Stomaversorgung

Leben mit dem Beutel

Beratung von Stomapatienten in der Apotheke

Von Sabine Werner | Die Zahl der Patienten mit einem künstlichen Darmausgang in Deutschland wird auf über 100.000 geschätzt. Ein Stoma kann permanent oder temporär zur vorübergehenden Entlastung einzelner Darmabschnitte angelegt werden. Man unterscheidet das Colostoma, bei dem das Ende des Dickdarms in der Bauchdecke fixiert wird, vom Ileostoma, ein künstlicher Ausgang direkt aus dem Dünndarm. Am häufigsten erfordern Karzinome des Dickdarms das Legen eines Stomas. Aber auch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder Dickdarmanomalien können eine Stomaanlage nötig machen.

Die Stomaversorgung besteht in der Regel aus einer ringförmigen Hautschutzplatte, die um das Stoma gelegt und auf der Haut fixiert wird sowie einem Beutel in dem der abgehende Stuhl aufgefangen wird. Bei einteiligen Systemen sind Hautschutzplatte und Beutel miteinander verbunden, sie werden als ganzes mehrmals täglich gewechselt. Zweiteilige Systeme bestehen aus einer Basisplatte, die im Schnitt drei Tage am Stoma verbleibt, und auswechselbaren Beuteln. Für festen und geformten Stuhl, wie er in der Regel vom Colostoma abgegeben wird, stehen geschlossene Beutel (Kolostomiebeutel) zur Verfügung. Die Ausscheidung erfolgt hier in der Regel zweimal täglich, so dass im Laufe des Tages zwei- bis dreimal der Beutel gewechselt werden muss. Austretende Gase werden durch einen in den Beutel eingebauten Filter geruchsfrei in die Umgebung abgegeben. Eine andere Möglichkeit ist die gezielte Auslösung der Stuhlentleerung durch Irrigation. In den ausscheidungsfreien Zeiten zwischen den Irrigationen reichen normalerweise Minibeutel oder Stomakappen aus. Aus dem Ileostoma, bei dem der Stuhl nicht im Dickdarm eingedickt werden kann, wird mehrmals am Tag breiiger bis dünnflüssiger Stuhl abgegeben. Hier werden oft offene Beutel (Ausstreifbeutel) eingesetzt, die am unteren Ende durch einen Clip verschlossen sind und bei Bedarf in die Toilette entleert werden können.

Schutz der peristomalen Haut

Eine besondere Herausforderung für den Stomaträger stellt die Pflege der peristomalen Haut dar. Diese Region wird permanent durch die Hautschutzplatte bedeckt, außerdem muss sie gut gegen die Ausscheidungen geschützt werden. Am wichtigsten ist die exakte Anpassung der Öffnung der Hautschutzplatte an das Stoma. Das Stoma darf durch die Platte nicht eingeengt werden, gleichzeitig darf kein Kontakt zwischen umgebender Haut und dem ausgeschiedenen Stuhl möglich sein. Als Hilfestellung bieten die meisten Hersteller Schablonen zum Zuschneiden der Öffnung an. Vor allem in den ersten Monaten sollte die Größe der Schablone wöchentlich kontrolliert und angepasst werden, da sich Größe und Form des Stomas verändern können.

Die empfohlene Tragezeit für Hautschutz- bzw. Basisplatte sollte nicht überschritten werden. Ein zu seltener Wechsel fördert das Auftreten von Hautirritationen. Beim Wechsel der Versorgung sind das Stoma und seine Umgebung mithilfe von Kompressen, Wasser und pH-neutraler Seife sanft von außen nach innen zu reinigen. Aus hygienischen Gründen sollten keine Waschlappen oder Schwämme verwendet werden. Auch Produkte aus Zellstoff sind ungünstig, da sie kleine Fasern oder Fuseln zurücklassen können. Wichtig ist dass keine rückfettenden Reinigungsmittel sowie keine herkömmlichen Lotionen und Cremes benutzt werden, da sie die Haftung der Hautschutzplatte herabsetzen können. Zur Pflege trockener Haut im peristomalen Bereich bieten die Hersteller der Stomaversorgung fettfreie, schnell einziehende Pflege- und Schutzcremes an. Vor dem Aufkleben der neuen Hautschutzplatte muss die Haut trocken sein. Liegt das Stoma in einer behaarten Region sollten die Haare regelmäßig rasiert werden, um ein Verkleben mit der Hautschutzplatte zu vermeiden. Von Enthaarungscremes ist abzuraten, da sie Allergien auslösen können.

Etwa die Hälfte aller Stomapatienten hat mit Hautreizungen unter der Hautschutzplatte zu kämpfen. Auch die leichteste Irritation sollte mit dem Arzt oder Stomatherapeuten besprochen werden, da sie schnell zu schwerwiegenden Komplikationen führen kann. Von den Herstellern der Stomaversorgungen stehen geeignete Produkte, z.B. Hautschutzsprays, zur Verfügung. Auch eine allergische Reaktion auf Klebstoffe oder andere Materialien der Stomaversorgung ist möglich. Wenn Hautirritationen durch Ausscheidungen hervorgerufen werden, die unter eine schlecht sitzende Hautschutzplatte eindringen, können mit speziellen Hautschutzpasten oder Hautschutzringen Unebenheiten der Haut ausgeglichen und eine bessere Haftung der Stomaversorgung erreicht werden. Beutelbezüge aus Baumwolle oder Vlies können eine Reizung durch die Kunststoffoberfläche der Beutel verhindern.

Ernährung: erlaubt ist, was gut tut

Grundsätzlich dürfen Stomapatienten alles essen was sie vertragen. Die Nahrung sollte ausgewogen zusammengesetzt, möglichst fett- und zuckerarm, dafür eiweißreich sein. Da jeder Patient unterschiedlich auf Nahrungsmittel reagiert, empfiehlt es sich, ein Ernährungstagebuch zu führen, um individuelle Unverträglichkeiten zu erkennen. Grundsätzlich gilt: Je weniger vom Darm erhalten ist, desto mehr wird die Stuhlkonsistenz von der Nahrung beeinflusst. Die Tabelle gibt einen Überblick über Nahrungsmittel die eine laxierende oder obstipierende Wirkung haben können. Das Auftreten von Blähungen und unangenehmen Gerüchen kann ebenfalls durch das Meiden der entsprechenden Nahrungsmittel reduziert werden (s. Tab.). Gerüche werden zwar durch die Aktivkohlefilter der Stomabeutel zum Großteil absorbiert, doch die Geräusche der abgehenden Darmgase können für die Umgebung hörbar sein. Bei Blähungen kann zu den bekannten Klassikern unter den Carminativa, Fenchel, Anis und Kümmel gegriffen werden.

Grundsätzlich kann durch regelmäßige Mahlzeiten auch die regelmäßige Entleerung eines Stomas erreicht werden. Vorteilhaft sind fünf bis sechs kleine statt zwei oder drei großen Mahlzeiten. Wichtig ist es, die Nahrung gut zu kauen, da im Mund nicht nur die mechanische Zerkleinerung stattfindet, sondern auch die ersten Kohlenhydrate gespalten werden. Bei Neigung zu Diarrhö sollte mit den Mahlzeiten nicht zu viel Flüssigkeit aufgenommen werden, damit die Darmpassage möglichst langsam verläuft und viel Wasser und Nährstoffe resorbiert werden können. Insgesamt sollte aber auf eine ausreichende Trinkmenge von zwei bis drei Litern pro Tag geachtet werden. Vor allem beim Ileostoma besteht die Gefahr, dass zu viel Wasser und Mineralstoffe verloren gehen. Der Flüssigkeitshaushalt des Körpers sollte daher regelmäßig kontrolliert und Mineralstoffe gegebenenfalls zugeführt werden. Auch auf andere Mangelerscheinungen muss geachtet werden, so kann zum Beispiel unter einem Ileostoma die Resorption von Vitamin B12 oder Gallensäuren im unteren Dünndarm beeinträchtigt sein. Ein wichtiger Hinweis ist auch, dass Medikamente, die erst in späten Abschnitten des Dünndarms resorbiert werden, in ihrer Resorption beeinträchtigt werden können. Beispielhaft sind hier die oralen Kontrazeptiva zu nennen. Auch die Wirkstoffaufnahme aus retardierten Arzneiformen kann im Vergleich zum gesunden Darm vermindert sein.

Mit Stoma unterwegs

Viele Stomaträger befürchten anfangs, das Stoma könnte von Außenstehenden bemerkt werden und zu Ablehnung führen. Die moderne dezente Stomaversorgung fällt unter normaler Kleidung jedoch nicht auf. Verschiedene Hersteller bieten zusätzlich spezielle Unterwäsche, Gürtel und auch Bademode an, die den Stomabeutel sowohl kaschiert als auch fixiert. Unbeschwertes Reisen ist möglich, wenn Stomapatienten einige Grundregeln beachten:

  • Zur Reinigung des Stomas sollte stets Trinkwasser verwendet werden – ist das Leitungswasser hygienisch bedenklich, muss auf abgepacktes Trinkwasser zurückgegriffen werden.

  • Bei vermehrter Schweißbildung, sowohl durch Sport als auch in wärmerem Klima, reduziert sich die Tragedauer der Hautschutzplatten, da die Haftkraft reduziert wird. Ein entsprechend großer Vorrat sollte also mitgeführt werden.

  • Ein hilfreicher Hinweis ist auch, dass Stomapatienten berechtigt sind, sich einen in weiten Teilen Europas passenden WC-Schlüssel für Behindertentoiletten zu bestellen (www.cbf-da.de), so dass auch unterwegs ein unkomplizierter und hygienischer Wechsel der Stomaversorgung möglich ist. 

Literatur:

Wiesinger G, Stoll-Salzer E: Stoma- und Kontinenzberatung, Thieme-Verlag Stuttgart, 2012

Gruber G: Stomapflege, Pro Care 10/2008, Springer Verlag, Wien

Gruber G: Parastomale Hautprobleme – Fistel- und Wundversorgung, Forum Onkologische Pflege 3, September 2013

Gruber G: Bewegung, Sport und Reisen, Forum Onkologische Pflege 1, März 2012

Leitlinie der Fachgesellschaft Stoma, Kontinenz und Wunde e.V. zur Stomaversorgung (August 2011)

Div. Herstellerinformationen

Autorin

Dr. Sabine Werner studierte Pharmazie in München und Berlin. Nach ihrer Promotion arbeitete sie in einer Krankenhausapotheke in Tansania. Neben ihrer Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke unterrichtet sie an der Berufsfachschule für Pharmazeutisch-technische Assistenten in München.

Apothekerin Dr. Sabine Werner; Berufsfachschule für PTA; Chiemgaustr. 116, 81549 München ,

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