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UniDAZ
Modernes Pharmaziestudium in Kanada
Betonung auf Klinischer Pharmazie und praktischer Ausbildung
Die Klinische Pharmazie wurde in Nordamerika seit den 1950er Jahren in den Apothekerberuf integriert. Hepler und Strand entwickelten ab 1990 das Konzept der Pharmazeutischen Betreuung und definierten die Rolle des Apothekers als Heilberufler [1]. Einige Studien dokumentieren die Entwicklung der Pharmazeutischen Praxis in den USA [2–4] und in Kanada [5]. Diese Veränderungen haben sich auch auf die Curricula des Pharmaziestudiums ausgewirkt (vgl. Tab. 1).
Vorreiter Montreal
Die Pharmazeutische Fakultät der Université de Montréal (Provinz Quebec) hat als erste in Kanada 2007 den akademischen Grad PharmD (Docteur en pharmacie) eingeführt. Die Universität Laval folgte 2011, und andere haben es vor (insgesamt gibt es zehn Pharmazeutische Fakultäten in Kanada). Wesentliche Unterschiede zum früheren Pharmaziestudium sind die Schwerpunktsetzung auf Pharmazeutische Betreuung und praxisnahen Unterricht sowie mehrere Praktika. Inzwischen fordern viele Krankenhäuser von Apothekern ebenso eine Promotion wie von Ärzten und Physiotherapeuten (entry level doctoral degree).
PharmD-Studium
Um an der Université de Montréal den Grad PharmD zu erhalten, ist ein vierjähriges Vollzeitstudium mit neun Trimestern und 161 Kredits erforderlich (164 Kredits sind möglich). Voraussetzung für die Zulassung ist eine andere universitäre Ausbildung oder ein natur- oder gesundheitswissenschaftliches Studium an einem College (2–3 Jahre; davor 11 Jahre Schule).
Das Studium umfasst sechs Module (Tab. 2). Hervorzuheben ist die Anleitung zum multidisziplinären, fächerübergreifenden und problemorientierten Lernen. Im zweiten und dritten Studienjahr bearbeiten Studierende aller Heilberufe aus unterschiedlichen Studienjahren gemeinsam in kleinen Gruppen jeweils einen Fall (Modul 4, ein Trimester). Die angehenden Apotheker evaluieren dabei die Pharmakotherapie nach Kriterien der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit und interpretieren die Laborwerte. Sie diskutieren die Ergebnisse mit den anderen Studierenden und erarbeiten einen Behandlungsplan. Dies fördert die Fähigkeit zur Teamarbeit und Kommunikation sowie die Anerkennung der speziellen Kompetenzen anderer Berufsgruppen und baut Vorbehalte ab.
Ferner müssen die Studierenden eine Aktion in einer Apotheke planen, organisieren und durchführen (Projektarbeit). Dies kann das Anleiten einer Patientenselbsthilfegruppe sein, ein Vortrag zu einem Gesundheitsthema, ein Projekt zur Prävention oder ein Informationstag über Impfungen.
Was nicht zum Studium gehört
Die Studierenden lernen die praktische Rezeptur und chemische Analyse nur ansatzweise bzw. gar nicht und haben keine Laborpraktika; auch die pharmazeutisch-biologische Ausbildung fehlt. Das liegt daran, dass kanadische Apotheken fast nur chemisch-synthetische Fertigpräparate abgeben; wenn einmal eine Rezeptur verordnet wird, beauftragen sie einen spezialisierten Apotheker mit der Anfertigung. Auch die Qualitätsprüfung der Ausgangsstoffe gehört nicht zum Arbeitsalltag von Apothekern in Kanada.
Didaktik im Studium
Die PharmD-Studierenden werden zu aktiver Partizipation animiert: Sie müssen sich anhand von Fragen auf die nächsten Unterrichtsveranstaltungen vorbereiten, diskutieren ihre Antworten oder lösen Fragestellungen in den Vorlesungen. Es werden auβerdem freiwillige Übungsstunden mit den Dozenten angeboten.
Alle Studierenden haben Zugang zum personalisierten Internetportal UGO der Pharmazeutischen Fakultät, wo die Inhalte aller Lehrveranstaltungen zu finden sind und mit dem in den Lehrveranstaltungen interaktiv gearbeitet wird. Zur Lernkontrolle dienen Klausuren, die per Computer mithilfe der Plattform ExamSoft® stattfinden.
In den Praktika erhalten die Studierenden eine 1-zu-1-Betreuung durch Apotheker – sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich. Dabei übernehmen sie Aufgaben und werden in der Mitte und am Ende des Praktikums evaluiert.
Welche Kompetenzen sind gefragt?
Zum PharmD-Studium gibt es eine Bewertungsleitlinie für alle Lehrveranstaltungen und Praktika nach Kompetenzen. Neun groβe Kompetenzen werden angestrebt, nämlich
- sechs allgemeine (fächerübergreifende) Kompetenzen: Professionalität; Kommunikation; Teamarbeit; wissenschaftliches und kritisches Denken; selbstständiges Lernen; Führungsqualitäten und
- drei spezielle Kompetenzen: Pharmazeutische Betreuung; Zusammenarbeit mit Kollegen und der Öffentlichkeit; Pharmazeutische Praxis.
Im dritten Studienjahr können die Studierenden (auβerhalb des Lehrplans) an einem Exzellenzprogramm teilnehmen; es besteht aus einem Kurs über die Grundprinzipien und Methoden der institutionellen Forschung und einem Forschungsprojekt im folgenden Sommer. Generell werden Studierende schon während des regulären Studiums an wissenschaftliches Arbeiten herangeführt und lernen, wie sie Informationsquellen nutzen und kritisch auswerten können.
Masterstudium „Fortgeschrittene Pharmakotherapie“
Dieses Aufbaustudium dauert 16 Monate oder vier Trimester, darunter ein Trimester mit Lehrveranstaltungen und drei Trimester mit Praktika in Pharmazeutischer Betreuung. Die MSc-Studierenden (genannt résident en pharmacie) sind jeweils an ein Universitätskrankenhaus gebunden und fertigen zum Schluss eine Masterarbeit zu einem klinischen Thema an. In der Provinz Quebec ist der M.Sc. en pharmacothérapie avancée, option établissement de santé meist Voraussetzung, um als Apotheker in einer Universitätskrankenhausapotheke zu arbeiten.
Positives Fazit
Die Apothekerkammer von Quebec (Ordre des pharmaciens du Québec), die die Approbationen erteilt (in Kanada gibt es kein Staatsexamen für Apotheker), hat die Einführung des PharmD-Studiengangs unterstützt, weil er besser den Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht: Denn die Gesellschaft braucht Apotheker, die sich nicht nur um die sichere Abgabe von Arzneimitteln und die Logistik kümmern, sondern auch ihre Patienten optimal betreuen. Allerdings war die Umsetzung des Curriculums anfangs nicht leicht, denn es mussten viel mehr Praktikumsplätze in öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken zur Verfügung gestellt werden als früher.
Doch das dürfte sich allmählich einspielen.
Info
Canada pharmacy review: www.gobookee.org/canada-pharmacy-review/
Literatur
[1] Hepler CD, Strand LM. Opportunities and responsibilities in pharmaceutical care. Am J Hosp Pharm 1990;47(3):533–43.
[2] Pedersen CA, Schneider PJ, Scheckelhoff DJ. ASHP national survey of pharmacy practice in hospital settings: Monitoring and patient education 2012. Am J Health Syst Pharm 2013;70(9):787–803.
[3] Pedersen CA, Schneider PJ, Scheckelhoff DJ. ASHP national survey of pharmacy practice in hospital settings: prescribing and transcribing – 2010. Am J Health Syst Pharm 2011;68(8):669–88.
[4] Pedersen CA, Schneider PJ, Scheckelhoff DJ. ASHP national survey of pharmacy practice in hospital settings: dispensing and administration – 2011. Am J Health Syst Pharm 2012;69(9):768–85.
[5] Hall K, Bussières J-F, et al. Hospital pharmacy in Canada 2011–2012.
Autorin
Freia Stöckel arbeitet in der Apotheke des Centre hospitalier universitaire (CHU) Sainte-Justine in Montreal (Direktor: J.-F. Bussières).
Kontakt:
Freia Stöckel, CHU Sainte-Justine/Reg06/SSSS;
freia.stockel.hsj@ssss.gouv.qc.ca
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