Arzneimittel und Therapie

Neues Wirkprinzip gegen Herpes genitalis

Helikase-Primase-Inhibitor Pritelivir vermindert Virusfreisetzung

Pritelivir ist der erste Vertreter der Wirkstoffgruppe der Helikase-Primase-Inhibitoren und wird bei Infektionen mit Herpes-simplex-Viren (HSV) eingesetzt. In einer Dosisfindungsstudie mit Herpes-simplex-2-positiven Probanden konnte gezeigt werden, dass die Einnahme von Pritelivir dosisabhängig zu einer deutlichen Reduktion der Virusausscheidung führt.

Pritelivir ist ein Inhibitor des viralen Helikase-Primase-Enzymkomplexes. Diese Virusenzyme trennen die DNA-Doppelstränge und ermöglichen so die Vermehrung der Herpesviren. Helikase-Primase-Inhibitoren hemmen die an der Entwindung des DNA-Doppelstranges und an der RNA-Primer-Synthese beteiligten Enzyme. Im Vergleich zu den bereits seit langem therapeutisch eingesetzten DNA-Polymerase-Inhibitoren (Nukleosidanaloga) Aciclovir, Famciclovir und Valaciclovir greift Pritelivir an einem früheren Punkt der Virusreplikation ein. Dieser neue Wirkmechanismus macht den Wirkstoff interessant, da unter der Therapie mit DNA-Polymerase-Inhibitoren Resistenzen auftreten können, vor allem bei immungeschwächten Patienten. Aufgrund der unterschiedlichen Wirkprinzipien von Nukleosidanaloga und Helikase-Primase-Inhibitoren ist auch eine Kombinationstherapie denkbar, die bei lebensbedrohlichen HSV-Infektionen einsetzbar wäre. Studien hierzu sind bereits initiiert.

Proof-of-concept-Studie

Nach Bestätigung der antiviralen Wirkung von Pritelivir bei HSV-Infektionen in vitro und in Tiermodellen wurde eine Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit von Pritelivir bei symptomfreien Personen mit rezidivierenden genitalen HSV-2-Infektionen initiiert. An der amerikanischen Studie nahmen 156 HSV-2-positive Probanden teil. Sie wurden fünf Gruppen zugeordnet und erhielten 28 Tage lang entweder ein Placebo oder unterschiedliche Mengen Pritelivir (5, 25 oder 75 mg täglich oder 400 mg wöchentlich). Täglich wurden Abstriche im Genitalbereich durchgeführt, die mittels einer Polymerase-Kettenreaktion auf HSV-2 untersucht wurden. Zusätzlich führten die Probanden ein Tagebuch, in dem die Symptome im Genitalbereich festgehalten wurden. Primärer Studienendpunkt war der Anteil der genitalen Herpes-simplex-Virenausscheidung (viral shedding). Die Auswertung der Ergebnisse führte zu folgender Kernaussage: Die Einnahme von Pritelivir führte dosisabhängig zu einer deutlichen Reduktion der Virusausscheidung. Die Ergebnisse im Einzelnen:

  • Bei den Teilnehmern der Placebogruppe wurde an 16,6% der Tage eine HS-Virenausscheidung festgestellt; bei den Teilnehmern, die täglich mit 5, 25 und 75 mg Pritelivir behandelt wurden, wurde an 18,2%, 9,3% bzw. an 2,1% der Tage eine HS-Virenausscheidung festgestellt. Bei Patienten, die 400 mg wöchentlich erhielten, war dies an 5,3% der Tage der Fall.
  • Das relative Risiko einer HS-Virenausscheidung mit Pritelivir lag, verglichen mit Placebo, bei 1,11 mit täglich 5 mg, bei 0,57 mit täglich 25 mg, bei 0,13 mit täglich 75 mg und bei 0,32 mit wöchentlich 400 mg.
  • Der prozentuale Anteil der Tage, an denen genitale Läsionen auftraten, war ebenfalls erheblich reduziert: von 9,0% in der Placebogruppe auf 1,2% sowohl in der Gruppe, die mit täglich 75 mg Pritelivir behandelt wurde als auch in der Gruppe, die mit wöchentlich 400 mg Pritelivir behandelt wurde.
  • Die Anzahl unerwünschter Ereignisse war in allen Gruppen (Verum- und Placebogruppe) ähnlich, drei Probanden brachen die Studie aufgrund unerwünschter Wirkungen ab. Insgesamt war die Verträglichkeit gut.

Herpes genitalis

Erreger

Herpes-Infektionen im Genitalbereich werden zu 80-90% durch Herpes-simplex-Viren 2, zunehmend auch durch Herpes-simplex-Viren 1 hervorgerufen. Nach der Erstinfektion verbleiben die Viren lebenslang in den Nervenganglien und können durch Triggerfaktoren reaktiviert werden.

Übertragung

Die Übertragung erfolgt durch Haut- oder Schleimhautkontakt mit frischen Herpes-Läsionen.

Symptome

Bevorzugte Lokalisationen sind Eichel, Präputium, Schamlippen und die Analregion. Wenige Tage nach der Übertragung bilden sich an der Kontaktstelle kleine Bläschen, die einzeln oder in Gruppen auftreten. In der Regel platzen die Vesikel nach kurzer Zeit und hinterlassen dann flache Ulzerationen, die von dünnen Krusten bedeckt sind. Häufige Symptome sind Spannungsgefühl mit Schmerzen oder Juckreiz. Die benachbarten Lymphknoten können schmerzhaft geschwollen sein. Innerhalb von zwei Wochen sind die Läsionen meist abgeheilt, können aber erneut ausbrechen. Patienten mit Immundefekten (z.B. unter immunsuppressiven Medikamenten, HIV-Infizierte) neigen zu häufigeren Episoden und schwereren Verläufen.

Therapie

Mittel der Wahl sind Nucleosidanaloga wie Aciclovir, Valaciclovir und Famciclovir, die üblicherweise fünf Tage lang gegeben werden. Bei häufigen und schweren Rückfällen können auch längerfristige Behandlungen angezeigt sein.

Vorläufiger Entwicklungsstopp

Die US-Arzneimittelbehörde FDA verhängte im Mai 2013 einen vorläufigen Entwicklungsstopp, da im Tierversuch Toxizitäten aufgetreten waren. Affen, die extrem hohe Dosen (bis 1000 mg/kg!) erhalten hatten, entwickelten dermale und hämatologische Toxizitäten. Bis die Ursachen hierfür geklärt sind, ruht die klinische Entwicklung. 

Quelle

Wald A et al. Helicase-Primase inhibitor pritelivir for HSV-2 infection. N Engl J Med 2014; 370(3): 201–210.

Whitley R et al. A novel potential therapy for HSV. N Engl J Med 2014; 370(3): 273–274.

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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