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Arzneimittel und Therapie
Schon wieder Masern!
Höchste altersspezifische Inzidenz bei Kindern unter zwei Jahren
Nachdem die Meldung von Masernfällen in Deutschland als Folge einer erfreulich steigenden Impfquote seit Anfang dieses Jahrtausends stetig zurückging, beobachtet das Robert Koch-Institut (RKI) in den letzten Jahren eine fluktuierende Anzahl von lokal gehäuften Masernfällen mit teils länger anhaltenden Infektionsketten. Dies deutet darauf hin, dass sich Deutschland seit Jahren in einer sogenannten „Prä-Eliminationsphase“ ohne eine erkennbare Verbesserungstendenz hinsichtlich der angestrebten Inzidenz von < 1 Fall/1 Million Einwohner bewegt. Für dieses suboptimale, epidemiologische Bild sind zum Teil importierte Fälle, z.B. im Zusammenhang mit den großen Masern-Ausbrüchen in Frankreich 2008 bis 2011 oder im Vereinigten Königreich 2013 mitverantwortlich. Was die Masern-Fälle im Jahr 2013 allerdings besonders macht, ist die lang anhaltende Zirkulation einer einzigen Virusvariante, des Genotyps D8 in der Variante FM (D8-FM). Während frühere Masern-Ausbrüche überwiegend von Viren des Genotyps D4 verursacht wurden und lokal und zeitlich recht begrenzt waren, wurden D8-FM-Viren bei bereits 213 Fällen in über zwölf Bundesländern und über insgesamt 37 Wochen nachgewiesen. Sollte sich dieser Virus-Typ noch länger (> 12 Monate) in der Bevölkerung halten, muss von einer endemischen Zirkulation des Virus ausgegangen werden. Eine Tatsache, die das Ziel der WHO, bis 2015 die Masern in Europa auszurotten, in weite Ferne rücken lässt.
Die Schwächsten sind am meisten gefährdet
Dabei wäre es gar nicht so schwer, die Masern – ähnlich wie Pocken – weltweit auszurotten. Das scheint aber zunächst noch nicht möglich zu sein. Die Hauptleidtragenden sind die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft. Denn, wie ebenfalls im Epidemiologischen Bulletin nachzulesen, die höchste altersspezifische Inzidenz lag bei Kindern im 1. Lebensjahr und bei einjährigen Kindern. Bekanntlich kann erst ab einem Alter von elf Monaten gegen Masern geimpft werden. Vielfach erfolgen die Impfungen dann auch noch zu einem späteren Zeitpunkt als von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen (vor Ende des 2. Lebensjahres) [2]. Hinzu kommt, dass der Anteil der Mütter steigt, die ihren Säuglingen entweder gar keinen Nestschutz mitgeben können, da sie über keinerlei Immunität verfügen (Frauen ohne Impfung und ohne Masern-Anamnese), oder aber zu wenige Antikörper auf ihre Kinder übertragen. Man weiß mittlerweile, dass geimpfte und daher vor einer Infektion geschützte Mütter weniger zirkulierende Anti-Masern-Antikörper besitzen als Mütter, die an einer Masern-Infektion erkrankt waren. Zudem reduziert sich mit einer steigenden Durchimpfungsrate der natürliche Booster-Effekt bei den Müttern, da erfreulicherweise immer weniger Virus zirkuliert. Dies trägt dann jedoch zu niedrigeren maternalen Antikörper-Titern bei Säuglingen bei. Folglich hält die Leih-Immunität bei Kindern geimpfter Mütter im Mittel weniger lange an, so dass sich der Zeitraum von der Geburt bis zur ersten Masern-Impfung nicht voll überbrücken lässt. Dies gilt umso mehr, wenn die Impfung auch noch zu spät verabreicht wird. So erscheint es nicht verwunderlich, dass es bei Säuglingen bislang noch nicht zu einer so deutlichen Senkung der Masern-Inzidenz gekommen ist, wie dies in den höheren Altersgruppen der Fall ist.
Impfen: ja oder nein?
Impfkritiker könnten in diesen Zusammenhängen Argumente für ihre ablehnende Haltung gegenüber Impfungen sehen. Das wäre jedoch verheerend. Eine gute Durchimpfungsrate würde nicht nur für einen besseren Schutz der Säuglinge durch die Herdenimmunität sorgen, sondern auch die Übertragungsketten bei einem Masern-Ausbruch verkürzen. Momentan besteht die akute Gefahr, dass eine Masernvirus-Variante in Deutschland wieder endemisch zirkuliert. Das wäre ein massiver Rückschlag für die Masern-Eliminationsplänen der WHO und würde Deutschland deutlich hinter Länder des amerikanischen Kontinents platzieren, wo Masern bereits als ausgerottet gelten.
Quelle
[1] Aktuelle Epidemiologie und Impfquoten – Wer erkrankt in Deutschland an Masern? Epidemiol Bulletin des RKI 2013; 48, 485–491.
[2] Rieck T, Feig M et al. Vaccination coverage among children in Germany estimated by analysis of health insurance claims data. Hum Vaccin Immunother 2013; 10(2) (online).
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