Arzneimittel und Therapie

STIKO: Ab August 2013 alle Säuglinge impfen

Nach einem langen, schwierigen Prozess hat sich die Ständige Impfkommission (STIKO) entschieden, die Rotavirus-Impfung für alle Säuglinge vor dem sechsten Lebensmonat zu empfehlen. Entscheidend war letztlich die hohe Zahl an Hospitalisierungen im Rahmen von Rotavirus-Infekten. Das immer wieder diskutierte Invaginationsrisiko wurde dagegen als "gering" eingestuft. Die Eltern müssen aber über die Symptomatik der Infektion und deren Risiken aufgeklärt werden. Kosten einsparen lassen sich mit der Impfung nicht. Dafür müssten die Impfstoffpreise deutlich gesenkt werden.

Bereits seit 2006 sind in Deutschland zwei Lebendimpfstoffe gegen Rotaviren (RV) für Säuglinge bis zur vollendeten 24. bzw. 26. Lebenswoche zugelassen. Bislang wurde die Impfung gegen Rotaviren von der Ständigen Impfkommission (STIKO) allerdings nicht generell empfohlen. Das wird sich bald ändern: Ab August diesen Jahres sollen laut STIKO Säuglinge vor dem sechsten Lebensmonat nun doch geimpft werden, wie auf dem Symposium "Evaluation von neuen Impfstoffen durch die STIKO am Beispiel der Rotavirus-Impfung; welche Effekte können wir erwarten" auf der 21. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie e. V. in Würzburg deutlich wurde. Leicht gemacht hat sie sich diese Entscheidung nicht. Denn wesentlich für eine Impfentscheidung ist meist das Risiko der Infektion für Mortalität und Folgeschäden. Die RotavirusInfektion geht allerdings nicht mit einer erhöhten Sterblichkeit einher. Ausschlaggebend waren für die STIKO letztlich die hohen Hospitalisierungsraten bei einem Rotavirus-Infekt. Sie mussten gegen die Risiken, insbesondere gegen die mögliche Gefahr einer Invagination, abgegrenzt werden.


Rotavirus-Infektion


Rotaviren werden fäkal-oral besonders durch Schmierinfektion, aber auch durch kontaminiertes Wasser und Lebensmittel übertragen. Das Virus ist sehr leicht übertragbar; bereits zehn Viruspartikel reichen aus, um ein Kind zu infizieren. Bei akut Infizierten werden 109 bis 1011 Viren pro g Stuhl ausgeschieden. Die Inkubationszeit beträgt ein bis drei Tage. Eine Ansteckungsfähigkeit besteht während des akuten Krankheitsstadiums und solange das Virus mit dem Stuhl ausgeschieden wird. In der Regel erfolgt eine Virusausscheidung nicht länger als acht Tage, in Einzelfällen (z. B. Frühgeborene, Immundefiziente) wurden jedoch auch wesentlich längere Virusausscheidungen beobachtet.

Seit 2006 sind in Deutschland zwei Lebendimpfstoffe gegen Rotaviren für Säuglinge bis zur vollendeten 24. bzw. 26. Lebenswoche zugelassen (Rotarix® , GlaxoSmithKline; RotaTeq® , Sanofi Pasteur MSD). Beide Impfstoffe werden – je nach Impfstoff in zwei bzw. drei Dosen – oral verabreicht. Die erste Gabe des Impfstoffs erfolgt ab der 6. Lebenswoche, die letzte Dosis sollte vor Vollendung der 24. bzw. 26. Lebenswoche verabreicht werden. Der eng umschriebene Zeitraum für eine Immunisierung gegen Rotaviren soll die Gefahr einer Invagination (Darmeinstülpung) minimieren. Invaginationen wurden im Zusammenhang mit der Gabe eines Rotavirus-Impfstoffs beschrieben, der 1998 in den USA zugelassen war und wegen der vermehrt beobachteten Invaginationen wieder vom Markt genommen wurde. In den Zulassungsstudien der aktuell in Deutschland zugelassenen Rotavirus-Impfstoffe konnte wissenschaftlich valide gezeigt werden, dass das Risiko einer Invagination nach zulassungskonformer Gabe der Impfstoffe im ersten Lebenshalbjahr nicht erhöht ist.


[Quelle: Rota-Virus. Merkblatt für Ärzte. Herausgegeben vom Robert Koch-Institut, Stand Mai 2010]

Impfen senkt Hospitalisierungsrate

Rotavirus (RV)-Infektionen sind häufig. Demografische Daten zeigen, dass bei unter Ein- und Zweijährigen etwa 2000 von 100.000 Kinder erkranken. Nach dem zweiten Lebensjahr ist es noch etwa die Hälfte. Als kritisch gilt vor allem die hohe Hospitalisierungsrate: Immerhin 50% der RV-Fälle bei unter Fünfjährigen werden stationär behandelt. Die STIKO formulierte daher als Impfziel für die Rotavirus-Impfung eine "Reduktion der Rotavirus-Erkrankungen, die mit einer Hospitalisierung einhergehen, bei Kindern unter fünf Jahren". Dies lässt sich erreichen: Eine gepoolte Analyse der klinischen Daten, die für die beiden RV-Impfstoffe zur Verfügung stehen, ergab einen Schutz vor Hospitalisierung von 92%, schwere RV-Gastroenteritiden wurden zu 91% verhindert. Daraus errechnete sich eine NNV (number needed to vaccinate) von 80, um eine RV-assoziierte Hospitalisierung zu vermeiden, und eine NNV von 42, um eine schwere Gastroenteritiden zu verhindern. Zum Vergleich: Um eine Influenza-assoziierte Hospitalisation zu verhindern, müssen 1000 bis 3000 Kinder im Alter von sechs bis 23 Monaten geimpft werden. Noch deutlich höher liegen die NNV für die Meningokokken-Impfung.

Invaginationsrisiko "gering"

Das immer wieder diskutierte Risiko einer Darmeinstülpung (Invagination) stufte die STIKO als "gering" ein. Es gebe Hinweise auf ein geringes Invaginationsrisiko im Zeitraum von einem bis sieben Tagen nach der ersten Impfung. Nach Einschätzung der WHO muss mit ein bis zwei zusätzlichen Invaginationen/100.000 geimpften Kindern gerechnet werden. Kein kausaler Zusammenhang lässt sich dagegen mit dem Kawasaki-Syndrom feststellen. Das Paul-Ehrlich-Institut sieht dafür keinen Anhalt. Auch hinsichtlich Durchfall, Fieber oder Erbrechen ergab sich kein signifikanter Unterschied. Die beobachtete Kontamination des Impfstoffs mit Fremdviren (PCV) ist nicht mit Nebenwirkungen assoziiert. Die Hersteller sind aber aufgefordert, die Kontamination zu beheben. In der Nutzen-Risiko-Analyse wurde letztlich folgende Modellrechnung aufgemacht: Bei 659.000 geborenen Kindern im Jahr 2012 und einer Impfquote von 80% käme es, netto, zu fünf bis zehn zusätzlichen Invaginationen. Verhindert werden dagegen 18.250 Rotavirus-assoziierte Hospitalisierungen, 31.000 ambulante RV-bedingte Arztkontakte und 224.036 RV-Erkrankungen.

Kein Schnäppchen

Kosten sparen lassen sich mit der Impfung derzeit allerdings nicht, wie der Blick auf gesundheitsökonomische Daten zeigt: So liegen die Kosten pro vermiedener RV-Hospitalisierung bei 2540 Euro, pro vermiedener RV-Erkrankung bei 210 Euro. Bei einer Impfquote von 80% fallen in der oben beschriebenen Kohorte von etwa 650.000 Neugeborenen zusätzliche Kosten von 45 Millionen Euro an. Erst eine Senkung des Impfstoffpreises um etwa 60% würde tatsächlich zu kostensparenden Szenarien führen.

Impfung rechtzeitig abschließen

Publiziert werden wird die STIKO-Empfehlung zur Rotavirus-Impfung samt Begründung im Epidemiologischen Bulletin 34 und 35/2013. Konkret soll es dann heißen: "Die STIKO empfiehlt die routinemäßige RV-Impfung von Säuglingen im Alter unter sechs Monaten." Die Impfserie sollte möglichst frühzeitig begonnen und rechtzeitig abgeschlossen werden. Die Eltern müssen über das Invaginationsrisiko und die Symptomatik aufgeklärt werden.


Apothekerin Dr. Beate Fessler

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