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Endspurt
Koalitionsvertrag: Einigkeit bei Gesundheit und Pflege
„Wer hätte gedacht, dass der Themenkomplex Gesundheit und Pflege der erste sein würde, der streitfrei geeinigt ist?“, freute sich Unions-Verhandlungsführer Jens Spahn (CDU), als er letzten Freitag mit seinem SPD-Gegenspieler Karl Lauterbach verkündete, die letzten offenen Punkte gelöst zu haben (siehe auch AZ 2013, Nr. 48, S. 1). „Das ist ein guter Kompromiss für beide Seiten“, so Spahn. Und auch Lauterbach zeigte sich zufrieden. Immerhin konnte er erreichen, dass die pauschalen Zusatzbeiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) jetzt Geschichte sind. Die von der SPD stets als ungerecht gegeißelte Kopfpauschale ist begraben.
Zusatzbeitrag künftig prozentual
Etwas erstaunlich ist die Freude über den Kompromiss aufseiten der SPD allerdings. Denn auch jetzt werden künftige Kostensteigerungen in der GKV allein den Arbeitnehmern aufgebürdet. Der allgemeine paritätisch finanzierte Beitragssatz wird bei 14,6 Prozent festgesetzt, der Arbeitgeberanteil bei 7,3 Prozent festgeschrieben. Derzeit bekommen die Kassen 15,5 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens – 0,9 Prozentpunkte hiervon werden bereits abseits der Parität von den Arbeitnehmern übernommen. Dieser Anteil soll nun zum „kassenindividuellen Zusatzbeitrag“ werden. Statt pauschal wird er allerdings einkommensabhängig erhoben – das ist für die SPD sicher ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit. Ein weiterer Unterschied zur bisherigen Prämie: Er wird nicht pro Mitglied, sondern nur für den Versicherten fällig. Letztlich können die Kassen den prozentualen Zusatzbeitrag nach eigenem Bedarf erhöhen und senken. Doch kann er viel weniger auffällig erhoben werden und ist damit für die Versicherten weniger deutlich spürbar als eine Pauschalprämie.
Kassen freuen sich auf neue Finanzautonomie
Das gefällt den Kassen weitaus besser als die kompliziert einzuziehenden pauschalen Zusatzbeiträge. Sie feiern die Einigung als Rückkehr in die Finanzautonomie. „Es ist gut für die gesetzliche Krankenversicherung, dass die Zusatzbürokratie zum Einzug des Zusatzbeitrages in Verbindung mit einem aufwendigen Sozialausgleich künftig wegfällt“, erklärte Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. In dem geplanten einkommensabhängigen Beitragsanteil sei der Sozialausgleich automatisch enthalten. So werde es künftig nicht mehr vom Finanzminister abhängen, ob genug Geld für den Sozialausgleich zur Verfügung stehe oder nicht. Die GKV-Chefin warnte die Politik, angesichts der aktuellen Überschüsse die Finanzbasis der gesetzlichen Krankenversicherung zu schwächen. Im Gesundheitskapitel des Koalitionsvertrages versprechen Union und SPD denn auch entgegenkommend: „Der Bundeszuschuss von 14 Milliarden Euro bleibt auch in Zukunft zur Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten.“
Auch Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) sprach von einem „guten Signal“. Den Krankenkassen werde nun wieder mehr Spielraum gegeben, die medizinische Versorgung ihrer Versicherten zu gestalten. Allerdings könne der Arbeitgeberbeitrag nicht dauerhaft festgeschrieben sein, sagte Elsner. Die DAK-Gesundheit – die bereits negative Erfahrungen mit Zusatzbeiträgen sammelte – ist mit dem gefundenen Kompromiss ebenfalls zufrieden. „Wenn die Krankenkassen ihre Beiträge jetzt wieder selbst kalkulieren können und die bisherigen Zusatzbeiträge abgeschafft werden, korrigiert die künftige Große Koalition eine politische Fehlentscheidung der Vergangenheit“, erklärten der Verwaltungsratsvorsitzende Hans Bender und der Vorstandsvorsitzende Herbert Rebscher.
Linke von SPD enttäuscht
Weniger euphorisch reagierte die Linke. Kathrin Vogler, Gesundheitsexpertin der Linksfraktion im Bundestag, kritisierte: „Die Interessen der Arbeitgeber haben in der Großen Koalition oberste Priorität.“ Der prozentuale Zusatzbeitrag ist für sie keine Lösung, sondern „der endgültige Ausstieg aus dem einheitlichen Beitragssatz“. Die Ungerechtigkeit in der Finanzierung der Krankenversicherung vergrößere sich. „Dieser Beschluss der Koalitionsrunde könnte von einer Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, wie sie die SPD einst gefordert hat, kaum weiter entfernt sein“, so die Bundestagsabgeordnete.
Es bleibt beim Mehr- und Fremdbesitzverbot
Insgesamt umfasst der Komplex Gesundheit und Pflege zwölf Seiten des Koalitionsvertrages. Die für die Apotheken relevanten Punkte haben sich in den letzten Verhandlungen nicht mehr verändert. Ihnen versprechen die mutmaßlichen künftigen Großkoalitionäre, dass sie an der Freiberuflichkeit, der inhabergeführten Apotheke und dem Mehr- und Fremdbesitzverbot festhalten wollen. Sie wollen aber auch Deutschem Apothekerverband und GKV-Spitzenverband die Aufgabe entziehen, sich auf eine Aut-idem-Ausnahmeliste zu einigen. Das soll stattdessen der Gemeinsame Bundesausschuss übernehmen. Am Honorar wird auch ein Stück geknapst: Union und SPD wollen gesetzlich klarstellen, dass der vereinbarte Erstattungsbetrag für neue Arzneimittel, die die frühe Nutzenbewertung durchlaufen haben, Grundlage für die Berechnung der Zu- und Abschläge in den Vertriebsstufen ist. Was das leidige Thema Rabattverträge betrifft, so sollen die Vertragspartner künftig beim Abschluss der Verträge „die Versorgungssicherheit gewährleisten, indem sie Maßnahmen gegen Lieferengpässe vereinbaren“. Dies gilt insbesondere für Impfstoffe. Eine Neuerung sehen die Koalitionsvereinbarungen zudem für die ambulante Notfallversorgung vor. Hier sollen künftig die Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenhäuser regelhaft kooperieren – und dabei auch den Notdienst der Apotheken einbeziehen.
Wenn der Koalitionsvertrag steht, geht es um die Verteilung der Ministerposten. Wer künftig im Bundesgesundheitsministerium sagt, wo es lang geht, war zu Redaktionsschluss weiterhin offen. Nach wie vor wird Ursula von der Leyen (CDU) gehandelt. Aber spätestens seit Philipp Rösler wissen wir, dass bei der Kabinettsbesetzung auch faustdicke Überraschungen möglich sind.
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