Hämorrhoiden

Weit verbreitet – am besten gleich operieren?

Von Clemens Bilharz | Obwohl bereits Hippokrates einige Symptome des Hämorrhoidalleidens beschrieben hat, ist seine Ätiopathogenese bis heute nicht sicher geklärt. Einigkeit besteht darin, dass eine Therapie vergrößerter Hämorrhoiden nur erforderlich ist, wenn diese Beschwerden verursachen. Hierzu kann man sich an einem Stufenkonzept orientieren, das je nach Schweregrad und Verlauf konservative, interventionelle und chirurgische Maßnahmen umfasst. In Deutschland werden jährlich bis zu 50.000 Patienten operiert.

Anatomisch handelt es sich bei Hämorrhoiden um arteriovenöse Gefäßpolster des Rektums (Corpus cavernosum recti). Sie werden durch den Plexus haemorrhoidalis superior gebildet, der das untere Rektum unmittelbar oberhalb der Linea dentata ringförmig umgibt und in die Submukosa eingebettet ist (Abb. 1). Die Linea dentata (Sägezahnlinie) markiert die Grenzlinie zwischen dem asensiblen Zylinderepithel des Rektums und dem sensiblen Plattenepithel des Analkanals. Aufgabe der mit Blut gefüllten Schwellkörper ist die Feinabdichtung des Afters. Streng genommen sollte gemäß der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie erst dann von "Hämorrhoiden" gesprochen werden, wenn der Hämorrhoidalplexus vergrößert, varikös verändert und in den Analkanal verschoben (prolabiert) ist. In ausgeprägten Fällen kommt es sogar zu einem Prolaps des Gefäßpolsters vor den Anus.

Abb. 1: Schnitt durch den Mastdarm und After eines gesunden Menschen. Die hämorrhoidalen Schwellkörper oder Gefäßpolster (Corpus cavernosum recti) liegen ringförmig im Grenzbereich von Rektum und Analkanal.

Harter Stuhl nicht alleinige Ursache

Zur Ätiologie des Hämorrhoidalleidens gibt es nach wie vor keine gesicherten wissenschaftlichen Daten. Diskutiert werden sowohl eine familiäre Disposition als auch individuelle Ursachen wie ein gestörtes Defäkationsverhalten mit "schlechter" Stuhlkonsistenz:

  • Vor allem bei chronischer Obstipation und hartem Stuhl führt das übermäßige Pressen längerfristig zur Vergrößerung und Dislokation des submukösen Schwellkörpers nach außen.

  • Andererseits erfolgt bei ungeformtem bis durchfallartigem Stuhl die Defäkation bei einem nicht ausreichend relaxierten Schließmuskel und nur ungenügend entleerten Schwellkörpern, was längerfristig ebenfalls zu morphologischen Veränderungen des Afters führt.

  • Auch eine degenerative Schwächung des submukösen Bindegewebes aufgrund eines veränderten Kollagenstoffwechsels soll die Dislokation der Schwellkörper begünstigen.

  • Zusätzlich werden Schwangerschaft, Übergewicht, Laxanzienabusus, übermäßiger Alkohol- und Kaffeegenuss sowie langes Sitzen als Einflussfaktoren genannt.

Beim heftigen Pressen während des Stuhlgangs können Scherkräfte die Schleimhaut und die darunter liegenden Schwellkörper des Rektums aufreißen und dadurch die Blutung auslösen.

Etwa 70% aller Erwachsenen in Industrienationen sind im Laufe ihres Lebens von symptomatischen Hämorrhoiden betroffen. In Deutschland gibt es jährlich ca. 3,5 Millionen Behandlungsfälle und bis zu 50.000 Hämorrhoidenoperationen. Ein Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 45. und 65. Lebensjahr; die Geschlechtsverteilung variiert je nach Erhebung.

Typische Beschwerden

Nur wenn Hämorrhoiden Beschwerden verursachen, haben sie einen Krankheitswert, man spricht dann von einem Hämorrhoidalleiden. Dessen Symptome – die allerdings auch bei anderen proktologischen Erkrankungen auftreten – sind:

  • Am häufigsten anale Blutungen, meist beim Stuhlgang oder danach, in der Regel schmerzlos. Da von Arterien gespeist, ist das Blut meist hellrot. Die Blutungsintensität variiert stark, von Spuren auf dem Stuhl oder WC-Papier bis zur tropfenden oder sogar spritzenden Blutung.

  • Nässen infolge der chronischen Schleimhautreizung und "Stuhlschmieren" aufgrund der mit Kot vermischten Sekrete.

  • Analekzem mit Juckreiz (Pruritus ani) als Folge von Nässen und "Stuhlschmieren".

  • Prolaps (Vorfall) einer Hämorrhoide während der Defäkation bei ausgeprägten morphologischen Veränderungen.

  • Gelegentliches Druck- oder Fremdkörpergefühl im After unabhängig vom Stuhlgang. Schmerzen sprechen einerseits für eine gleichzeitig bestehende Analfissur (bis zu 70% bei Hämorrhoiden 2. Grades), andererseits für eine Inkarzeration und/oder Thrombosierung des prolabierten Schwellkörpers.

Diese Symptome können sich sowohl einzeln zeigen als auch kombiniert, meist intermittierend und mit wechselnder Intensität. So können Blutungen tagelang bei jedem Stuhlgang auftreten, um dann ohne besondere Therapiemaßnahmen für längere Zeit auszusetzen. Meist korrelieren die Beschwerden nicht mit der Größe der Hämorrhoiden.

Vier Schweregrade

Krankhafte Hämorrhoiden werden in vier Schweregrade eingeteilt (s. Abb. 2). Sie können als segmentärer Prolaps (solitärer Knoten, multiple Knoten) oder als zirkulärer Prolaps auftreten. Wenn bei einem Prolaps zusätzlich ein Teil des Anoderms aus dem After geschoben wird, spricht man von einem Anal- oder Anodermprolaps.

Abb. 2: Klassifikation der krankhaften Hämorrhoiden nach Goligher (international am gebräuchlichsten).

Seit Einführung der Stapler-Hämorrhoidopexie kann man Hämorrhoiden 4. Grades noch zusätzlich unterteilen in 4a (in Narkose reponierbar) und 4b (in keiner Weise reponierbar).

Neben der Anamnese ist eine proktologische Untersuchung mit Inspektion, Palpation und Proktoskopie erforderlich, je nach Verdacht auch mit einer Rektoskopie. Differenzialdiagnostisch wichtig sind vor allem Marisken (geschwulstartige Hautfalten), Analfissuren (häufiges Begleitsymptom, s. o.), Analthrombosen, Gefäßveränderungen (Angiodysplasie, Hämangiom), Rektumpolypen und anorektale Karzinome.

Therapeutisches Stufenkonzept

Zur kausalen Basistherapie gehört die Optimierung der Ernährungsgewohnheiten und des Defäkationsverhaltens; zur symptomatischen Therapie dienen lokale Haemorrhoidalia (Salben, Cremes, Suppositorien) mit Lokalanästhetika, Adstringentia oder Antiphlogistika, die die WHO als "essential drugs" zur Therapie des Hämorrhoidalleidens einstuft (siehe Beitrag "Entspannt sitzen können ..." auf Seite 46).

Wirksame therapeutische Resultate bei symptomatischen Hämorrhoiden ergeben sich durch

  • interventionelle, in der Regel ambulant durchgeführte Verfahren (Sklerosierung, Gummibandligatur) sowie

  • chirurgische Verfahren (Stapler-Hämorrhoidopexie, offene/geschlossene Hämorrhoidektomie) während eines stationären Krankenhausaufenthalts.

Ein Stufenkonzept mit den derzeit gängigen Methoden zeigt Abbildung 3.

Abb. 3: Stufenkonzept zur Therapie symptomatischer Hämorrhoiden, je nach Schweregrad.

Sklerosierung

Sklerosierungsbehandlungen zielen bei krankhaften Hämorrhoiden 1. und 2. Grades darauf ab, die Schwellkörper oberhalb der Linea dentata zu fixieren und zu stabilisieren. Je nach Applikationsort lassen sich zwei Methoden unterscheiden:

  • Intrahämorrhoidale Sklerosierung (nach Blond): Dabei wird Aethoxysklerol 3% oder 4% submukös direkt in die Schwellkörper injiziert. Mit 80% ist die Erfolgsrate zunächst sehr gut, allerdings liegt nach vier Jahren die Rezidivquote bei etwa 75%.

  • Suprahämorrhoidale Sklerosierung (nach Blanchard oder Bensaude): Hier wird eine Phenol-Mandelöl- oder Phenol-Erdnussöl-Lösung (meist 5%) in die Hämorrhoidalarterien injiziert, die die Schwellkörper mit Blut versorgen. Dieses Verfahren ist vor allem im angloamerikanischen Raum weit verbreitet.

Gummibandligatur

Therapie der Wahl bei krankhaften Hämorrhoiden 2. Grades ist die Gummibandligatur (nach Barron). Hier werden Gummiringe um die Basis der knotig vergrößerten Hämorrhoiden gelegt, um ihre Durchblutung zu unterbrechen. Darauf werden sie nekrotisch und fallen nach 7 bis 14 Tagen mitsamt dem Gummiband ab. Die Rezidivrate liegt unter 25%, ist also signifikant niedriger als bei der Sklerosierung.

Eine OP-Indikation besteht sowohl bei krankhaften Hämorrhoiden 1. bis 2. Grades, wenn interventionelle Verfahren keine befriedigenden Resultate gezeigt haben, als auch bei den Schweregraden 3 bis 4.

Klassische Hämorrhoiden-OP

Die bei segmentären Hämorrhoiden weltweit am häufigsten durchgeführte Methode ist die OP nach Milligan-Morgan. Hier werden die vergrößerten, prolabierten Knoten schrittweise vom darunter liegenden inneren Schließmuskel abgelöst und entfernt. Die Wunden bleiben zunächst offen, damit das Wundsekret ablaufen kann, und heilen auf natürlichem Wege. Alternativ wird bei der geschlossenen Technik nach Ferguson das Anoderm partiell oder komplett verschlossen. Die Eingriffe nach Milligan-Morgan bzw. Ferguson dauern im Schnitt zwischen 10 und 30 Minuten; die Rezidivrate beträgt 10 bis 20%.


Glossar

Rektum

Mastdarm

Corpus cavernosum

Schwellkörper, ein blutgefülltes Gefäßgeflecht (Plexus)

Linea dentata

Sägezahnlinie, Grenze zwischen Rektum und Analkanal

Dislokation

Lageveränderung eines Gewebes

Prolaps

Vorfall, extreme Form der
Dislokation

Anus

After

Pruritus ani

Juckreiz des Afters

Anoderm

Analschleimhaut
(schmerzempfindlich)

Analfissur

Riss im Anoderm

Analstenose

Verengung des Analkanals

Submukosa

Gewebe unter der Schleimhaut

Inkarzeration

Einklemmung

Reposition, reponieren

Zurückschieben, hier der prolabierten Hämorrhoiden in ihre richtige Position (wenn dies von allein geschieht, spricht man von Retraktion)

Hämorrhoidopexie

Reposition und Fixation der Hämorrhoiden durch ein chirurgisches Verfahren

Hämorrhoidektomie

chirurgische Entfernung (Resektion) der Hämorrhoiden

Stapler-Hämorrhoidopexie

Ein zirkulärer Prolaps (Hämorrhoidalleiden 3. Grades) ist die meistverbreitete Indikation für die Stapler-Hämorrhoidopexie nach Kobladin, modifiziert von Longo. Sie ist nach einem speziellen Rundschneide- und Klammergerät (engl. stapler = Heftmaschine) benannt. Der Stapler schiebt zunächst das prolabierte Schwellkörpergewebe zurück, stanzt dann ein Stück tiefer im unteren Rektum eine etwa 3 cm breite Schleimhautmanschette aus und fixiert die hämorrhoidalen Polster sowie die Analhaut mit "abgeschossenen" Klammern wieder in ihrer ursprünglichen Position (sog. "anal lifting"). Dabei entsteht keine Wunde im sensiblen Anoderm, sodass postoperativ nur geringe Schmerzen auftreten. Mit einer Rezidivrate unter 3% sind die Langzeitergebnisse sehr gut.

Minimalinvasive Alternative

Ein neueres minimalinvasives Verfahren ist die dopplergesteuerte Hämorrhoidalarterienligatur (DGHAL) nach Morinaga, anwendbar bei den Schweregraden 1 bis 3. Über ein spezielles Proktoskop mit eingebauter Dopplersonde werden die Hämorrhoidalarterien im asensiblen Bereich der Linea dentata lokalisiert und ligiert (unterbunden), was innerhalb kurzer Zeit das Schwellkörpergewebe schrumpfen lässt. Zusätzlich kann prolabiertes Gewebe durch Schleimhautraffung und chirurgische Nähte zurückgeschoben werden ("recto-anal repair"), was nach Ansicht verschiedener Autoren wichtiger ist als die Arterienligatur. Da noch keine Langzeitergebnisse vorliegen, ist eine klare Bewertung derzeit nicht möglich.

Plastisches Verfahren bei ausgeprägtem Befund

Beim 4. Schweregrad – vor allem wenn zusätzlich ein Anodermprolaps vorliegt – kann das plastisch-rekonstruktive Verfahren nach Fansler-Arnold notwendig sein. Nach der chirurgischen Entfernung der prolabierten Hämorrhoiden wird mittels plastischer Verschiebelappen eine zirkuläre oder semizirkuläre Rekonstruktion des Analkanals durchgeführt. Nachteil dieses Verfahrens ist eine hohe postoperative Komplikationsrate von bis zu 20%; gefürchtet ist vor allem die Ausbildung einer hochgradigen Analstenose.


Literatur

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Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie. Hämorrhoidalleiden. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 081/007. Letzte Überarbeitung 07/2008.

Herold A, Joos A, Bussen D. Operationen beim Hämorrhoidalleiden. Chirurg 2012;83:1040 – 1048.

Kersting S, Karsten E, Berg E. Hämorrhoiden: Wann operieren? J Gastroenterol Hepatol Erkr 2013; 11 (Pre-publishing online).

Herold A. Stapler-Hämorrhoidopexie – technische Revolution von genialer Einfachheit. Chirurgen Magazin 2006;2:28 – 32.

Hardy A, et al. The Surgical Management of Haemorrhoids – A Review. Dig Surg 2005;22:26 – 33.

Acheson-Austin G, Scholefield JH. Management of haemorrhoids. Br Med J 2008;336:380 – 383.

Autor


Clemens Bilharz ist Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin und zusätzlich als wissenschaftlicher Fachzeitschriftenredakteur ausgebildet. Er ist als Autor und Berater für Fachverlage und Agenturen tätig.

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