik und Krankenkassen über Annahmen, Wertansätze und Zeitbedarf eröffnen. Schlimmstenfalls drohen Selektivverträge mit unterschiedlichen Honoraren für verschiedene Apothekentypen. Daher warne ich sehr davor, den Wert der Apothekenleistung insgesamt errechnen zu wollen. Bei klar abgrenzbaren und insbesondere neuen Leistungen ist dies hingegen ein aussichtsreicher Weg zu neuen Honoraren. Doch auch dort muss klar sein: Wann sollen Teil- und wann Vollkosten zählen?
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