Arzneimittel und Therapie

Studie zeigt mögliche Risiken

Eine amerikanische Fall-Kontroll-Studie hat Frauen mit starker Übelkeit und Erbrechen während ihrer ersten Schwangerschaft untersucht, um herauszufinden, welche Faktoren sich besonders ungünstig auf den Schwangerschaftsverlauf und die Entwicklung des Kindes auswirkten. Zur großen Überraschung war die Einnahme von Antihistaminika – darunter auch rezeptfreie Wirkstoffe – mit einem ungünstigen Schwangerschaftsverlauf verbunden. Es wurden signifikant häufiger Frühgeburten sowie geringere Geburtsgewichte beobachtet.

Die Inzidenz von schwerer Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft (Hyperemesis gravidarum, HG, s. Kasten) liegt bei etwa 0,5%, wobei in einigen Regionen auch geringere (z. B. 0,3% in einer schwedischen Untersuchung) oder weitaus höhere Inzidenzen (10,8% in einem chinesischen Schwangerschaftsregister) beobachtet wurden. Die Erkrankung führt häufig zu einer Wachstumsverzögerung des Feten, zu einer hohen Morbidität bis hin zu mütterlichen und kindlichen Todesfällen. Bisherige Untersuchungen hatten gezeigt, dass die Hyperemesis gravidarum signifikant mit Wachstumsverzögerungen beim Feten, niedrigem Geburtsgewicht und dem Risiko einer Frühgeburt assoziiert ist. Weniger Augenmerk wurde bisher darauf gerichtet, welche Faktoren bei den Betroffenen zu einem besonders negativen Outcome führen. Dies herauszufinden war das Ziel einer Fall-Kontroll-Studie mit rund 550 Schwangeren, die unter Leitung von Wissenschaftlern der University of California in Los Angeles durchgeführt wurde. Sie ist Teil einer großangelegten Untersuchung, mit deren Hilfe in den nächsten Jahren Genetik und Epidemiologie des Schwangerschaftserbrechens umfassend erforscht werden sollen.


Ursachen und Merkmale einer Hyperemesis gravidarum


Ungeklärte, persistierende Übelkeit und Erbrechen mit einem Gewichtsverlust von mehr als 5%, unregelmäßiger Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit, Störung des Elektrolytgleichgewichts, Dehydratation und Ketonurie. Die Symptome können über das erste Trimenon hinaus die ganze Schwangerschaft lang bestehen. Die Diagnose ist meist eine Ausschlussdiagnose, das heißt andere Erkrankungen, die zu schwerer Übelkeit und Erbrechen führen können, müssen zuvor ausgeschlossen werden.

Als Ursache der Hyperemesis gravidarum, aber auch einer leichteren Emesis in der Schwangerschaft, werden folgende Faktoren diskutiert:

  • die höheren β-hCG- und Prostaglandin-Spiegel in der Schwangerschaft
  • eine schwangerschaftsbedingte Relaxation des unteren Ösophagussphinkters
  • Vitamin-B6 -Mangel
  • gesteigerte Geruchsempfindlichkeit
  • eine genetische Prädisposition

Psychische Faktoren spielen eher eine Rolle als Co-Faktoren, insbesondere bei anhaltender Symptomatik.

Es gibt auch Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Hyperemesis gravidarum und einer Infektion mit Helicobacter pylori. Daher wird empfohlen, in therapierefraktären Fällen zu untersuchen, ob eine solche Infektion vorliegt.


Vierfach erhöhtes Risiko

Eingeschlossen wurden 254 Kaukasierinnen aus den USA mit Hyperemesis gravidarum, bei denen ein intravenöser Flüssigkeitsersatz und/oder eine parenterale Ernährung notwendig waren. Bezüglich Alter, sozioökonomischem Status und einigen Krankheiten wie Schwangerschaftsdiabetes waren Fall- und Kontrollgruppe ausgewogen; allerdings litten die Frauen der Fallgruppe häufiger an Schwangerschaftshochdruck, bipolaren Erkrankungen und Depression und waren häufiger Mütter eines weiblichen Säuglings.

Schwangere mit Hyperemesis gravidarum hatten ein mehr als 4,28-fach erhöhtes Risiko (odds ratio, OR 4,28, [2,34 bis 8,30]) als die Kontrollpersonen für eine problematische Schwangerschaft, gekennzeichnet durch geringere Geburtsgewichte und höhere Frühgeburtsraten (vor der 37. Schwangerschaftswoche). Ein Schwangerschaftshochdruck und ein früher Beginn der Symptome des Schwangerschaftserbrechens, das heißt zwischen der dritten und vierten Schwangerschaftswoche, zählten zu den Faktoren, die das Outcome signifikant negativ beeinflussten.

Einfluss von Medikamenten

Um den möglichen Einfluss von Medikamenten zu bestimmen, wurden 43 Frauen mit Erbrechen während der Schwangerschaft und ungünstigem Schwangerschaftsverlauf und -ausgang mit 211 Schwangeren mit positivem Outcome verglichen. Es zeigte sich, dass die Anwendung von Promethazin, Methylprednisolon, Diphenhydramin, Dimenhydrinat, Doxylamin (auch in Kombination mit Pyridoxin) und Hydroxyzin signifikant mit einem problematischen Verlauf und Ausgang der Schwangerschaft assoziiert war.

Auch alternative Behandlungsmethoden (Akupunktur, Akupressur, Bowen-Massage) wurden betrachtet. Diese hatten als einzige Behandlungsmethoden signifikant zu einem positiven Schwangerschaftsverlauf geführt.


Maßnahmen gegen Schwangerschaftserbrechen


  • mehrere kleine Mahlzeiten
  • fett- und säurearme sowie kohlenhydratreiche Lebensmittel bevorzugen
  • reichlich trinken
  • Essensgerüche meiden, da häufig Übelkeit allein durch Gerüche ausgelöst wird
  • Ingwer
  • Vitamin B6 (Pyridoxin)
  • Akupunktur/Akupressur

Bedeutung der Studie

Nach Ansicht der Autoren ist dies die erste Studie, die nicht nur Frauen mit und ohne Schwangerschaftserbrechen verglichen hat, sondern darüber hinaus Faktoren identifizieren konnte, die beim Schwangerschaftserbrechen für ein besonders negatives Outcome verantwortlich sind. Da Antihistaminika zu diesen Faktoren zählen, besteht nach Ansicht der Autoren ein dringender Bedarf, die Sicherheit und auch die Effektivität der Antihistaminika in der Schwangerschaft zu untersuchen, zumal der Einsatz dieser Wirkstoffe bei Hyperemesis gravidarum weltweit zugenommen hat. Einschränkend stellen die Autoren jedoch fest, dass für die Kombination Doxylamin/Pyridoxin zu wenige Fälle verfügbar waren, um zu einer statistisch sicheren Aussage kommen zu können. Außerdem beruhten die in die Studie aufgenommenen Antihistaminika auf eigenen Angaben der Schwangeren. Es sei daher nicht auszuschließen, dass noch weitere Arzneimittel eingenommen wurden. Placebokontrollierte Studien mit Monotherapien wären notwendig, um die Beobachtungen zu bestätigen, so die Autoren. Als sicher können ihrer Ansicht nach verschreibungspflichtige Substanzen wie Ondansetron angesehen werden, für sie wurde in den Studien kein negatives Outcome beobachtet. Ob die Studienergebnisse dazu führen, dass die aktuellen Empfehlungen zur medikamentösen Therapie der Hyperemesis gravidarum (s. Kasten) überarbeitet werden, bleibt abzuwarten.


AKTUELLE EMPFEHLUNGEN

Medikamentöse Therapie bei Schwangerschaftserbrechen


nicht verschreibungspflichtig

Doxylamin:

  • in Deutschland keine Zulassung für Schwangerschaftserbrechen, trotzdem eines der Mittel der Wahl
  • auch zur kurzfristigen Therapie bei Schlafstörungen einsetzbar, bei strenger Indikationsstellung
  • in Kanada in Kombination mit Pyridoxin 1. Wahl bei Schwangerschaftserbrechen

Diphenhydramin:

  • laut Fachinformationen diverser Präparate in Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert
  • laut embryotox.de im 1. und 2. Trimenon gut verträglich (nicht zusammen mit anderen sedierenden Wirkstoffen anwenden)
  • im 3. Trimenon wegen möglicher kontraktionsfördernder Wirkung zu meiden

Dimenhydrinat:

  • strenge Indikationsstellung im 1. und 2. Trimenon; Anwendung nur, wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen keinen Erfolg zeigen, dann vorübergehende Anwendung akzeptabel
  • kontraindiziert in den letzten Schwangerschaftswochen, da Auslösung vorzeitiger Uteruskontraktionen möglich

Pyridoxin: empfohlene Tagesmaximaldosis: 80 mg



verschreibungspflichtig

Metoclopramid: bei strenger Indikationsstellung im 2. und 3. Trimenon

Promethazin: strenge Indikationsstellung in der Schwangerschaft

Meclozin: Mittel der 1. Wahl, in Deutschland nicht mehr im Handel (evtl. Einzelimport)

Ondansetron: bei Versagen anderer Antiemetika

Methylprednisolon: kurzfristig nach erfolgloser klassischer antiemetischer Therapie, strenge Indikationsstellung



Quelle

Fejzo MS et al. Antihistamines and other prognostic factors for adverse outcome in hyperemesis gravidarum. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol (2013), DOI: 10.1016/j.ejogrb.2013.04.017.

Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie Charité Berlin, www.embryotox.de


Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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