DAZ aktuell

"Eine Selbstverständlichkeit!"

Keine schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von BAK und ABDA

STUTTGART (du). Am 24. April 2013 fand eine öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss zur Entlassung der Pille danach aus der Rezeptpflicht statt. Mehrere Verbände haben im Vorfeld ihre Stellungnahme dazu abgegeben, unter anderem die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Auch der Deutsche Pharmazeutinnen Verband (dpv, s. Kasten) hat die Gelegenheit zur Stellungnahme im Rahmen der Anhörung genutzt. Keine schriftliche Stellungnahme haben dagegen die Bundesapothekerkammer (BAK) und die ABDA vorgelegt.
BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer: "Wenn die Pille danach rezeptfrei wird, werden wir unseren Job machen." Foto: AK Rheinland-Pfalz

Die KBV plädiert für die Beibehaltung der Verschreibungspflicht. Sie führt unter anderem eine Verschlechterung der Versorgungsqualität als Argument gegen die Rezeptfreigabe ins Feld. Dagegen stellt der Deutsche Pharmazeutinnen Verband fest, dass weder medizinisch-pharmazeutisch fachliche noch ethisch moralische Gründe ein weiteres Verbleiben der "Pille danach" (Levonorgestrel, LNG) in der Verschreibungspflicht rechtfertigen. Er empfiehlt dem Gesetzgeber, die Rechtsverordnung der "Pille danach" auch in Deutschland zeitnah entsprechend zu ändern.

Kiefer: Dazu bedarf es keiner Stellungnahme

Für den BAK-Präsidenten Dr. Andreas Kiefer machte dagegen eine schriftliche Stellungnahme der BAK und der ABDA zu diesem Thema im Vorfeld der Anhörung keinen Sinn. Im Gespräch mit der DAZ erklärte er: "Wir Apotheker erfüllen einen gesetzlichen Versorgungs-Auftrag, den die Bundesapothekerordnung und das Apothekengesetz vorgeben. Sollte entschieden werden, dass die Pille danach rezeptfrei abgegeben werden darf, dann werden die Apotheker ihren Job genauso machen wie jetzt, wo sie verschreibungspflichtig ist. Das können wir und das ist eine Selbstverständlichkeit, zu der es keiner Stellungnahme bedarf."

KBV zweifelt an qualifizierter Beratung

In ihrer Stellungnahme erklärt die Kassenärztliche Bundesvereinigung "Wer diese Mittel zur Anwendung bringt, sollte in der Lage sein, die Notwendigkeit ihres Einsatzes zu klären, Fragen zu Wirksamkeit, Kontraindikationen, Neben- und Wechselwirkungen zu beantworten und im Einzelfall bei entsprechender Anamnese auch eine bereits bestehende Schwangerschaft auszuschließen" und bezweifelt, dass dies bei Rezeptfreigabe gewährleistet ist.

Auf diese Passage angesprochen erklärt Kiefer: "Niemand zweifelt an unserer Kompetenz, Fragen zur Wirksamkeit, zu Kontraindikationen und Wechselwirkungen zu beantworten, das machen wir tagtäglich." Die KBV habe an dieser Stelle Recht, auf die große Bedeutung der qualifizierten Beratung hinzuweisen – sie beschreibe damit die Kernaufgabe der Apotheke. Deshalb sieht Kiefer keinen Anlass, auf diese Stellungnahme widersprechend zu reagieren.

Angst vor Grenzüberschreitungen unbegründet

Die gynäkologische Anamnese reklamieren die Ärzte zu Recht für sich, so Kiefer. "Wir stellen lediglich die Fragen, die wir auch bei einer ärztlichen Verordnung stellen. Wie zum Beispiel: Was nehmen Sie sonst noch ein, wann passierte die Verhütungspanne, wann war die letzte Regelblutung?" Das sei keine Erhebung im ärztlichen Sinne, die KBV schätze das falsch ein. "Eine Angst vor Grenzüberschreitungen ist unbegründet", so Kiefer.

Auch die Befürchtung der KBV, dass die Kosten bei der Rezeptfreigabe für die Betroffenen steigen werden, wollte Kiefer nicht teilen. "Wenn aus einem verschreibungspflichtigen Arzneimittel ein OTC-Arzneimittel wird, dann gehört selbstverständlich auch die Beratung dazu, für die Beratungsleistung fallen keine zusätzlichen Kosten an!" so Kiefer. Erst wenn den Apothekern über den gesetzlichen Auftrag hinaus mehr Aufgaben aufgebürdet werden, dann müsse das auch zusätzlich honoriert werden. Das vollständige Interview ist am 24. April 2013 auf DAZ.online veröffentlicht worden.


dpv zur "Pille danach"


Stellungnahme des Deutschen Pharmazeutinnen Verbandes (dpv) zur "Pille danach" beim Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages am 24. April 2013 in Berlin


Bereits im Jahre 2003 hat der zuständige Sachverständigenausschuss die Aufhebung der Verschreibungspflicht von Levonorgestrel 1,5 mg (LNG) zur Nachverhütung dem BMG empfohlen. FDA (USA), WHO und viele internationale Fachgesellschaften haben sich in den letzten 10 Jahren aufgrund zahlreicher Studien dieser Empfehlung angeschlossen. Das führte dazu, dass weltweit inzwischen in 79 Ländern, davon allein in 28 europäischen Ländern die Freigabe aus der Verschreibungspflicht mit positiven Erfahrungen erfolgt ist.

Dabei hat sich herausgestellt, dass in diesen Ländern die Freigabe nicht zur Zunahme bedeutsamer Nebenwirkungen sowohl bei erwachsenen Frauen wie Mädchen in der Adoleszenz führte, das Sexualverhalten sich weder essentiell veränderte, noch Missbrauch mit diesem Arzneimittel betrieben wurde. Zu "Pille danach (LNG)" gibt es keine Kontraindikationen. Es ist nachgewiesen, dass die Pille danach (LNG) in der Frühschwangerschaft keinen Abort auslöst. Nach den weltweit publizierten und auch im Internet veröffentlichten Daten und Studien mit Levonorgestrel 1,5mg (LNG) ist es betroffenen Frauen schwer zu vermitteln, dass dieses Präparat in Deutschland weiterhin verschreibungspflichtig ist. Deutsche Apotheken sind qua Gesetz und Berufsordnungen zur vertraulichen Beratung der Patientinnen und Patienten generell Tag wie Nacht verpflichtet, zuletzt bestätigt durch die 2012 aktuell in Kraft getretene neue Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO).

Langjährige Erfahrungen unserer Kolleginnen im Nacht- und Notdienst zeigen, dass jede Art von Arzneimittel auch durch die Notdienstklappe ausreichend den Patienten erklärt werden kann, angefangen bei Antibiotikasäften, Pilzpräparaten zur vaginalen Anwendung über Hämorrohoidenpräparaten bis zu Migränearzneimitteln, etc. Schon heute wird zu Verschreibungen der Pille danach (LNG) professionell zu allen Zeiten in den Apotheken beraten, besonders in Nacht- und Notdiensten, wenn in den Notfallpraxen keine Gynäkologen anwesend sind.

Die Pille danach (LNG) soll studienbelegt innerhalb der ersten 12 bis 24 Stunden nach dem ungeschützten Koitus eingenommen werden, um eine optimale Wirkung zu gewährleisten. Die flächendeckende Versorgung im Nacht- und Notdienst durch Apotheken (viel besser organisiert als in anderen Ländern) gewährleistet eine zeitnahe und niedrigschwellige Versorgung der Frauen in der Notfallsituation mit der Pille danach (LNG). Durch die Freigabe aus der Verschreibungspflicht bleibt die Anonymität der Frauen gewährleistet.

Unabhängig vom Arzneimittel und den vom Kunden benannten Beschwerden ist es für Apothekerinnen und Apotheker schon immer selbstverständlich den Patienten dahingehend zu beraten, ob sein Anliegen für eine Selbstmedikation geeignet ist oder zwingend ein Arzt aufgesucht werden sollte. Sexuelle Übergriffe sind selbstverständlich eine ärztliche Indikation!

Auch die katholischen deutschen Bischöfe haben aufgrund der aktuellen Vorkommnisse an Kölner konfessionellen Krankenhäusern bestätigt, dass gegen die Einnahme der Pille danach (LNG) keine ethischen Bedenken bestehen.


Fazit

Der Deutsche Pharmazeutinnen Verband stellt fest, dass weder medizinisch-pharmazeutisch fachliche noch ethisch moralische Gründe ein weiteres Verbleiben der Pille danach (LNG) in der Verschreibungspflicht rechtfertigen. Wir empfehlen dem Gesetzgeber die Rechtsverordnung der Pille danach (LNG) auch in Deutschland zeitnah entsprechend zu ändern.


Deutscher Pharmazeutinnen Verband e. V.
Klotzenmoor 38e, 22353 Hamburg
info@pharmazeutinnen.de
www.pharmazeutinnen.de
Vorsitzende: Dr. Martina Hahn, PharmD

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