INTERPHARM 2014 - Wirtschafts-Interpharm

Motor für mehr Wettbewerb?

Auswirkungen der freigegebenen OTC-Preise auf den Apothekenmarkt

lk | Was hat die Freigabe der OTC-Preise bewirkt? Führte die Freigabe des Preiskampfs in der Apotheke zu mehr oder weniger Wettbewerb? Mit dieser Frage beschäftigte sich auf der Wirtschafts-Interpharm Frank Weißenfeldt, Senior Manager beim Marktforschungsunternehmen IMS Health. Die Antwort fiel gespalten aus: Bei Versandapotheken ergibt sich eine schnellere Preisreaktion. In der Offizin-Apotheke zeigt sich der Preisrythmus stabiler. Aber: Nach wie vor lägen die Stärke der Offizin-Apotheke und ihre Zukunftschancen weniger im Preiswettbewerb als im direkten Kundenkontakt, „in Ihrer Freundlichkeit“.
Foto: DAZ / A. Schelbert / C. Hartlmaier
Frank Weißenfeldt, IMS Health

Zunächst befasste sich Weißenfeld mit der globalen Entwicklung: Das Wachstum des weltweiten Pharmamarkts hat sich laut Weißenfeldt deutlich abgekühlt. Ende der 90er Jahre lag das Wachstum des weltweiten Pharmamarkts noch bei rund 15 Prozent. Aktuell beträgt das Wachstum des globalen Apotheken- und Klinikmarkts nur noch zwei bis vier Prozent. Triebfeder des Wachstums sind heute die sogenannten ,,BRIC-Länder“ (Brasilien, Russland, lndien und die VR China) und weitere bevölkerungsreiche Länder wie die Türkei.

Auch das Wachstum des weltweiten OTC-Markts werde bestimmt durch die Wachstumsregionen Lateinamerika, Osteuropa, China und weitere ostasiatische Märkte. Der Fokus global agierender OTC-Arzneimittel- und Kosmetik-Unternehmen verschiebe sich daher auf diese Regionen.

Und wie sieht es auf dem Heimatmarkt Deutschland aus? Getrieben durch eine starke Grippe- und Erkältungssaison im Laufe des letzten Jahres wuchs auch der Umsatz im OTC-Apothekenmarkt wieder spürbar. Wachstumsimpulse kamen aber auch aus dem Bereich der Nahrungsergänzungsmittel, Naturarzneimittel sowie hochwertiger Kosmetikprodukte (Anti-Aging-, Anti-Pigment-Produkte).

Versand von OTC-Produkten

Der Versandhandelsanteil habe sich inzwischen im OTC-Segment bei bis zu 12 Prozent nach Wert eingependelt. Eine ausgesprochen versandhandelsaffine Warengruppe sind laut Weißenfeldt Herz- und Kreislauf-Mittel mit vielen Dauerverwendern. Relativ niedrig sei der Versandhandelsanteil hingegen bei OTC-Akut-Arzneimitteln. So liege der Versandhandelsanteil bei den Husten- und Erkältungsmitteln gerade einmal bei acht Prozent. Viele ,,Online-Shopper“ deckten sich jedoch inzwischen vor der Erkältungssaison ein und kauften Grippe- und Erkältungsmittel auf Vorrat.

Betrachte man die Preisentwicklung wichtiger Handelsformen, so stelle man fest, dass die Preise in der Offizin in der Regel „leicht aber kontinuierlich“ steigen, so Weißenfeldt. Etwas anders zeichne sich das Bild bei Versandapotheken. Weißenfeldt: „Während die Preise vieler starker Brands kontinuierlich steigen, sinkt das Preisniveau weniger stark nachgefragter OTC-Arzneimittel. Durchweg ist das Preisniveau im Versandhandel niedriger als bei den Vor-Ort-Apotheken.“

Verschiedene Preisniveaus

Das verschiedenartige Preisniveau in den Vor-Ort-Apotheken und bei den Versandapotheken basiere insbesondere auf einem unterschiedlichen Kaufverhalten der ,,Offline- und Online-Shopper“. Wahrend der typische Kunde einer Versandapotheke grundsätzlich zu den ,,Schnäppchenjägern“ zähle und vor dem Kauf die Preise der Anbieter vergleiche, erwarte der Kunde in der Vor-Ort-Apotheke „vor allem eine kompetente Beratung“.

Studien von IMS Health zeigten darüber hinaus immer wieder, dass das Preisniveau in der Apotheke, bei den Versandapotheken und in den Drogeriemärkten nicht nur unterschiedlich hoch sei, sondern dass die Kunden auch unterschiedlich auf Preisanreize reagierten. Insbesondere in den Drogeriemärkten gerieten auch starke Marken schnell unter Druck. Weißenfeldt: „Dort stehen die Produkte namhafter Hersteller in den Regalen direkt neben den zum Teil deutlich günstigeren Handelsmarken.“

In der Apotheke sei das nicht der Fall. Hier könnten Marken und Apotheken voneinander profitieren: „Starke Apotheker brauchen starke Marken – die OTC-Hersteller brauchen aber auch starke Apotheker“. Preisdaten auf Handelsformebene aus den Apotheken zeigten, dass es im deutschen Apothekenmarkt keine generelle Preis-Abwärtsspirale gebe. Vielmehr könnten sich Apotheker über Qualität und Beratung besser gegenüber dem Wettbewerb abgrenzen.

Zum Abschluss hatte Weißenfeldt noch ein paar Tipps zur Hand: Es sei ein Irrtum, dass der Apothekenkunde in der Offizin Geld sparen wolle. Der zweite Irrtum sei, dass Apothekenkunden keine Zeit hätten. „Aber warum ist die Verweildauer von Kunden in einer Tankstelle immer noch länger als in einer Apotheke? Ich verstehe nicht, was in einer Tankstelle interessanter sein soll als in einer Apotheke!“, fragte Weißenfeldt. Darauf müsse der Apotheker mit seinem Verhalten reagieren.

Schnäppchenjägern könne und müsse man „Grenzen ziehen“. Dazu müsse der Apothekeninhaber sein Team einbeziehen und immer wieder Verkaufssituationen trainieren. Und vor allem: „Bleiben Sie immer freundlich gegenüber jedem Kunden, auch wenn er mal nervt.“ Weißenfeldt: „Die Stärke der Apotheke ist und bleibt die Freundlichkeit.“ Dann sei ihm auch um die Zukunft der Apotheke nicht bange: „Die Zukunft ist zwar nicht rosarot, aber sie bietet Perspektiven.“ Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und einer zunehmend medienkompetenten Kundschaft müsse sich die Apotheke positionieren und differenzieren und so stärker als eigenständige Marke auftreten. Weißenfeldt: „Da gibt es noch viel zu tun. Da sind Apotheken noch längst nicht so weit wie andere Handelsformen, zum Beispiel Automobilindustrie oder Lebensmittelhandel.“

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