Praxis aktuell

GMP-konforme Wirkstoffe

Was tun, wenn zertifizierte Ware fehlt?

Manche Folgen der Neuerungen in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) werden erst langsam bei der Umsetzung deutlich. Dazu gehört die (Nicht-)Verwendbarkeit von Wirkstoffen, die nicht in GMP-konformer Qualität erhältlich sind. Dahinter steckt das noch viel größere Problem, dass die Wirkstoffsynthese weltweit auf wenige außereuropäische Betriebe konzentriert ist. Doch wie können Apotheker in Deutschland mit dieser Marktsituation und den Forderungen der ApBetrO umgehen?

Die Qualität der Ausgangsstoffe für Rezepturen wurde bereits vor der letzten Novellierung der ApBetrO diskutiert. Eine Frage dabei ist schon lange, ob und ggf. unter welchen Umständen Ausgangsstoffe eingesetzt werden können, die nicht als Arzneistoffe hergestellt wurden.

Die Spannweite reicht dabei von Chemikalien über Kosmetika bis zu hochwertigen Reagenzien in Analysequalität.

Rezepturgrundlagen

Bei den Kosmetika reicht das Spektrum von Massenware zweifelhafter Herkunft bis zu hochwertigen Produkten von renommierten Herstellern mit hohen dermopharmazeutischen Ansprüchen. Dabei geht es primär um Rezepturgrundlagen. Die Arbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AATB) führt dazu in ihrer Frage-und-Antwort-Sammlung zur neuen ApBetrO aus, die Qualität von Kosmetika sei durch Prüfzertifikate im Sinn von § 6 Absatz 3 zu belegen und die Identität sei nach § 11 Absatz 2 festzustellen. Dies führe in der Regel dazu, dass Rezepturen mit Kosmetikagrundlagen nicht hergestellt werden können. Es gibt jedoch auch Hersteller hochwertiger Produkte mit aussagekräftigen Prüfzertifikaten, die die erforderliche Qualität bescheinigen.

ApBetrO

§ 6 Absatz 3:

Die Prüfung der Arzneimittel kann unter Verantwortung des Apothekenleiters auch außerhalb der Apotheke erfolgen […] Die Ergebnisse aus dem Prüfzertifikat sind der Freigabe in der Apotheke zugrunde zu legen. In der Apotheke ist mindestens die Identität des Arzneimittels festzustellen; über die durchgeführten Prüfungen sind Aufzeichnungen zu machen.

§ 11 Absatz 2:

Werden Ausgangsstoffe bezogen, deren Qualität durch ein Prüfzertifikat nach § 6 Abs. 3 nachgewiesen ist, ist in der Apotheke mindestens die Identität festzustellen. Das Prüfzertifikat soll auch Auskunft über die GMP-konforme Herstellung des Ausgangsstoffs geben, soweit es sich um einen Wirkstoff handelt. Die Verantwortung des Apothekenleiters für die ordnungsgemäße Qualität der Ausgangsstoffe bleibt unberührt. Über die in der Apotheke durchgeführten Prüfungen sind Aufzeichnungen mit Namenszeichen des prüfenden oder die Prüfung beaufsichtigenden Apothekers zu machen.

Lieferprobleme bei Wirkstoffen

Mit der novellierten ApBetrO kommt die Frage hinzu, inwieweit Wirkstoffe eingesetzt werden können, bei denen keine GMP-konforme Herstellung sichergestellt werden kann. Denn im neu gefassten § 11 Absatz 2 verlangt die ApBetrO: „Das Prüfzertifikat soll auch Auskunft über die GMP-konforme Herstellung des Ausgangsstoffs geben, soweit es sich um einen Wirkstoff handelt.“

Diese Vorschrift betrifft also nur Wirkstoffe. Nach Angaben von etablierten Lieferanten sind einige Wirkstoffe derzeit auf dem Weltmarkt nicht mit der Bescheinigung einer GMP-konformen Herstellung erhältlich, betroffen sei beispielsweise Pregnenolon. In einem anderen Beispiel ergaben Nachfragen bei verschiedenen Herstellern widersprüchliche Angaben über die Verfügbarkeit, doch kann dies im Einzelfall durch Reste größerer Lagerbestände zu erklären sein.

Die Gründe für solche Lieferprobleme liegen in der Konzentration der Produktion auf wenige Hersteller, die zudem in Asien arbeiten. Das Problem, über das im Zusammenhang mit Wirkstoffen für Fertigarzneimittel schon länger diskutiert wird, dürfte sich bei den kleineren Märkten für weniger gebräuchliche Rezeptursubstanzen tendenziell noch stärker auswirken. Zudem kann praktischerweise nicht erwartet werden, dass deutsche Händler die Hersteller von Hunderten oder Tausenden Substanzen auditieren, die sie oft nur in geringen Mengen einkaufen.

Wie reagieren die Händler?

Deutsche Anbieter von Ausgangsstoffen für die Rezeptur gehen damit unterschiedlich um. Während ein Hersteller bisher zähneknirschend auf das Angebot verzichtet, verweist ein Wettbewerber offen auf das Problem, erstellt Prüfzertifikate mit den erforderlichen Angaben und erklärt darin ausdrücklich: „GMP-Konformität kann nicht bestätigt werden.“ Damit wird die Entscheidung auf die Apotheke verlagert, die jedoch ohnehin immer die Verantwortung für die eingesetzten Ausgangsstoffe trägt und anhand der vorliegenden Informationen über den Einsatz entscheiden muss.

Unterschiedliche Positionen der Apothekenaufsicht

Die Positionen der Apothekenaufsicht zu dieser Frage sind unterschiedlich. Bereits eine kleine Stichprobe in wenigen Bundesländern ergab ein breites Spektrum von Antworten.

In einer eher lockeren Auslegung wird die Soll-Vorschrift als ein Ziel ähnlich wie bei der Barrierefreiheit angesehen, sodass in begründeten Ausnahmen davon abgesehen werden könne. Entscheidend sei letztlich ein aussagekräftiges Prüfzertifikat gemäß § 6 Absatz 3 ApBetrO. Zur Stützung dieser Position kann angeführt werden, dass die ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit zur Erstellung eines solchen Zertifikats durch andere Institutionen als den Hersteller ins Leere liefe, wenn die GMP-Konformität zwingend bescheinigt werden müsste, denn diese Bestätigung kann ohnehin nur der Hersteller selbst geben.

Andere Aufsichtsbehörden stellen allerdings deutlich höhere Anforderungen, um Ausnahmen von der Soll-Vorschrift zu begründen. Der entscheidende Aspekt ist stets die Verantwortung des Apothekenleiters, denn unmittelbar im Anschluss an die Soll-Vorschrift zur GMP-Konformität heißt es in § 11 Absatz 2 ApBetrO: „Die Verantwortung des Apothekenleiters für die ordnungsgemäße Qualität der Ausgangsstoffe bleibt unberührt.“ Apotheker müssen damit rechnen, dass die diesbezüglichen Begründungen bei Besichtigungen geprüft werden. Dazu heißt es von Aufsichtsbehörden, für die Verkehrsfähigkeit gebe es keine Automatismen, sondern der Apotheker müsse eine verantwortliche Entscheidung treffen. Welche Kriterien dabei berücksichtigt werden, sollte auch aus dem individuellen Qualitätsmanagementhandbuch der Apotheke hervorgehen. Insbesondere das Vorliegen von Ware in Analysenqualität, aussagekräftige Prüfzertifikate von renommierten Anbietern, Begründungen des Arztes zur Unverzichtbarkeit des Wirkstoffes im jeweiligen Fall und möglicherweise sogar die Aufklärung des Patienten kommen als Argumente in Betracht. Im Sinne des Qualitätsmanagements und um die spätere Überprüfung durch die Apothekenaufsicht zu ermöglichen, seien diese Aspekte jeweils zu dokumentieren.

Abweichend von dieser Interpretation wird die Soll-Vorschrift in einer sehr engen Auslegung als zwingend betrachtet. Nach dieser Auffassung sind Wirkstoffe ohne Bestätigung der GMP-Konformität nicht verkehrsfähig. Andere Überlegungen seien demnach nur auf Hilfsstoffe oder Grundlagen anwendbar.

Zusätzlich zu den unterschiedlichen Positionen der Apothekenaufsicht ist die Auslegung durch die Arzneimittelaufsicht am Sitz des Lieferanten zu beachten. So kann die unterschiedliche Sichtweise verschiedener Behörden möglicherweise auch die unterschiedlichen Angebote der Lieferanten erklären.

Empfehlungen für die Apotheken

Da sich die Auslegungen bei verschiedenen Aufsichtsbehörden deutlich unterscheiden, kann hier keine pauschale Konsequenz für alle Apotheken gezogen werden. Dennoch lassen sich für die Apotheken folgende Empfehlungen ableiten:

Prüfzertifikate sollten gemäß § 6 Absatz 3 ApBetrO sorgfältig gelesen und hinterfragt werden. Mit diesen Zertifikaten können Apotheker die Verantwortung für den Einsatz von Ausgangsstoffen nicht auf Händler oder Hersteller abwälzen, sondern die Angaben auf dem Zertifikat sind als wichtige Puzzleteile für ein großes Bild zu betrachten. Erst aufgrund eines Gesamtbildes mit vielen Informationen über die Qualität eines Ausgangsstoffs kann der Apotheker eine verantwortliche und begründete Entscheidung über den Einsatz treffen. Ein Hinweis auf fehlende GMP-Konformität bei Wirkstoffen ist dabei ein beachtliches Problem.

Falls ein Lieferant einen Wirkstoff nicht GMP-konform anbieten kann, erscheint es sinnvoll, bei weiteren Lieferanten anzufragen. Falls der Wirkstoff auch dort nicht in GMP-konformer Qualität erhältlich ist, sollte der Apotheker den Rat der zuständigen Apothekenaufsicht einholen oder sich über die für ihn geltende Auslegung informieren. Daraus dürfte sich ergeben, ob der Einsatz eines solchen Wirkstoffs überhaupt in Betracht kommt und wie hoch ggf. die Hürde für eine angemessene Begründung anzusetzen ist. Je mehr Kriterien für die Qualität des Wirkstoffs sprechen und je besser die Abwägung der vorhandenen Informationen dokumentiert ist, umso besser dürfte die Position der Apotheke im Fall einer Prüfung durch die Überwachungsbehörde sein. Dies gilt nicht nur für die GMP-Konformität, sondern für alle möglichen Einwände gegen den Einsatz eines Stoffs.

Folgen für die Politik

Für die Politik sollte auch dieses eher begrenzte Problem in einer Versorgungsnische ein weiteres Warnsignal sein, die Versorgung mit qualitativ hochwertigen arzneilichen Wirkstoffen in quantitativ ausreichender Menge langfristig sicherzustellen. Der Preisdruck bei Generika und strenge Umweltschutzvorschriften in Europa haben einen Strukturwandel in der Pharmaindustrie bewirkt, dessen Folgen sich langfristig auswirken. Bei der Konzentration auf sehr wenige Hersteller pro Wirkstoff kann bereits der Ausfall einer Produktionsstätte den Weltmarkt beeinflussen. Zugleich muss anerkannt werden, dass europäische Institutionen nicht immer den gewünschten Einfluss auf Produktionsstandorte in Asien ausüben können. Strenge Regeln durchzusetzen, wird letztlich nur erfolgreich sein, wenn die Adressaten auch im Geltungsbereich der Gesetze angesiedelt sind.

tmb

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