- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 13/2014
- Fragen und Antworten zur ...
DAZ aktuell
Fragen und Antworten zur ApBetrO
Empfehlungen zur Beratung bei freiverkäuflichen Arzneimitteln und der Parenteraliaherstellung
Im FAQ-Papier, das sich mit der gesamten Apothekenbetriebsordnung befasst, sind die Änderungen überschaubar. Einige Fragen zur räumlichen Ausgestaltung der Apotheke, der Beratungspflicht sowie zur Rezeptur sind nun neu gestellt oder umfassender beantwortet. Am bemerkenswertesten ist wohl die Klarstellung, dass sich die Beratungspflicht des Apothekers auch auf freiverkäufliche Arzneimittel bezieht. Die in § 20 Abs. 1 ApBetrO vorgeschriebene Verpflichtung zur aktiven Beratung erstrecke sich auf alle in der Apotheke abgegebenen Arzneimittel, heißt es unter dem ganz neuen Punkt 46 des FAQ-Papiers. Die Apothekenbetriebsordnung unterscheide nicht zwischen freiverkäuflichen und apotheken- oder verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. In der Apotheke müsse daher „auch die Beratung zu freiverkäuflichen Arzneimitteln gewährleistet sein und durch einen approbierten Apotheker oder (nach entsprechenden Festlegungen) durch pharmazeutisches Personal erfolgen“. Offenbar hatte es in diesem Punkt bei einigen Apotheken Unklarheiten gegeben. Dr. Michael Hiob vom schleswig-holsteinischen Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung und derzeitiger AATB-Vorsitzender, berichtete, bei Apothekenrevisionen seien immer wieder Diskussionen aufgetreten, inwieweit auch die Beratung bei freiverkäuflichen Arzneimitteln durch das QM-System abgedeckt sein müsse. Die AATB habe sich daher zu dieser Klarstellung entschieden. (Eine andere Meinung zu dieser Frage finden Sie im nachfolgenden Kasten.)
Beratungspflicht bei freiverkäuflichen Arzneimitteln?
jz | Nach Meinung der Länderarbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AG AATB) erstreckt sich die apothekerliche Beratungspflicht auch auf in der Apotheke angebotene freiverkäufliche Arzneimittel. Doch diese Meinung ist durchaus umstritten.
Eine andere Rechtsauffassung vertritt etwa Dr. Timo Kieser. In einem Beitrag der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Arzneimittel&Recht“ (1/14) beschäftigt sich der Rechtsanwalt ausführlich mit dieser Frage. Im Gegensatz zur AG AATB kommt er zu dem Ergebnis, dass § 20 ApBetrO keine Beratungspflicht für freiverkäufliche Arzneimittel normiert. Vielmehr gelte sie allein für Produkte, deren Abgabe ausschließlich Apotheken vorbehalten sei, also verschreibungspflichtige und apothekenpflichtige Arzneimittel sowie apothekenpflichtige Medizinprodukte. „Es wäre rechts- und verfassungswidrig, § 20 ApBetrO anders auszulegen“, konstatiert er in der A&R. Der Wortlaut des § 20 ApBetrO spreche zwar für die Annahme einer Beratungspflicht, führt Kieser aus – dort ist von einer Beratungspflicht für „Arzneimittel“ die Rede. Die Systematik der ApBetrO und ihrer Regelungen zur Beratung sowie der Sinn und Zweck der Vorschriften unter Berücksichtigung einschlägiger Rechtsprechung sprächen allerdings dagegen. So schreibt § 17 Abs. 1a ApBetrO unter anderem vor, dass Arzneimittel „nur durch pharmazeutisches Personal ausgehändigt werden“ dürfen.
Typischer Fall der Aushändigung sei die Übergabe einer Arzneimittelpackung, erklärt Kieser. Eine solche finde aber bei freiverkäuflichen Arzneimitteln nicht statt – vielmehr nehme sich der Kunde die Packungen aus den Regalen im Freiwahlbereich im Wege der Selbstbedienung. Mangels Aushändigung müsse pharmazeutisches Personal daher nicht involviert sein. Kieser hält dieses Verständnis für verfassungsrechtlich zwingend – wegen des Gleichheitsgrundsatzes. Das Bundesverfassungsgericht habe 1987 in einem Beschluss ausgeführt, dass der Normgeber sich dazu entschieden habe, Arzneimittel nicht generell der Apothekenpflicht zu unterwerfen. Apotheken dürften daher im Vergleich zu Einzelhändlern und Drogisten nicht anders behandelt werden, weil zwischen beiden Gruppen keine gravierenden Unterschiede bestünden. Zudem führte das Gericht 2003 in einem Beschluss aus, dass der Gesetzgeber – als er für einige Arzneimittel Ausnahmen von der Apothekenpflicht zuließ (§§ 43 ff. AMG) – anerkannt habe, dass der Beratungsbedarf je nach Abnehmer und Arzneimittel unterschiedlich sei. Diese Entscheidung in einem formellen Parlamentsgesetz wie dem Arzneimittelgesetz könne, so Kieser, letztlich nicht einfach durch eine Rechtsverordnung wie der ApBetrO durch die „Hintertür“ unterlaufen werden.
Beschaffenheit der Räume
Im Zusammenhang mit § 4 ApBetrO – der Norm, in der es um Beschaffenheit, Größe und Einrichtung der Betriebsräume geht – wurden einige Antworten auf schon bestehende Fragen umformuliert. So bleibt es beispielsweise dabei, dass die Aufsicht auch Vorgaben zum Umfang und der Platzierung des Nebensortiments machen kann (Nr. 16). Die etwas saloppe Formulierung des ersten FAQ-Papiers, ein „eventueller Hindernislauf“ der Patienten wäre mit den neuen Vorgaben zur Gestaltung der Offizin nicht in Einklang zu bringen, ist hingegen entfallen. Stattdessen heißt es nun, der Apothekenverkaufsraum müsse so gestaltet sein, dass der Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrags nicht beeinträchtigt wird und für die dort ausgeübten wesentlichen Aufgaben – insbesondere die Beratung – genügend Raum bleibt.
Ausgeweitet wurde auch eine Frage, die Apotheken mit Großhandelserlaubnis betrifft (Nr. 11): Ein separater Raum für die Großhandelstätigkeit ist auf jeden Fall nötig – aber auch ein separater Zugang zu diesem von außen? Das neue FAQ-Papier sagt: Ja, wenn „die Benutzung der Zugänge zu den Apothekenbetriebsräumen eine Beeinträchtigung des Apothekenbetriebs zur Folge hätte“. Insbesondere die Auswirkungen auf die vertrauliche Beratung, die Hygiene, das zur Verfügung stehende Personal oder unterschiedliche Zugangsberechtigungen seien zu prüfen. Keine Änderungen gibt es übrigens im Punkt der Barrierefreiheit – hier bleibt die Arbeitsgruppe bei ihren bisherigen Ausführungen zum Verständnis der Soll-Regelung und dem Spannungsverhältnis zum Denkmalschutz.Neu eingeschätzt werden weiterhin Außenboxen, die der Großhandel für die Anlieferung außerhalb der Öffnungszeiten nutzt (Nr. 20). Während diese im ersten FAQ-Papier als unzulässige Ausnahme von der Raumeinheit abgelehnt wurden, will die AATB nun eine Einzelfallbetrachtung zulassen – auch hier zeigte sich laut Dr. Hiob in der Praxis Bedarf. Organisatorische und im QMS verankerte Maßnahmen können nun ausreichend sein. So müssen etwa die geforderten Lagertemperaturen in der Außenbox eingehalten werden und ein Zugriff Unbefugter sicher ausgeschlossen sein.
Rezeptur und Defektur
Einen neuen Punkt enthält das Papier zudem zur Rezepturherstellung – § 7 Abs. 1b ApBetrO (Nr. 29): Welche Fragestellungen soll die Plausibilitätsprüfung umfassen? In der Antwort aufgeführt sind pharmakologische, regulatorische, galenische, mikrobiologisch-chemische und personenbezogenen Fragestellungen. Ebenfalls neu ist eine Frage, ob von in der Apotheke hergestellten Ausgangsstoffen die Qualität vor der Herstellung von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln festzustellen ist (Nr. 37). Ja, sagt die AATB. Zwar seien sie dem Gesetz nach weder Rezeptur- noch Defekturarzneimittel – dennoch müsse die ordnungsgemäße Qualität dieser Ausgangsstoffe festgestellt werden. Es wird empfohlen, diese wie Defekturarzneimittel zu behandeln. Eine Abwandlung hat auch die Antwort auf die Frage zur erforderlichen Qualität von Kosmetika, die zur Herstellung von Rezepturen oder Defekturen verwendet werden, erfahren (Nr. 36). Weiterhin ist ein Prüfzertifikat vonnöten und die Identität festzustellen – und das ist Sache des Herstellers. Während es vor einem Jahr noch hieß, dies werde in der Regel dazu führen, „dass entsprechende Rezepturen nicht hergestellt werden dürfen“, heißt es im neuen FAQ-Papier, dass viele Hersteller „inzwischen chargenbezogene Analysenprotokolle mit der Freigabe durch eine sachkundige Person und Vorschriften zur Identitätsprüfung“ zur Verfügung stellten.
FAQ zu § 35 ApBetrO
Eine gesonderte Projektgruppe mit Vertretern aus etwa der Hälfte der Bundesländer hat sich überdies Gedanken gemacht, welche Fragen bei der Umsetzung des § 35 ApBetrO auftreten können – also bei der Herstellung von Parenteralia, die im Endbehältnis sterilisiert oder in aseptischer Arbeitsweise hergestellt werden. Seit 2012 gelten hier strenge Anforderungen – und das für alle patientenindividuell hergestellten parenteralen Zubereitungen, auch für das Abfüllen von Schmerzpumpen. Während im FAQ-Papier von 2013 nur vier von 56 Fragen die neue Norm betrafen, sind es nun 28 Fragen in einem separaten 19-seitigen Dokument.
Wie die Verfasser eingangs erklären, gibt das Papier neben Antworten auf häufige Fragen zur Auslegung des § 35 ApBetrO auch ergänzende Informationen über Grundlagen der Sterilherstellung von Arzneimitteln – diese zu kennen, könnte sowohl für den herstellenden Apotheker als auch für das Überwachungspersonal der Behörden von Bedeutung sein. Klargestellt wird auch, dass es sich nicht um pauschale Vorgaben handelt und die vorgestellten Grundsätze die Risikobeurteilung im Einzelfall nicht ersetzen. Jede Apotheke sei aufgefordert, die für den individuellen Prozess und die Prozessumgebung angemessenen Maßnahmen festzulegen und ihre Geeignetheit nachzuweisen, heißt es. Das FAQ-Papier will hier Lösungsansätze zeigen.
Mit den folgenden Fragen und Antworten dürfte nicht jeder zufrieden sein – auch nicht alle Arbeitsgruppenmitglieder sind es. Verunsicherung wünschen sich die Kritiker jedoch nicht. Für sie ist das oberste Ziel, dass die Vor-Ort-Versorgung gesichert bleibt. Es sollen sich nicht noch mehr Apotheken aus dem Geschäft zurückziehen und damit wenigen großen Herstellerbetrieben überlassen. So sieht es auch der Vizepräsident des Verbands der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA), Michael Marxen. Eine kurzfristige Patientenversorgung – etwa mit Schmerzpumpen – müsse weiterhin flächendeckend durch die Apotheken gewährleistet sein; ebenso die 100-prozentige Sterilität. Ob dazu eine Orientierung an Maßstäben nötig ist, die für die Industrie gelten, wie es das FAQ-Papier vermittelt, mag dahingestellt sein. Auch Apothekerin Dr. Annette Junker, die für Nordrhein-Westfalen in der Projektgruppe mitarbeitete, weist darauf hin, dass die Apotheken den Bedarf an individuellen Einzelrezepturen decken. Diese seien mit der industriellen Vorratsherstellung im Chargenmaßstab nicht vergleichbar. Aufgrund sich verändernder Patientendaten, wie Blutwerten unter Chemotherapie und/oder Schmerzzuständen bei Palliativpatienten seien sie vielfach ganz kurzfristig ortsnah herzustellen. Junker verweist auf eine unlängst durchgeführte Qualitätskontrolle bei 97 Krankenhaus- und öffentlichen Apotheken durch die Arzneimitteluntersuchungsstelle des Landeszentrums Gesundheit NRW. Diese habe erfreulicherweise gezeigt, dass es zu keinen Defiziten im Hinblick auf die Qualität gekommen ist. Auch Junker hofft, dass die Vor-Ort-Versorgung sich nicht weiter dezimiert. Dabei wird es aus ihrer Sicht helfen, dass das FAQ-Papier nun keine permanente Partikelzahlmessung fordert, die sicherzustellen für die Apotheken sehr teuer geworden wäre. Überdies lasse der FAQ-Katalog durch viele Konjunktiv-Formulierungen der Aufsicht gewisse Freiräume.
Die beiden neuen Papiere sollen ab sofort als Arbeitsgrundlage bzw. Handlungshilfe für die Apothekenüberwachung durch die Länder Berücksichtigung finden – das ist jedenfalls das Anliegen der AATB. Sie sollen hingegen keine Anforderungen definieren, die über die schon bestehenden Regelungen der Apothekenbetriebsordnung hinausgehen, so der AATB-Vorsitzende Dr. Hiob gegenüber der DAZ. Die Länder wollen auch auf diese Weise einen einheitlichen Vollzug sicherstellen. Letztlich wird der Aufsicht im konkreten Fall regelmäßig Ermessen einräumt.
Infos im Web
Beide FAQ-Papiere finden Sie hier zum Herunterladen:
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.