Arzneimittel und Therapie

Wenn das Fieber nicht fällt

Bei Fieber unklarer Genese ist stationäre Abklärung notwendig

In Gesellschaft mit Kopfschmerzen, Schluckbeschwerden, Husten und Schnupfen ist Fieber ein typisches Erkältungssymptom und mit Beginn der kühleren Jahreszeit ein häufiges Thema im Beratungsgespräch. Doch was kann empfohlen werden, wenn ein Patient berichtet, dass das Fieber nicht fällt oder immer neue Schübe kommen? Wir sprachen mit Prof. Dr. Martin Fleck, Chefarzt am Asklepios-Klinikum in Bad Abbach, Klinik und Poliklinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie.

Fieber ist bekanntermaßen keine Krankheit, sondern eine physiologische Reaktion auf exogene oder endogene Auslöser wie Bakterien und Viren, Medikamente oder Dehydratation. Für Fieber, dessen Ursache zunächst nicht gefunden werden kann, wurde erstmals Anfang der 1960er Jahre der Begriff Fieber unklarer Ursache (fever of unknown origin, kurz FUO) geprägt, später dann weitere Definitionen (z.B. HIV-assoziiertes FUO) entwickelt. Das klassische Fieber unklarer Ursache ist durch drei Kriterien charakterisiert:

  • Körpertemperatur > 38,3°C (oral oder rektal)
  • Dauer der Fieberperiode > drei Wochen
  • Abklärung erst nach mindestens drei ambulanten Arztkonsultationen bzw. dreitägiger stationärer Diagnostik.

DAZ: Herr Professor Fleck, wie häufig kommt das Fieber unklarer Genese vor?

Prof. Dr. Martin Fleck

Fleck: Leider gibt es dazu keine guten Zahlen. Der Grund dafür ist wohl, dass die meisten Fieberursachen rasch gefunden werden bzw. die Fieberreaktion sich von selbst bessert. Dadurch wird sie gar nicht systematisch erfasst und man kann daher nicht sagen, wieviel Prozent der Fieberreaktionen nicht geklärt werden – das ist ein methodisches Problem.

DAZ: Wenn das Fieber dann nach ausführlicher Diagnostik doch abgeklärt werden konnte – welche Ursachen werden gefunden?

Fleck: Früher waren Infektionen und Malignome die häufigsten FUO-Ursachen. Durch die neuen diagnostischen Möglichkeiten hat sich das etwas geändert. Wir können jetzt in den entwickelten Ländern Infektionen und Tumorerkrankungen viel besser nachweisen als vor 30, 40 Jahren. Deswegen sieht man beim Fieber unklarer Genese eine Verschiebung hin zu den Multisystem-Krankheiten, also den immunologischen und autoimmunologischen Erkrankungen.

DAZ: Wie geht man bei der Diagnostik vor?

Fleck: Eine gründliche stationäre Diagnostik ist unumgänglich; der wichtige Punkt dabei ist: In der Klinik kann zunächst sauber dokumentiert werden, ob wirklich eine Fieberreaktion vorliegt, denn das Fieber unklarer Genese beginnt ja laut Definition erst bei 38,3°C. Daran schließt sich eine mikrobiologische Diagnostik an. Dafür müssen zu verschiedenen Zeitpunkten Blutproben abgenommen werden, auch im Fieberanstieg. Dies ist während einer stationären Behandlung in einer Klinik ebenfalls gut möglich. Im Blut werden außerdem verschiedene Entzündungsparameter bestimmt sowie eine umfangreiche Labordiagnostik durchgeführt, auch eine Urindiagnostik ist selbstverständlich notwendig. Zur apparativen Basisdiagnostik gehören ein Röntgen-Thorax und der Ultraschall des Abdomens sowie des Herzens.

DAZ: Und wenn die Ursache damit noch immer nicht gefunden werden kann?

Fleck: Dann brauchen wir eine weiterführende Diagnostik, wobei hier Symptom-orientiert vorgegangen wird. Dominieren beispielsweise gastrointestinale Beschwerden, muss auch an eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung als FUO-Ursache gedacht werden, die häufig im Anfangsstadium klinisch inapparent verläuft.

Auch kann eine Knochenmarkpunktion zum Erfolg führen – wenn eine hämatologische Grunderkrankung, z.B. ein Lymphom, eine Leukose oder auch Infektionen wie eine Mykobakteriose vorliegen. Das bei einer Knochenmarkpunktion gewonnene Material muss deshalb sehr aufwändig vom Pathologen und Mikrobiologen untersucht werden. Sie sehen, bei FUO-Patienten ist eine interdisziplinäre Betreuung, eine gute Kooperation der verschiedenen Disziplinen, von großer Bedeutung.

Eine wichtige Methode, die uns schon oft weitergeholfen hat, ist die FDG-PET-Untersuchung, die Fluordesoxyglucose-Positronen-Emissions-Tomografie. Mit dieser Methode, die auf der Messung einer krankheitsbedingt erhöhten Glucose-Utilisation beruht, können Malignome, Infektionsherde oder Entzündungen der großen Gefäße (Vaskulitiden) gut sichtbar gemacht werden. Sie ist allerdings relativ teuer und mit einer Strahlenexposition verbunden. Auch lässt sich ihr Stellenwert bei der Abklärung des FUO noch nicht abschließend beurteilen. Dafür sind weitere prospektive Studien notwendig. Von besonderer Bedeutung ist auch die wiederholte körperliche Untersuchung des Patienten, weil z.B. wegweisende Krankheitszeichen erst im Verlauf einer Erkrankung auftreten können.

DAZ: Vermutlich wird sich ein Patient bei anhaltendem oder immer wiederkehrendem Fieber aber zunächst an seinen Hausarzt wenden …

Fleck: Dies ist sicherlich sinnvoll, da der Hausarzt die ersten diagnostischen Maßnahmen durchführen kann, z.B. eine Blutuntersuchung mit Bestimmung der Entzündungswerte. Wird allerdings der Verdacht auf ein Fieber unklarer Ursache bestätigt, ist eine stationäre Abklärung in einem Zentrum zu empfehlen. Wovon wir aber dringend abraten, ist eine „blinde“ antibiotische Behandlung oder die probatorische Gabe eines Cortisonpräparates. Denn damit kann die FUO-Ursache verschleiert und die weiterführende Diagnostik erschwert werden. Dies trifft aber nur auf immunkompetente Patienten zu. Tritt Fieber bei immunsupprimierten Patienten auf, muss unverzüglich eine kalkulierte antibiotische Behandlung eingeleitet werden.

DAZ: Worauf sollten Apotheker besonders im Zusammenhang mit dem Fieber achten?

Fleck: Wir haben in der Klinik immer wieder die Situation, dass Patienten mit Immundefekten lange Zeit unerkannt bleiben. Daher sollten Apothekerinnen und Apotheker solchen Patienten, die häufiger als drei-, viermal im Jahr Antibiotika benötigen, den Rat geben, sich ärztlicherseits auf einen Immundefekt prüfen zu lassen.

DAZ: Herr Professor Fleck, vielen Dank für das Gespräch. 

 

Das Interview führte Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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