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Arzneimittel und Therapie
Biosimilars setzen sich durch
Strenge Zulassungsbedingungen – erhebliche Einsparungen im Gesundheitswesen
Derzeit sind 17 Biosimilar-Präparate mit fünf verschiedenen Wirkstoffen (Somatropin, Epoetin alpha und Epoetin zeta, Filgrastim, Follitropin alpha, Infliximab – Letzteres ist noch nicht verfügbar) von der EMA zugelassen. Weitere Wirkstoffe, vor allem monoklonale Antikörper, werden folgen. Aktuell läuft zwischen mehreren großen Pharmaunternehmen das Rennen um die schnellste Einführung des monoklonalen Antikörpers Rituximab. Nach welchen Kriterien Biosimilars bewertet werden können, erläuterte Dr. Hans-Peter Lipp, Tübingen, bei einer von der Hexal AG unterstützten Pressekonferenz am 2. Februar 2014 in Berlin.
Komplexe Bewertung
Biosimilars weisen eine Reihe von Besonderheiten auf. Aufgrund der biotechnologischen Herstellung und Spezifikationen wie Auswahl der Zelllinie, die Wahl der Produktionsanlage, Zusammensetzung der Nährsubstanz sowie Temperatur- und Druckverhältnisse etc. können Referenzprodukt und Biosimilar nicht vollständig identisch sein. Daher ist auch – im Gegensatz zu wirkstoffgleichen Generika – die Bewertung eines Biosimilars wesentlich komplexer. Da es sich um vergleichbare, aber nicht identische Produkte des Referenzarzneimittels handelt, spielen neben den Kosten die Qualität, das zugelassene Indikationsspektrum, klinische Endpunktstudien und die Pharmakovigilanz eine wichtige Rolle. Mit der sogenannten SOJA-Methode (Selection of Objectified Judgement Analysis) lassen sich Auswahl-Kriterien definieren, die den Besonderheiten der Biosimilars gerecht werden. Diese Kriterien umfassen das Spektrum zugelassener Indikationen, Formulierungen, Schwankungen der Bioverfügbarkeit, Nahrungseinflüsse, Interaktionen, die Häufigkeit der Dosierung, Daten zur Effektivität, klinische Endpunktstudien, das Nebenwirkungsspektrum, Dokumentation und Kosten.
Biosimilars
Biosimilars sind Nachfolgeprodukte von biotechnologisch hergestellten Arzneistoffen, deren Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gegenüber dem jeweiligen Referenzprodukt nachgewiesen wurde. Biosimilars werden mithilfe rekombinanter DNA-Technologie in einem mehrstufigen Prozess aus lebenden Zellen hergestellt und unterliegen natürlichen Schwankungen. Daher können auch Referenzprodukt und Biosimilar nie völlig identisch sein, das Profil muss hingegen vergleichbar sein.
Zulassungsverfahren
In Europa ist das Zulassungsverfahren für Biosimilars durch die EMA geregelt. Es basiert auf der vollen Vergleichbarkeit mit dem Referenzprodukt und einer Prüfung durch den Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP). Der Hersteller ist verpflichtet, Qualität, Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit nachzuweisen. Erforderlich sind
- präklinische Studien (Vergleichsuntersuchungen, 28-Tage-Toxizität)
- klinische Studien an gesunden Probanden (Pharmakokinetik und Pharmakodynamik)
- Vergleichsstudien zur Wirksamkeit im Zielkollektiv (Extrapolation auf andere Indikationsgebiete ist möglich)
- vergleichende Verträglichkeitsstudien im Zielkollektiv (Inzidenz von Nebenwirkungen und Immunogenität; 6 Monate Follow-up)
- Weitere Anforderungen nach Erteilung der Zulassung (Monitoring der Wirksamkeit in extrapolierten Indikationsgebieten; Pharmakovigilanzplan)
Zulassung
Eine Zulassung kann erst erfolgen, wenn das Referenzpräparat seinen Patentschutz verloren hat. Unternehmen, die Biosimilars entwickeln, können jedoch bereits vor Ablauf des Patents Studien, Versuche und weitere erforderliche Schritte unternehmen, um zeitnah nach dem Stichtag des Patentschutzverlustes mit ihrem Produkt an den Markt gehen zu können. Details zu zugelassenen Biosimilars sind in den Europäischen Öffentlichen Beurteilungsberichten (European Public Assessment Report; EPAR) einsehbar.
Substitution
Biosimilars, die aus der gleichen Produktionslinie stammen, aber unter verschiedenen Lizenzen und Präparatenamen von mehreren Herstellern vermarktet werden, sind untereinander substituierbar. Eine entsprechende Liste findet sich in Anlage 1 zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V zu § 4 Absatz 1 Buchstabe a.
Reduzierung von Kosten
Der Kostenfaktor ist nicht zu unterschätzen, da die Einführung von Biosimilars zu einer deutlichen Senkung der Arzneimittelkosten führt. So wurden in einer Studie des Berliner IGES-Instituts die Einsparpotenziale für die Wirkstoffgruppen Erythropoetin, Filgrastim und monoklonale Antikörper in acht europäischen Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Großbritannien, Rumänien, Schweden, Spanien) im Zeitraum von 2007 bis 2020 untersucht. Die Studie ergab, dass sich die aus der Modellrechnung abgeleiteten Einsparungen zwischen 11,8 Milliarden Euro und 33,4 Milliarden Euro bewegen – in Abhängigkeit von der Markteinführungsrate, der Markteintrittsgeschwindigkeit sowie dem Preisniveau der Biosimilars. Auch wenn diese Zahlen aus Modellrechnungen abgeleitet und noch nicht verifizierbar sind, so wird mit dem Patentablauf weiterer, vornehmlich in der Onkologie eingesetzter Biologika die Bedeutung von Biosimilars zunehmen.
Zum Weiterlesen
(K)ein Garant für Kostensenkungen? Der Patentablauf vieler Biopharmazeutika steht an – über die Folgen scheiden sich die Geister.
Quelle
Haustein R et al. Saving money in the European healthcare systems with biosimilars. Generics and Biosimilars Initiative Journal (GaBI Journal). 2012; 1(3-4): 120–126. doi: 10.5639/ gabij.2012.0103.036
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