Arzneimittel und Therapie

Calcium-Antagonisten unter Verdacht

Mögliche Risikofaktoren für ein Mammakarzinom

Die Liste bekannter und potenzieller Risikofaktoren für eine Brustkrebserkrankung wird immer länger. Nun stehen auch Calcium-Antagonisten unter Verdacht, das Mammakarzinomrisiko zu erhöhen. Eine Anfang August 2013 veröffentlichte Studie weist auf einen Zusammenhang zwischen der langjährigen Einnahme von Calciumkanal-Blockern und dem vermehrten Auftreten von Brustkrebs hin.

Trotz der häufigen Verordnungen von Antihypertensiva – in den USA führen Beta-Blocker, ACE-Hemmer, Calciumkanal-Blocker, Diuretika und Angiotensinrezeptor-Blocker die Liste der am meisten verordneten Medikamente an – gibt es relativ wenig Studien, die den Einfluss dieser Wirkstoffgruppen auf das Mammakarzinomrisiko untersucht haben. Von zwölf Studien, die sich mit dieser Fragestellung befassten, sahen vier Untersuchungen einen Zusammenhang, acht Studien nicht. Aufgrund der relativ geringen Fallzahlen und der Erhebung der Daten über einen kurzen Zeitraum hinweg, ist die Aussagekraft dieser Studien bisher unzureichend. Daher unternahm eine amerikanische Arbeitsgruppe einen erneuten Versuch, um einen möglichen Einfluss einer langfristigen antihypertensiven Therapie auf das Brustkrebsrisiko postmenopausaler Frauen zu konkretisieren.

Fall-Kontroll-Studie

Die Untersuchung war als bevölkerungsbasierte Fall- Kontroll-Studie konzipiert. Die Teilnehmerinnen waren im Alter zwischen 55 und 74 Jahren. 905 Frauen waren an einem invasiven duktalen Mammakarzinom erkrankt, 1055 an einem invasiven lobulären Mammakarzinom. Invasiv duktale Karzinome und invasiv lobuläre Karzinome sind die zahlenmäßig überwiegenden histologischen Arten einer Brustkrebserkrankung. 891 Frauen ohne Brustkrebserkrankung dienten als Kontrollgruppe. Im Nachgang wurden nun Dauer und Art der antihypertensiven Therapie ermittelt und mit dem Brustkrebsrisiko verglichen. Für jede Wirkstoffgruppe – Beta-Blocker, ACE-Hemmer, Calciumkanal-Blocker, Diuretika und Angiotensinrezeptorblocker – wurde das Risiko für invasiv duktale sowie invasiv lobuläre Karzinome bei einer kurzfristigen Einnahme (unter fünf Jahren), einer mittelfristigen Einnahme (zwischen fünf und unter zehn Jahren) sowie für die langfristige Einnahme (länger als zehn Jahre) ermittelt.

Verdoppeltes Risiko unter Calcium-Antagonisten

Unter der Einnahme von Beta-Blockern, Diuretika und Angiotensinrezeptor-Blockern kam es zu keiner statistisch signifikanten Erhöhung des Brustkrebsrisikos. Die langjährige Einnahme von ACE-Hemmern führte zu einer nicht signifikanten Abnahme des Mammakarzinomrisikos. Hingegen erhöhte die mehr als zehnjährige Einnahme von Calciumkanal-Blockern das Risiko für invasive duktale Karzinome um den Faktor 2,4 (OR 2,4; 95% Konfidenzintervall 1,2 bis 4,9; p = 0,4 for trend) und für invasiv lobuläre Karzinome um den Faktor 2,6 (OR 2,6; 95% Konfidenzintervall 1,3 bis 5,3; p = 0,1 for trend). Dabei war es unerheblich, ob ein lang- oder kurzwirksamer Calcium-Antagonist eingenommen wurde oder ob ein Vertreter der Dihydropyridin-Gruppe oder der Nicht-Dihydropyridin-Gruppe eingesetzt worden war. Auch der Hormonrezeptorstatus des Mammakarzinoms (Estrogenrezeptor-positiv oder -negativ) spielte keine Rolle. Eine frühere oder kurzfristige Einnahme von Calciumkanal-Blockern beeinflusste das Mammakarzinomrisiko nicht.

Gesicherte Risikofaktoren für eineBrustkrebserkrankung


nicht beeinflussbare Risikofaktoren

  • höheres Alter
  • genetisches Risiko
  • familiäre Krebsanamnese
  • persönliche Brustanamnese (nicht-proliferative oder proliferative Läsionen, Hochrisikoläsionen, DCIS, Brustdichte)
  • Thoraxbestrahlung
  • Anzahl der Menstruationszyklen im Laufe des Lebens
  • frühe Menarche, späte Menopause


sozial definierte Risikofaktoren

  • geringe Geburtenzahl
  • hohes Alter bei der ersten Geburt


modifizierbare Risikofaktoren

  • eine oder kurze Stillzeit
  • BMI > 25/Adipositas
  • Hormontherapie (aktueller oraler Kontrazeptivagebrauch, Hormontherapie in der Postmenopause)
  • Alkoholabusus
  • verminderte körperliche Aktivität
  • chemische Noxen während der fetalen und frühkindlichen Entwicklung

[Quelle: www.ago-online.de (Zugriff am 8. August 2013)]

Kommentar

Ein Kommentator der Studie stellt nun die Frage, ob eine antihypertensive Therapie nach 9,9 Jahren abgesetzt werden soll und verneint die Frage sogleich, da die Daten auf einer Beobachtungsstudie basieren und kausale Zusammenhänge nicht bewiesen sind. Unbekannt seien auch die pathologischen Mechanismen, die zu einem erhöhten Krebsrisiko führen könnten. Dennoch dürften die Daten der aktuellen Studie nicht ignoriert werden, da sie die bereits vor knapp 20 Jahren geäußerte Hypothese, dass Calciumantagonisten das Krebsrisiko erhöhen, untermauert. Sollte die Vermutung in weiteren Studien bestätigt werden, so hätte dies weitreichende klinische Konsequenzen, da die antihypertensive Therapie vieler postmenopausaler Frauen umgestellt werden müsste, so der Kommentator. 

Quelle

Li C et al. Use of antihypertensive medications and breast cancer risk among women aged 55 to 74 years. JAMA Intern Med; online 5. August 2013 doi:10.1001/jamainternmed.2013.9071.

Coogan P. Calcium-channel blockers and breast cancer. A hypothesis revived. JAMA Intern Med; online 5. August 2013.

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

Das könnte Sie auch interessieren

Brustkrebsinzidenz bei Risikopatientinnen gesenkt

Tamoxifen mit Langzeiteffekt

Aktuellen Leitlinien zufolge profitiert nur ein kleiner Personenkreis

Brustkrebsrisiko medikamentös senken

Prolaktin-steigernde Antipsychotika könnten das Mammakarzinomrisiko erhöhen

Obacht bei der Neuroleptika-Auswahl!

Brustkrebs beim Mann – selten und häufig spät erkannt

Keine reine Frauensache

Blutdrucktherapie hilft bei diabetischer Retinopathie

ACE-Hemmer verzögern Progression und fördern Regression

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.