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Arzneimittel und Therapie
Risikopatientinnen profitieren
Zur Primärprävention einer Brustkrebserkrankung bei Frauen mit einem erhöhten Mammakarzinomrisiko werden selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren (SERM) eingesetzt. SERM binden an den Estrogen-alpha- und Estrogen-beta-Rezeptor und weisen gewebsspezifische agonistische und antagonistische Eigenschaften auf. Im Brustgewebe wird die Estrogenaktivität blockiert, im Knochen und im Endometrium (Letzteres gilt für Tamoxifen) stimuliert. Aufgrund dieser unterschiedlichen Eigenschaften werden SERM bei verschiedenen Indikationen verwendet, so zur Prävention einer Osteoporose oder zur Senkung des Brustkrebsrisikos. Der älteste Vertreter, Tamoxifen, wird in Deutschland zur Therapie des Mammakarzinoms verordnet; in den USA wird Tamoxifen bereits offiziell zur Brustkrebs-Primärprävention bei Risikopatientinnen eingesetzt. Weitere selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren wie etwa Raloxifen (Evista®) sind in Deutschland bisher nur zur Osteoporose-Therapie zugelassen. Das Potenzial der selektiven Estrogenrezeptor-Modulatoren, das Risiko für eine Brustkrebsersterkrankung zu senken, wird erst zögerlich genutzt, obwohl Daten aus mehreren Präventionsstudien vorliegen. In einer aktuellen Metaanalyse wurden die Ergebnisse von neun Untersuchungen ausgewertet, um das Präventionspotenzial unterschiedlicher SERM erneut einzuschätzen.
Was sagen deutsche Leitlinien?Die Arbeitsgemeinschaft gynäkologische Onkologie (AGO) befasst sich in ihrer aktuellen Leitlinie von 2012 ebenfalls mit der medikamentösen Prävention für Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko. Sie spricht eine Empfehlung aus für
Die Leitlinie fügt dieser Empfehlung aber hinzu, dass chemopräventive Therapien nur nach individueller und umfassender Beratung angeboten werden sollten. Ihr Nutzen hängt vom Risikostatus, dem Alter und bestehenden Risiken für mögliche Nebenwirkungen ab. |
Metaanalyse von neun Präventionsstudien
Zur Auswertung kamen acht Präventionsstudien, in denen die SERMs Tamoxifen, Raloxifen, Arzofoxifen und Lasofoxifen mit einem Placebo verglichen wurden, und eine Studie, in der Tamoxifen und Raloxifen miteinander verglichen wurden. Für Tamoxifen und Raloxifen lagen Daten über einen langen Zeitraum vor, für die jüngeren Wirkstoffe Lasofoxifen und Arzofoxifen beschränkten sich die Daten auf eine kürzere Dauer. Der primäre Studienendpunkt der Metaanalyse war die Brustkrebsinzidenz nach einem Follow-up von zehn Jahren. Insgesamt wurden die Daten von 83.399 Frauen mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 65 Monaten ausgewertet. Die Intention-to-treat-Analyse kam zu folgenden Ergebnissen:
- Die Einnahme von selektiven Estrogenrezeptor-Modulatoren führte zu einer Abnahme der Brustkrebsinzidenz um 38%. Die errechnete NTT liegt bei 42, das heißt 42 Frauen müssten einen SERM einnehmen, um eine Brustkrebserkrankung zu verhindern.
- Die Risikosenkung war in den ersten fünf Jahren des Follow-ups größer als in den Jahren fünf bis zehn (42% vs. 25%).
- Das Potenzial der selektiven Estrogenrezeptor-Modulatoren zeigt sich vor allem bei der Prävention Hormonrezeptor-positiver Brustkrebserkrankungen, hier betrug die Risikosenkung 51%. Es wurde keine Reduktion der Häufigkeit Hormonrezeptor-negativer Tumore festgestellt. Die Häufigkeit von duktalen Carcinoma in situ (DCIS) konnte um 31% gesenkt werden (alles Daten für den gesamten Nachbeobachtungszeitraum von Jahr null bis zehn).
- Beim Vergleich zwischen Raloxifen und Tamoxifen zeigte sich der einzige signifikante Unterschied beim duktalen Carcinoma in situ, das unter Tamoxifen in stärkerem Ausmaß verhindert wurde als unter Raloxifen.
- Für die neueren SERM Lasofoxifen und Arzofoxifen liegen weniger Daten vor, insbesondere fehlt ein Langzeit-follow-up. Nach den derzeit zur Verfügung stehenden Daten scheint insbesondere Lasofoxifen eine vielversprechende Substanz zu sein.
- Unter allen selektiven Estrogenrezeptor-Modulatoren traten häufiger thromboembolische Ereignisse auf als unter einer Placebotherapie.
- Unter der Einnahme von selektiven Estrogenrezeptor-Modulatoren kam es zu einer signifikanten Abnahme vertebraler Frakturen um 34%, aber nur zu einer geringen Reduktion nicht vertebraler Frakturen.
Selektive Estrogenrezeptor-ModulatorenIm Gegensatz zu den an allen Organen wirkenden Estrogenen wirken SERM (selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren) substanzspezifisch selektiv in einigen Geweben als Agonisten oder als Antagonisten. Dadurch kommt es zu einem breiten Einsatz von der Prävention und Therapie des Mammakarzinoms über die Linderung von klimakterischer Beschwerden bis hin zur Prävention und Therapie der Osteoporose. Als erster selektiver Estrogenrezeptor-Modulator wurde in den 1970ern Tamoxifen (Nolvadex®), chemisch ein Triphenylethylen, zur Behandlung des Mammakarzinoms zugelassen. Tamoxifen antagonisiert die Wirkungen von Estradiol am Brustgewebe, ruft aber am Knochen den Estrogenen vergleichbare Wirkungen hervor. Toremifen (Fareston®), das sich von Tamoxifen lediglich durch einen Chlorsubstituenten unterscheidet, ist zur Behandlung des hormonabhängigen, metastasierenden Mammakarzinoms zugelassen. Es hat nur ein Drittel der Antitumorwirkung von Tamoxifen, eine langfristige Gabe kann zu Resistenz führen, auch eine Kreuzresistenz zu Tamoxifen wird diskutiert. Ein weiterer selektiver Estrogenrezeptor-Modulator ist Raloxifen (Evista®), ein Benzothiophen-Derivat, das in Deutschland zur Osteoporose-Prophylaxe bei postmenopausalen Frauen zugelassen ist. Raloxifen hat antiestrogene Effekte im Brustgewebe und am Endometrium, besitzt aber dem Estradiol vergleichbare Effekte am Knochen und auf das kardiovaskuläre System. Lasofoxifen (Fablyn®) ist ein SERM, der zugelassen ist zur Behandlung von Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko. Arzofoxifen ist strukturell dem Raloxifen ähnlich, durch den Austausch einer Keto-Gruppe in den antiestrogenen Eigenschaften aber überlegen. Es ist noch nicht zugelassen, befindet sich derzeit in der klinischen Entwicklung zur Behandlung des metastasierenden Brustkrebses. Quelle: Mutschler, E.: Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 10. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart (2012). |
Kommentar
Ein Kommentator der Studie hebt die deutliche Senkung der Brustkrebsinzidenz unter der Einnahme von SERM hervor, die auch nach beendigter Therapie anhält. Er weist ferner auf eine aktuelle Diskussion des englischen National Institute für Health and Clinical Excellence (NICE) hin, ob Frauen mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko die Einnahme eines SERM empfohlen werden soll. Bei der Auswahl eines geeigneten Wirkstoffs – auch Aromatasehemmer wie etwa Exemestan können eingesetzt werden – müssen der Wunsch der Patientin und ihr Risikoprofil berücksichtigt werden. Die Möglichkeit einer Primärprävention ist aber derzeit nur für Hormonrezeptor-positive Karzinome sowie duktale Carcinoma in situ nachgewiesen; Wirkstoffe zur Prävention Hormonrezeptornegativer Tumore sind noch nicht bekannt. Auch fehlen valide Prädiktoren, um im Vorfeld einschätzen zu können, ob die gefährdete Frau ein erhöhtes Risiko für einen Hormonrezeptor-positiven oder Hormonrezeptor-negativen Tumor aufweist.
QuelleCuzick J et al. Selective oestrogen receptor modulators in prevention of breast cancer: an updated meta-analysis of individual participant data. Lancet online vom 30. April 2013; http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(13) 60140-3.Howell A et al. Breast cancer prevention: SERMs come of age. Lancet online vom 30. April 2013; http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(13)60443-2.www.ago-online.de
Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
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