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„Es war viel Routine dabei ...“
DAZ-Interview mit FDP-Gesundheitspolitiker Heinz Lanfermann
DAZ: Seit vier Jahren führt ein FDP-Minister erstmals das Bundesgesundheitsministerium. Wie lautet Ihre Bilanz?
Lanfermann: Es war vor allem mehr Arbeit, als ich mir das zu Beginn vorgestellt habe. Es gab eine ungeheuer große Vielzahl von Aufgaben, die wir bewältigen und Gesetze, die wir machen mussten. Das bedeutete auch für die Gesundheitspolitiker von Union und FDP viele Sitzungen in den zahllosen Koordinierungsrunden mit dem Gesundheitsministerium. Es ist nicht immer alles glatt gelaufen. Aber unter dem Strich können wir zufrieden sein. Es war viel Routine dabei, aber wir haben auch viel bewegt. Mit dem AMNOG haben wir beispielsweise dem Arzneimittelmarkt eine neue Richtung verordnet. Das wird Bestand haben.
DAZ: Warum ist die FDP-Politik gerade bei den Apothekern nicht immer auf besondere Gegenliebe gestoßen?
Lanfermann: Wir hatten ja vor vier Jahren eine finanziell sehr angespannte Ausgangslage. Der GKV drohten Milliardendefizite. Ich kann verstehen, dass im Zuge der Sparmaßnahmen in der Gemengelage mit dem Arzneimittelgroßhandel Unmut bei den Apothekern entstanden ist. Aber über die Berufsinteressen hinweg mussten wir die Gesamtlage im Auge behalten. Mit Blick auf die jetzt notwendige Wahlentscheidung kommt es aus meiner Sicht nicht so sehr auf einzelne Streitereien oder Enttäuschungen an. Es kommt auf die große Linie an: Freiberuflichkeit, innhabergeführte Apotheke, Schutz vor Ketten, Notdienstpauschale. Diese Fragen sind wichtiger als Einzelfragen beim Apothekenhonorar.
DAZ: Nennen Sie uns drei Argumente, warum Apotheker FDP wählen sollen.
Lanfermann: In den Wahlprogrammen sind die Unterschiede doch klar erkennbar. Wir wollen den heutigen Status der Apotheker erhalten. Nochmals: keine Ketten. Wir wollen die Balance zwischen Vor-Ort-Apotheke und Versandhandel nicht verschieben. Diese Garantien für den Berufsstand sind bei der FDP am stärksten verankert.
DAZ: Die finanzielle Lage der Apotheker hat sich in den letzten vier Jahren nicht verbessert. Erst hat die Bundesregierung ihnen Geld abgenommen. Im letzten Jahr haben die Apotheker wieder etwas obendrauf bekommen. Das macht nicht zufrieden.
Lanfermann: Nach dem Kompromiss über den Kassenabschlag bin ich offen für weitere Diskussionen über die Apothekenhonorierung. Man kann sicher über Extra-Honorare für BtM, Rezeptur und Defektur diskutieren. Skeptischer bin ich beim Thema Beratungshonorar. Da weiß man nicht, wohin das führt. Ich frage mich, ob es wirklich so klug wäre, wenn die Apotheker diese Diskussion forcieren. Denn damit stellt sich die Frage des Selbstverständnisses von Apothekern als Heilberuf. Das ist ein schwieriges Thema.
DAZ: Was halten Sie von einer regelmäßigen Dynamisierung des packungsbezogenen Honorars?
Lanfermann: Da muss ich Sie enttäuschen. Wir legen im Gesundheitswesen großen Wert auf die Selbstverwaltung. Ich halte es auch für besser, wenn man in der Honorarfrage von Zeit zu Zeit verhandelt, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändert haben und es etwas zu verhandeln gibt. Ich bin gegen einen Automatismus bei der Honoraranpassung, es sollte von Fall zu Fall entschieden werden. Und ich bin dafür, dass dies in den Händen der Selbstverwaltung bleibt.
DAZ: Im Zuge der Diskussion über Honorar, Nacht- und Notdienst und Apothekenbetriebsordnung gab es Verstimmungen zwischen den Regierungsparteien und der ABDA. Wie haben Sie die Standesvertretung der Apotheker in diesen Auseinandersetzungen erlebt?
Lanfermann: Die Zusammenarbeit mit der ABDA und anderen Apothekerverbänden ist völlig in Ordnung und insgesamt positiv zu bewerten. Natürlich gibt es immer Stimmen, die das anders sehen. Es gibt nicht nur Apotheker, die die Zeit finden, per Telefon, Fax oder E-Mail sehr dezidiert ihre Meinung bei mir kundzutun. Das erlebe ich aber bei anderen Berufsgruppen auch. Das gehört dazu. Die Lautesten sind aber nicht immer die Mehrheit. Wir erfahren von der Apothekerbasis viel Kritik für Änderungen an der Apothekenbetriebsordnung, die die ABDA so haben wollte. Da sind wir der falsche Adressat. Da kann es dann schon mal zu Differenzen kommen.
DAZ: Die Koalition hat eine Lex ABDA/KBV verabschiedet für das Wirkstoffmanagement. Es gibt immer noch kein Modellprojekt. Sind Sie enttäuscht?
Lanfermann: Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ABDA- und KBV-Vertreter mit diesem Wunsch an uns herangetreten sind. Eigentlich hätten sie das auch ohne gesetzliche Regelung machen können, wir wollten aber gern Starthilfe leisten. Natürlich sind wir davon ausgegangen, dass das ABDA-KBV-Modell in einer angemessenen Zeit umgesetzt werden würde. Das ist bisher nicht geschehen. Wir erwarten nach wie vor, dass da rasch etwas geschieht. Falls ABDA oder KBV das nicht mehr wollen, sollten sie uns das sagen.
DAZ: Bei der Ausformung der Aut-idem-Liste wurde jetzt die Schiedsstelle angerufen. Hier kommen Apotheker und GKV-Spitzenverband nicht voran.
Lanfermann: Den Ausgang des Schiedsverfahrens müssen wir jetzt erst mal abwarten. Aber ich sage grundsätzlich zur Arbeit der Selbstverwaltung: Am Ende ist die Fantasie des Gesetzgebers immer größer als die der Selbstverwaltung. Gibt es keine Kompromisse, kann oder muss der Gesetzgeber handeln.
DAZ: In der Politik wird über den Erhalt der gesundheitlichen Versorgungsstrukturen auf dem Land diskutiert, unter anderem auch über die Abgrenzungen der Aufgaben zwischen Apothekern, Ärzten und Krankenhäusern.
Lanfermann: Diese Debatte ist sinnvoll. In der Praxis wird ja heute schon gerade in ländlichen Regionen über die Grenzen hinweg pragmatisch gehandelt. Etwa wenn ein in einem Krankenhaus angestellter Arzt für zwei Tage in eine entfernte Landpraxis geschickt wird, damit sich die Bewohner dort einmal untersuchen lassen können, ohne lange Wege zurücklegen zu müssen. Was dort begrüßt wird, stößt aber z.B. im Speckgürtel der großen Städte auf Kritik und Prostest. Das Wohl der Patienten muss bei diesen Überlegungen immer im Mittelpunkt stehen. Etwas mehr pragmatische Flexibilität wäre sicher entlang der Abgrenzungen der Heilberufe hilfreich.
DAZ: Die Union schlägt zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung auf dem Land den Einsatz von mobilen Systemen, den Apothekenbus vor. Was halten Sie davon?
Lanfermann: Man muss sicherlich neue Ideen entwickeln. Das gilt für die ABDA ebenso wie für alle anderen. Die Infrastruktur des Gesundheitswesens muss sich ebenso wie bei Verkehrswegen oder Schulen an die demografische Entwicklung anpassen. Wie kommt die gehbehinderte Oma zur Apotheke oder zum Arzt, oder kommt der Apotheker oder Arzt zu ihr? Organisieren wir Hol- oder Bringdienste? Oder reicht eines Tages das Video-Bild des Apothekers oder Arztes als Patientenkontakt mit elektronischer Unterschrift aus? Darüber müssen wir nachdenken. Da kann man sich technisch einiges vorstellen.
DAZ: Heute gibt es klare Vorschriften und Regelungen.
Lanfermann: Wenn sich die Welt nicht verändern würde, könnten die auch so bleiben. Sie wird sich aber verändern. Auch die Einstellungen der Bürger wandeln sich. Wir werden sicherlich eine Zunahme der Bringdienste erleben. Andere Länder sind da bereits weiter. Auch viele Apotheken liefern ja bereits nach Hause. Diese Entwicklungen werden kommen, aber nicht so schnell wie manche glauben. Die Apotheker vor Ort müssen Fantasie entwickeln, aber auch die Versandapotheken. Für mich ist das aber keine Grundsatzfrage. Es geht dabei nicht um Ketten oder die Aufgabe der inhabergeführten Apotheke. Aber auch diese muss neue Wege suchen und gehen.
DAZ: Herr Lanfermann, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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