Die Seite 3

Verflixte Liste

Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur der DAZ

Sie entwickelt sich so langsam zu einer unendlichen Geschichte, die so genannte Substitutionsausschluss-Liste. Diese soll festhalten, welche Arzneimittel nicht gegen ein Rabattvertragspräparat ausgetauscht werden dürfen. So sieht es das 5. Sozialgesetzbuch (SGB V) in Paragraf 129, Absatz1 vor. Dort steht, dass der Apotheker zur Abgabe des rabattbegünstigten Arzneimittels verpflichtet ist. Aber: „Im Rahmenvertrag nach Absatz 2 kann vereinbart werden, in welchen Fällen Arzneimittel nicht nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b ersetzt werden dürfen.“

Gesundheitspolitiker aller Fraktionen, der Gesundheitsausschuss des Bundestags und der (amtierende) Bundesgesundheitsminister haben die Selbstverwaltung, also GKV-Spitzenverband und DAV, mehrfach aufgefordert, endlich eine solche Vereinbarung zu treffen. Der DAV hat schon vor etlicher Zeit einen Vorschlag unterbreitet, der Wirkstoffe wie Antiepileptika, Lithium, Methotrexat, Phenprocoumon und Schilddrüsenhormone enthält – mit Sicherheit Wirkstoffe, bei denen tatsächlich äußerste Vorsicht geboten ist.

Eine Liste mit so wenigen Wirkstoffen ist aber auf keinen Fall ausreichend, das haben die Professoren Mutschler und Blume bereits im Juli in einem Interview mit der DAZ deutlich gemacht (DAZ 2013, Nr. 27, S. 28). Beide sind einhellig der Meinung, dass es der vereinten Kompetenz vieler Experten – von Pharmakologen, pharmazeutischen Technologen und Klinikern – bedarf, um zu beurteilen, wann eine Substitution problematisch ist und wann nicht. Vielleicht wäre es vor diesem Hintergrund keine schlechte Idee zu warten, bis die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) die bereits angekündigte Überarbeitung ihrer Leitlinie zur guten Substitutionspraxis vorlegt. Dann gäbe es eine fundierte Zusammenstellung einer unabhängigen wissenschaftlichen Gesellschaft, bei welchen Wirkstoffen und Darreichungsformen ein Austausch während einer Dauermedikation problematisch ist.

Vielleicht brauchen wir dann überhaupt keine von der GKV „abgesegnete“ Liste mehr. Die Apotheker könnten (weiterhin) pharmazeutische Bedenken anmelden und sich dabei auf eine wissenschaftlich fundierte Grundlage berufen.

Und eine große Gefahr der bisher vorgesehenen relativ eng gefassten Substitutionsausschluss-Liste wäre gebannt: dass pharmazeutische Bedenken nur noch bei den „Listen-Wirkstoffen“ anerkannt würden.

Denn das wäre dann echte „Listen-Medizin“. Und gegen eine solche sollten wir Apotheker uns genauso wehren, wie es die Ärzte auf ihrem Gebiet auch tun.

Dr. Benjamin Wessinger

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