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Arzneimittel und Therapie
Nutzen und Risiko verschiedener Arzneimittel
Migräneartige Kopfschmerzen reichen von moderaten bis zu sehr schweren Formen, betroffen sind zu 17% Frauen und zu 6% Männer. Nach Definition der National Headache Foundation wird zwischen episodisch auftretender Migräne (< 15) oder chronischer Migräne (≥ 15 Tage pro Monat für mindestens drei Monate) unterschieden. Für viele Erwachsene bedeuten auch die episodisch auftretenden Migräne-Attacken eine deutliche Einschränkung ihrer Lebensqualität und bedürfen deshalb wenn möglich präventiver Maßnahmen. Sinn der medikamentösen Prophylaxe ist eine Reduzierung von Häufigkeit, Schwere und Dauer der Migräneattacken und die Prophylaxe des medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerzes. Ein Ziel einer solchen Migräneprophylaxe sollte eine mindestens 50%-ige Reduzierung des Auftretens von Migräne ohne nicht zu tolerierende Nachteile sein. In bisher veröffentlichten Datenreviews wird überwiegend die Effektivität einzelner Wirkstoffe untersucht, und es findet leider kein Vergleich von Wirkung und Nebenwirkung mehrerer Therapieoptionen statt.
Systematische Analyse und Vergleich präventiver Optionen
In dem aktuellen Review wurden zunächst 5244 Referenzstudien zum Thema Migräneprävention gesichtet. Nach streng definierten Kriterien wurden davon 215 Veröffentlichungen von randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) und 76 Publikationen nicht-randomisierter Studien ausgewählt und in die weitere Auswertung aufgenommen. In den randomisierten Studien waren 59 Arzneistoffe aus 14 Wirkstoffklassen untersucht worden. Die Population in den ausgewerteten Studien umfasste überwiegend Frauen in mittlerem Alter mit episodisch auftretender Migräne. Sie waren oft übergewichtig und erlitten im Durchschnitt fünf Migräneattacken pro Monat mit oder ohne Aura.
Auch off label in der Migräneprophylaxe wirksam
Die Datenanalyse zeigte, dass alle in den Vereinigten Staaten zur Migräneprophylaxe zugelassenen Medikamente, nämlich Topiramat (9 RCTs), Divalproex (3 RCTs), Timolol (3 RCTs) und Propranolol (4 RCTs), jeweils im Vergleich zu Placebo in den entsprechenden RCTs die Häufigkeit von Migräne-Attacken um mehr als 50% reduziert hatten. Aber auch andere Betablocker, wie z. B. das in Europa für die Migräneprävention zugelassene Metoprolol (4 RCTs) und Atenolol (1 RCT), Nadolol (1 RCT) und Acebutolol (1 RCT), wiesen eine vergleichbar gute Wirksamkeit auf. Darüber hinaus übertrafen aber auch die für diese Indikation nicht zugelassenen ACE-Hemmer Captopril (1 RCT) und Lisinopril (1 RCT) und der Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonist Candesartan (1 RCT) die Wirkung von Placebo und reduzierten ebenfalls die Häufigkeit der monatlichen Attacken um mehr als 50%. Nebenwirkungen, die zum Abbruch der Therapie führten, waren im Vergleich zu Placebo größer unter der Therapie mit Topiramat und den Off-label-Antiepileptika und -Antidepressiva. Beim Vergleich der für diese Indikation zugelassenen Arzneimittel zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied im Benefit. Überraschenderweise zeigten sich die für diese Indikation nicht zugelassenen ACE-Hemmer und Betablocker in diesem Studienreview am effektivsten und als von den Patienten am besten tolerierte Arzneimittel.
Empfehlungen in DeutschlandZur Migräneprävention sprechen die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie folgende Empfehlungen aus:
Akupunktur und Scheinakupunktur unterscheiden sich in ihrer migräneprophylaktischen Wirkung nicht voneinander und sind vergleichbar mit der Wirksamkeit der medikamentösen Standardtherapie. Die Homöopathie ist Evidenz-basiert nicht wirksam. In randomisierten placebokontrollierten Studien fanden sich negative Ergebnisse. Metaanalysen kommen übereinstimmend zu der Einschätzung, dass sowohl Entspannungsverfahren (meist die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson) als auch die verschiedenen Biofeedbackverfahren im Mittel eine Reduktion der Migränehäufigkeit von 35 bis 45% erreichen. Die Effektstärke dieser Verfahren liegt damit in dem Bereich, der für Propranolol angegeben wird. Botulinumtoxin A ist zur Migräneprophylaxe der episodischen Migräne nicht wirksam. Es fehlen große randomisierte Studien zur Wirksamkeit der Behandlung der chronischen Migräne. [Quelle: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie; 4. überarb. Auflage 2008, S. 654 ff, ISBN 978-3-13-132414-6; Georg Thieme Verlag Stuttgart] |
Aussagekraft und Grenzen dieser Studie
In dieser Auswertung verschiedener Studien wurde auch nach den allgemein anerkannten Regeln die Evidenz erfasst. Diese war leider in den meisten Fällen nur von einem geringen Level. Da es sich vielfach um Industrie-gesponserte Studien gehandelt hatte, war es schwierig, eine mögliche Einflussnahme vom finanziellen Sponsor zu ermitteln. Angaben zur Offenlegung der Verbindungen zwischen Autoren und den finanziellen Unterstützern fehlten oft. Auch wurden die Autoren der einzelnen Studien nicht für Rückfragen kontaktiert. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass einige in den USA bisher nicht zur Migräneprophylaxe zugelassenen Arzneimittel wie bestimmte Betablocker und am Angiotensin-System angreifende Arzneimittel eine hohe Wirksamkeit und gute Verträglichkeit zeigten. Wünschenswert wären weitere Untersuchungen mit diesen Substanzen zur Prävention von episodisch auftretender Migräne.
QuelleShamliyan TA et al. Preventive Pharmacologic Treatments for Episodic Migraine in Adults. JGIM, Published online April 17, 2013.
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