Arzneimittel und Therapie

Regorafenib bei Kolorektalkarzinom

Neuer Multikinase-Inhibitor verbessert Prognose

Mit dem Multikinase-Inhibitor Regorafenib (Stivarga®) steht in der Europäischen Union seit dem 30. August 2013 eine neue, oral einzunehmende Option zur Behandlung des metastasierenden Kolorektalkarzinoms zur Verfügung. In der Zulassungsstudie wurde eine signifikante Verbesserung der Gesamt-Überlebenszeit und des progressionsfreien Überlebens beobachtet.

In den USA, Japan, Kanada, Israel und der Schweiz ist Regorafenib bereits zur Behandlung des metastasierenden Kolorektalkarzinoms (mCRC) nach Versagen von Standardtherapien verfügbar. Außerdem besitzt die Substanz in einigen Ländern eine Zulassung zur Therapie von gastrointestinalen Stromatumoren (GIST), die auch für Europa angestrebt wird, teilte die Bayer Pharma AG mit. Bereits vor der europäischen Zulassung war Regorafenib in die Konsensus-Behandlungsrichtlinien der ESMO (European Society für Medical Oncology) für das nicht-resektable mCRC aufgenommen worden.

Dickdarmkrebs: Gesetzliche Früherkennung

seit Oktober 2012 in Deutschland:

  • Alter 50 bis 54 Jahre: jährlich FOBT*
  • ab 55 Jahre: Koloskopie (bei unauffälligem Befund Wiederholung nach 10 Jahren), alternativ: zweijährig FOBT

* FOBT: fecal occult blood test

Präklinische Studien zeigten, dass Regorafenib mehrere Tyrosinkinasen des VEGF-Rezeptorsystems inhibiert, die eine Rolle bei der Tumorangiogenese spielen. „Die hohe Wirksamkeit von Regorafenib beruht darauf, dass der Wirkstoff den Tumor auf drei verschiedenen Wegen angreift“, erläutert Prof. Dr. med. Arndt Vogel von der Medizinischen Hochschule Hannover auf einer von der Bayer Pharma AG unterstützten Veranstaltung in Berlin. So hemmt der Wirkstoff nicht nur Kinasen, die eine essenzielle Rolle in den Signalwegen der Angiogenese spielen (VEGFR-1,-2, -3, TIE-2), sondern auch solche, die für die Onkogenese (KIT, RET, BRAF, BRAFV600E) und die Mikroumgebung des Tumors (FGFR-1, PDGFR-β) von wesentlicher Bedeutung sind.

Die Zulassung von Regorafenib basiert auf Ergebnissen der randomisierten zulassungsrelevanten Phase-III-Studie CORRECT (Colorectal cancer treated with regorafenib or placebo after failure of standard therapy). Darin waren Patienten eingeschlossen, bei denen eine Standardbehandlung (mit 5-FU, Oxaliplatin, Irinotecan, Bevacizumab sowie Cetuximab/Panitumumab bei Patienten mit KRas-Wildtyp) versagt hatte oder nicht vertragen wurde.

Dosierung von Regorafenib

  • Die empfohlene tägliche Dosis Regorafenib bei Erwachsenen beträgt 160 mg, das heißt vier Tabletten Stivarga®. Die Einnahme der Tabletten sollte unzerkaut mit Wasser nach einer fettarmen (<30% Fett) Mahlzeit jeweils zur gleichen Tageszeit erfolgen.
  • Ein Einnahmezyklus besteht aus vier Wochen. Drei Wochen lang werden die Tabletten in der empfohlenen Dosierung eingenommen, dann folgt eine Woche Einnahmepause. Die Behandlung wird nach Ermessen des Arztes so lange fortgesetzt, wie ein Nutzen besteht bzw. bis zum Auftreten einer inakzeptablen Toxizität.
  • Wurde eine Dosis ausgelassen, sollte der Patient sie am selben Tag einnehmen, sobald er dies bemerkt. Eine zusätzliche Dosis Regorafenib darf nicht eingenommen werden, weder nach Auslassen einer Dosis noch nach Erbrechen.

In 28-Tages-Zyklen erhielten 505 Patienten Regorafenib in einer Dosierung von 160 mg (Tag 1 bis 21) sowie eine bestmögliche unterstützende Behandlung (best supportive care [BSC] z.B. mit Antibiotika, Analgetika, Radiotherapie, Wachstumsfaktoren oder Transfusionen). 255 Studienteilnehmer erhielten Placebo plus BSC. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben (OS). Sekundäre Endpunkte umfassten das progressionsfreie Überleben (PFS), die objektive Gesamtansprechrate (ORR), die Krankheitskontrollrate (DCR) und die Sicherheit.Es zeigte sich eine signifikante Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens im Regorafenib-Arm gegenüber dem Placebo-Arm um 1,4 Monate (6,4 vs. 5,0 Monate). Dies entspricht einer Reduktion des Mortalitätsrisikos um 23%. Der Überlebensvorteil unter Regorafenib war unabhängig davon, ob ein KRas-Wildtyp oder eine Mutation dieses Gens vorlag. Regorafenib erwies sich darüber hinaus im medianen progressionsfreien Überleben (progression free survival, PFS) gegenüber Placebo signifikant überlegen, wobei es das Risiko für Progression oder Tod um 51% reduzierte.

Regorafenib

Nebenwirkungen vor allem zu Therapiebeginn

Nebenwirkungen von Regorafenib traten zumeist während der ersten beiden Behandlungszyklen auf. Häufigste arzneimittelbedingte unerwünschte Ereignisse vom Grad 3/4 waren Hand-Fuß-Hautreaktion (17%), Fatigue (9%), Hypertonie (7%), Diarrhö (7%) und Hautausschlag (6%). Die therapiebedingte Abbruchrate lag bei 8,2%, unter Placebo bei 1,2%. Die Lebensqualität der Patienten unter Regorafenib unterschied sich nicht signifikant von der bei Patienten unter Placebo beobachteten. Experten empfehlen, beim Auftreten von Nebenwirkungen so schnell wie möglich den Arzt zu informieren, damit dieser möglichst frühzeitig Maßnahmen einleiten und gegebenenfalls Dosisreduktionen oder eine Therapieunterbrechung vornehmen kann (siehe Tabelle).

Bedeutung der neuen Therapieoption

Die Überlebenszeit der Patienten mit mCRC hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten durch die Einführung von Kombinations- und zielgerichteten Therapien deutlich verbessert. Insgesamt liegt die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei Darmkrebs bei 55%, bei Patienten mit metastasierter Erkrankung (Stadium IV) – der mit Abstand größten Patientengruppe – jedoch bei rund 6%. „Von diesen Patienten kann man heute etwa jeden Fünften durch eine Komplettresektion der Leber- oder Lungenmetastasen kurativ behandeln, während bei den restlichen etwa 80% bisher nur eine palliative Therapie möglich war. Mit der Zulassung von Regorafenib wird diese Therapielücke nun geschlossen, den Patienten werden somit neue Perspektiven eröffnet“, erläutert Priv.-Doz. Dr. Ullrich Graeven, Mönchengladbach. 

Quelle

Fachinformation Stivarga®, Stand August 2013.

Schmoll HJ et al. ESMO Consensus Guidelines for management of patients with colon and rectal cancer. a personalized approach to clinical decision making. Ann Oncol 2012; 23: 2479–2516.

Grothey A et al. Regorafenib monotherapy for previously treated metastatic colorectal cancer (CORRECT): Lancet 2013, 381 (9863): 303–312.

 

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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