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Arzneimittel und Therapie
Eine neue kausale Therapie bei trockenem Auge?
Das trockene Auge (Keratokonjunktivitis sicca) ist eine multifaktorielle Dysfunktion mit einer quantitativen und qualitativen Veränderung des Tränenfilms und der Augenoberfläche sowie einer Störung der Meibomdrüse, einer Talgdrüse am Augenlid [1, 2]. Neben pathologischen Ursachen sind vor allem prädisponierende Faktoren wie das Tragen von Kontaktlinsen oder langwierige Bildschirmarbeit verantwortlich für die symptomatischen Beschwerden wie Rötung und Brennen des Auges. Eine Nichtbehandlung führt darüber hinaus zu verminderter Sehleistung und beeinträchtigt dadurch die Lebensqualität der Betroffenen.
Der genaue pathologische Mechanismus ist bisher nicht vollständig geklärt. Als sicher gilt, dass die gestörte Aufrechterhaltung des Tränenfilms lokale Entzündungsprozesse fördert, wobei Interleukin 1 (IL 1) die Aktivierung und Migration von Leukozyten induziert und damit zu einer progressiven Schädigung der Hornhaut (Cornea) und Bindehaut des Auges führt [3]. Neben der symptomatischen Behandlung mit künstlichen Tränenersatzmitteln kann eine antientzündliche und immunsuppressive Behandlung mit topischen Corticosteroiden oder Ciclosporin A die Produktion von IL 1 beeinflussen. Jedoch zeigen sich hierbei ernsthafte Nebenwirkungen wie erhöhter Augeninnendruck oder Kataraktentstehung [4]. Eine gezielte Blockade von IL 1 wäre daher ein richtiger Ansatz für eine kausale Therapie.
BeratungstippDa in naher Zukunft keine ursächliche Therapie des trockenen Auges möglich sein wird, sollte bei Patienten mit refraktärem trockenem Auge überlegt werden, ob die Symptome nicht Nebenwirkungen einer bisherigen medikamentösen Therapie sind. Besonders Betablocker, Diuretika, Antihistaminika, Anticholinergika, tri- und tetracyclische Antidepressiva, Neuroleptika oder Estrogene können ein trockenes Auge verursachen. |
Anakinra, ein rekombinanter, humaner IL-1-Rezeptor-Antagonist, ist derzeit zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen und blockiert die durch IL 1α und IL 1β vermittelten Entzündungsreaktionen. Nun wurde im JAMA Ophthalmology eine randomisierte, prospektive klinische Doppelblindstudie der Phase I/II veröffentlicht, welche die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer lokalen Anwendung von Anakinra an 57 Patienten mit Symptomen einer refraktären Keratokonjunktivitis sicca untersuchte [5]. Die dreiarmige Studie umfasste eine Kontrollgruppe, die ausschließlich mit wirkstofffreier Trägerlösung behandelt wurde, sowie zwei Gruppen, die über insgesamt zwölf Wochen Anakinra 2,5% bzw. 5% als Tropfenlösung erhielten. Primärer Endpunkt der Studie war u. a. die Reduktion der Hornhautschäden, ermittelt über die Intensität der Einfärbung der geschädigten Cornea mittels Fluoreszeinfarbstoff (Corneal Fluorescein Staining, CFS) als Standardtest zur Charakterisierung der Beschaffenheit der Hornhautoberfläche. Hinzugezogen wurden ebenfalls die Besserung der symptomatischen Beschwerden, die qualitative und quantitative Veränderung der Tränenflüssigkeit sowie die Funktionalität der Meibomdrüse.
Eine zwölfwöchige Behandlung mit Anakinra 2,5% reduzierte die Hornhautfärbung um 46% (95% KI, -1,1 bis -0,4), gegenüber 17% (-0,7 bis 0,2) bei Anakinra 5% und 19% (-0,70 bis 0,04) in der Kontrollgruppe. Die Symptomatik des trockenen Auges, ermittelt über patientenspezifische Fragebögen, verbesserte sich durch Anakinra 2,5% sechsfach effektiver als in der Kontrollgruppe. Alle Studienarme zeigten zudem eine Normalisierung des Flüssigkeitsfilmes sowie der Talgproduktion. Insgesamt zeigte Anakinra eine höhere Verträglichkeit als bisher eingesetzte Behandlungsoptionen, da über die Gesamtdauer der Studie keine ernsthaften lokalen bzw. systemischen Nebenwirkungen auftraten. Beschwerden bei der Applikation der Tropfen zeigten sich nur anfänglich, da Anakinra zu einer stetigen Beruhigung der überempfindlichen Nervenfasern führte. Die geringe Ansprechrate auf höher dosiertes Anakinra 5% erklären die Autoren mit möglichen Instabilitäten in der Formulierung der Augentropfen, da es in konzentrierter Lösung anionischer Stabilisatoren bedarf, die für diese Studie jedoch nicht zur Anwendung kamen. Die Verwendung rekombinanter Proteine geht stets mit sehr hohen Behandlungskosten einher. Aufbauend auf den vorliegenden Studienergebnissen bedarf es daher einer zusätzlichen pharmakoökonomischen Nutzen-Analyse, um das Indikationsspektrum für Anakinra auch auf refraktäre Keratokonjunktivitis sicca erweitern zu können.
Ergebnisse nach zwölfwöchiger Behandlungsdauer [5]. | |||||
Medikation |
Reduktion
der Hornhautschäden1) [%]
|
vollständige Heilung der Hornhaut2)
[%]
|
Verbesserung: |
||
Symptome
des trockenen Auges3) [%]
|
Funktionalität der Meibomdrüse [%] |
Qualität/ Quantität des Tränenfilms4)
[%]
|
|||
Kontrolle |
19 |
7 |
5 |
11 |
16 |
Anakinra 2,5% |
46 |
29 |
30 |
11 |
18 |
Anakinra 5% |
17 |
7 |
35 |
5 |
11 |
1) Ermittelt über die Reduktion der Hornhautfärbung (nach CFS)2) Ermittelt über das vollständige Fehlen einer Hornhautanfärbung (nach CFS)3) Ermittelt über patientenspezifische Fragebögen4) Ermittelt über die Tränenfilmaufreißzeit (tearfilm breakup time)
Quelle[1] Brewitt H, Sistani F. Dry Eye Disease: The Scale of the problem. Surv Ophthalmol 2001; 45 (Suppl 2): 199 – 202.[2] Barabino S. Animal models of dry eye. Arch Soc Esp Oftalmol 2005; 80(12): 693 – 696.[3] International Dry Eye Workshop Study Group. Report of the Definition and Classification Subcommittee of the International Dry Eye WorkShop (2007). Ocul Surf. 2007; 5: 75 – 92.[4] De Paiva CS, Corrales RM et al. Corticosteroid and doxycycline suppress MMP-9 and inflammatory cytokine expression, MAPK activation in the corneal epithelium in dry eye. Exp Eye Res. 2006; 83: 526 – 535.[5] Amparo F, Dastjerdi M et al. Topical Interleukin 1 Receptor Antagonist for Treatment of Dry Eye Disease. JAMA Ophthalmol. 2013; 3: 1 – 9.
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