DAZ aktuell

DGHO will geändertes Verfahren

G-BA: frühe Nutzenbewertung soll bleiben wie sie ist

BERLIN (jz). Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), will an der jetzigen Ausgestaltung des Verfahrens zur frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln festhalten. Bereits im Mai hatten fünf große Fachgesellschaften Änderungsvorschläge unterbreitet. Sie boten unter anderem an, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG) mit wissenschaftlicher Expertise zu unterstützen. Nun forderte auch die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) eine stärkere Beteiligung der medizinischen Fachgesellschaften. Doch die Argumente überzeugen Hecken nicht. Aus seiner Sicht sind die Fachgesellschaften mit ihrem Recht zur schriftlichen und mündlichen Stellungnahme bereits intensiv genug in das Verfahren eingebunden.

Grundsätzlich befürwortet die DGHO die frühe Nutzenbewertung von Arzneimitteln, aber nicht alles am Verfahren hält sie für optimal. Etwa, dass Patienten und ihre behandelnden Ärzte derzeit nur „Zuschauer mit eingeschränkten Rechten“ seien. Dabei bündelten sich in den Fachgesellschaften Forschung, Lehre und Praxis eines jeweiligen Fachgebietes. Und nur Patienten seien „Experten in Patientenrealität und Lebensqualität“, sagt Jan Geißler, Vorsitzender einer Patientenorganisation. So sei das Überleben für viele nur einer von mehreren Nutzen, das müsse in der Nutzenbewertung stärker berücksichtigt werden. Die Endpunkte einer Nutzenbewertung sollten daher zu Beginn des Verfahrens von einem unabhängigen Gremium medizinischer Fachexperten – unter Einbeziehung betroffener Patienten – priorisiert werden.

Weiterer Kritikpunkt: die Auswahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Die bisherige Erfahrung mit Nutzenbewertungen im Bereich Hämatologie/Onkologie zeige, dass häufig Vergleichstherapien gewählt würden, die deutlich von den gültigen nationalen und internationalen Therapieleitlinien abwichen, bemängelt die DGHO. Sie fordert daher die Einrichtung eines unabhängigen Gremiums von medizinischen Fachexperten zur Festlegung der Vergleichstherapie. Zudem sollte die Vergabe von Aufträgen des G-BA zur Bewertung der Hersteller-Dossiers geöffnet werden. Dann könnten auch andere Institutionen, die qualifiziert und unabhängig sind, Bewertungen vornehmen.

BPI pro Patientenorientierung

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) unterstützt diese Forderungen. Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus der täglichen Arbeit mit den Patienten einzubeziehen, würde die theoretische Bewertung des IQWiG um wichtige Aspekte erweitern und dieser die notwendige Patientenorientierung geben, so der Verband. BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp: „Das IQWiG und der G-BA haben in den bisherigen Verfahren bewiesen, dass die Patientenorientierung und Versorgungswirklichkeit vielfach hinter der wissenschaftlich theoretischen Bewertung und dem Versuch der Kostenminimierung zurückstehen musste.“

Hecken hält dagegen

Josef Hecken hält von den Forderungen nichts. „Aus gutem Grund“, so seine Meinung, dürften Fachgesellschaften nicht über das abschließende Wertungsergebnis entscheiden: Es bestehe die Gefahr, dass sie aufgrund ihrer Struktur und Finanzierung nicht die nötige Unabhängigkeit besäßen. Deshalb erkenne die Rechtsprechung auch lediglich dem IQWiG und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft „eine besondere Stellung mit einer sogenannten ‚Richtigkeitsvermutung‘ zu, die den Fachgesellschaften nicht zugebilligt wird“. Auch die Patientensicht hält man im G-BA für ausreichend berücksichtigt: „Die Patientenvertretung ist in allen Phasen der frühen Nutzenbewertung konsequent beteiligt“, konstatiert Dr. Ulrike Faber, Sprecherin der Patientenvertretung im Unterausschuss Arzneimittel des G-BA. Im Hinblick auf die von der DGHO geäußerte Kritik an der Wahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie betont Hecken, die im Verfahren gewählte Therapie berücksichtige Leitlinien. Die Evidenz dazu werde vollständig veröffentlicht und im Rahmen der Anhörung sehr umfassend diskutiert. Bis dato sei ihm kein Verfahren bekannt, bei dem die Stellungnahme der beteiligten Fachgesellschaften bei der Entscheidung nicht angemessen berücksichtigt worden wäre.

Gute Bilanz für onkologische Präparate

Die Kritik der DGHO kann man beim G-BA besonders deshalb nicht verstehen, weil frühe Nutzenbewertungen im Bereich der onkologischen Präparate bisher sehr positiv ausfielen: Fast allen wurde ein Zusatznutzen bescheinigt. Lediglich zwei Wirkstoffen nicht – einer davon scheiterte, weil kein Dossier eingereicht wurde. Auch seien von den bislang neun abgeschlossenen Bewertungsverfahren, in denen ein beträchtlicher Zusatznutzen festgestellt wurde, fünf onkologische Präparate. Die Fachgesellschaften, so Hecken, sollten daher lieber bestehende Formen der Mitwirkung konstruktiv nutzen. Dies sei „im Sinne einer ausgewogenen Nutzenbewertung zielführender, als die Etablierung neuer überbordender Verfahrensschritte“. 

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