INTERPHARM 2014 - Hormone

Inkretinbasierte Therapien für die Zukunft

Diabetes und die Rolle der gastrointestinalen Peptid-Hormone

hb | Inhibitoren der Dipeptidylpeptidase 4 (DPP 4) sind relativ neue Ansätze in der Therapie des Typ-2-Diabetes, haben sich aber bereits zu Blockbustern entwickelt. Prof. Dr. Henning Blume, Bad Homburg, befasste sich in seinem Vortrag mit den Peptid-Hormonen GLP-1 und GIP und dem Wirkmechanismus der DPP-4-Inhibitoren.
Foto: DAZ / A. Schelbert / C. Hartlmaier
Prof. Dr. Henning Blume

Derzeit sind die DPP-4-Inhibitoren Saxagliptin, Sitagliptin, Vildagliptin und Linagliptin als orale Zubereitungen im Handel, Sitagliptin und Vildagliptin auch in Kombinationspräparaten mit Metformin. Blume hält die Zusammenfassung der Wirkstoffe in einer Gruppe für „unglücklich“, da sich die Gliptine aus medizinisch-chemischer Sicht teils deutlich unterscheiden.

Die Substanzen beeinflussen die Glucose-Homöostase quasi indirekt: Nach einer Mahlzeit und dem damit einhergehenden Anstieg der Blutglucose werden die Peptidhormone Glucagon-like peptide (GLP-1) und Glucose-dependent insulinotropic Peptide (GIP) (Inkretine) in die Blutzirkulation ausgeschüttet. GIP wird von K-Zellen im Antrum und Zwölffingerdarm sezerniert und GLP-1 von L-Zellen am Ende des Dünndarms und am Anfang des Dickdarms. Sie regeln die Aufenthaltsdauer von Speisen im Magen und den anschließenden Transit durch den Magen-Darm-Trakt und bereiten über die Auslösung der Insulin-Antwort die Nahrungsverwertung nach der Resorption vor. Die Insulinsekretion der Beta-Zellen wird erhöht und die Ausscheidung von Glucagon durch die Alpha-Zellen des Pankreas gedrosselt. Außerdem steuern sie über zentrale Effekte das Hunger- bzw. Sättigungsgefühl. Die Effekte der Inkretine treten nur ein, wenn der Blutzucker normal oder erhöht ist. Deshalb lösen sie tendenziell weniger Hypoglykämien aus als Insuline oder Sulfonylharnstoffe.

„Als Pharmazeut sollte man nicht von ‚Gliptinen‘ sprechen, sondern von DPP-4-Inhibitoren. Sie sind chemisch völlig unterschiedlich und der GB-A saugt das auf, um sie alle in eine Gruppe zu werfen und zu sagen, das ist doch alles das Gleiche.“

Prof. Dr. Henning Blume

Glucoseabhängig die Insulinausschüttung stimulieren

Unter dem Inkretineffekt ist die GLP-1-und GIP-induzierte Steigerung der Insulinsekretion bei oraler Gabe von Glucose im Vergleich zur i.v.-Applikation zu verstehen. Bei gleichen Blutzuckerspiegeln wird nach intravenöser Injektion von Glucose – bedingt durch den fehlenden Einfluss von GLP-1 und GIP – deutlich weniger Insulin ausgeschüttet als nach oraler Zufuhr. Abhängig von der Menge an Glucose werden 50 bis 70% des postprandial ausgeschütteten Insulins auf diesen Mechanismus zurückgeführt.

GLP-1 und GIP werden durch die Dipeptidylpeptidase 4 (DPP 4) rasch zu inaktiven Metaboliten abgebaut, und genau hier setzen die Gliptine an. Indem sie DPP 4 hemmen, verlängern sie die Halbwertszeit und Wirkdauer der Inkretine und steigern damit den Inkretineffekt. DPP 4 ist im Organismus ubiquitär vorhanden, unter anderem auch in intestinalen Epithelzellen. Durch proteolytische Spaltung entsteht eine lösliche Form, die im Plasma zirkuliert. Deshalb stellt sich die Frage, ob die Effekte direkt nach der Sekretion über systemisches DPP 4 oder über die DPP 4 am Darm-Endothel ausgelöst werden. Aufschluss hierüber gaben systematische Studien an Mäusen. Bei Verabreichung geringer Mengen an Inhibitor zeigte sich im Plasma noch keine Hemmung der DPP-4-Aktivität, wohl aber an der membranständigen DPP 4. Dies konnte durch die glykämische Kontrolle verifiziert werden. Die Wirkung der DPP-4-Inhibitoren wird demnach nicht humoral vermittelt.Zwar haben sich Inkretin-basierte Therapien des Typ-2-Diabetes fest etabliert, aber viele Fragen bleiben noch offen, etwa ob sich die Sicherheit auch bei langer Anwendung bestätigt, ob wirklich ein Pankreatitis-Risiko besteht, ob die Hinweise auf eine Zellregeneration konkretisiert werden und kardioprotektive Effekte weiter gestützt werden können. 

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