- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 13/2013
- Schlaganfall – die ...
Arzneimittel und Therapie
Schlaganfall – die Epidemie des 21. Jahrhunderts
Aufgrund der demographischen Entwicklung werden immer mehr Menschen einen Schlaganfall erleiden. Die derzeit rund 200.000 Neuerkrankungen pro Jahr – zu 80% Hirninfarkte, zu 15% Hirnblutungen – stellen nur die Spitze des Eisbergs dar und man rechnet mit einer Verdreifachung der Erkrankung in den nächsten Jahren, von der vor allem Frauen betroffen sein werden. Besorgniserregend sind nicht nur die hohe Letalität, sondern auch die Folgen für Überlebende und Angehörige, da rund ein Viertel der Betroffenen pflegebedürftig wird, was mit hohen pflegerischen und finanziellen Anforderungen einhergeht. Um diese tristen Aussichten zu verbessern, stehen vornehmlich zwei Wege zur Verfügung: Bessere und vor allem schnelle Therapien und eine wirksame Primär- und Sekundärprävention.
Time is brain
Damit nach erfolgtem Schlaganfall eine rasche Behandlung eingeleitet wird, müssen die Symptome erkannt werden und eine sofortige Behandlung in einer spezialisierten Einrichtung erfolgen. Charakteristische Merkmale eines Schlaganfalls sind Sehstörungen, Schwierigkeiten, Gesprochenes zu verstehen, Schwindel, Lähmungen, Gleichgewichtsstörungen Übelkeit und Kopfschmerzen, wobei das Auftreten mehrerer Symptome gleichzeitig möglich ist. Die Akuttherapie erfolgt in einer Stroke Unit und besteht aus der raschen Gabe von Actilyse® (Gewebe-Plasminogen-Aktivator Alteplase), wobei ein Zeitfenster von 4,5 Stunden eingehalten werden sollte, um irreversible Schädigungen zu verhindern ("Time is brain"). Je früher die Lyse einsetzt, umso höher ist der Therapieerfolg.
Primär- und Sekundärprävention
Die wichtigsten vorbeugenden Interventionen können im Rahmen der Primär- und Sekundärprävention getroffen werden. Welcher Patient welche Prophylaxe erhält, hängt von bestehenden Grunderkrankungen und Risikofaktoren ab. Zu diesen zählen Alter, Geschlecht (Männer sind häufiger betroffen), genetische Disposition, Bewegungsmangel, Diabetes, Bluthochdruck, Rauchen sowie Alkoholkonsum. Diese Faktoren potenzieren sich und können das Schlaganfallrisiko drastisch erhöhen. Ein weiterer ungünstiger Parameter ist das Vorliegen eines Vorhofflimmerns, dessen Häufigkeit im Alter zunimmt. Patienten mit Vorhofflimmern werden oft nur unzureichend behandelt, da ihre Erkrankung in rund der Hälfte aller Fälle asymptomatisch verläuft und kein Leidensdruck besteht. Etwa 20 bis 30% aller Schlaganfälle gehen auf Vorhofflimmern zurück und zeigen in der Regel schwerere Verläufe.
Senken von Risikofaktoren
Zwei Drittel aller Schlaganfälle könnten verhindert werden, wenn Risikofaktoren gesenkt und effektive Therapien eingeleitet würden. Liegt eine Hypertonie vor, muss diese konsequent behandelt werden, da bereits eine Blutdrucksenkung von 5 mmHg das Schlaganfallrisiko um 34% senkt. Zur Cholesterinsenkung werden Statine eingesetzt, um zusätzlich deren pleiotrope Effekte zu nutzen. Evidente Daten liegen für Atorvastatin (80 mg) vor, wahrscheinlich können ähnliche Wirkungen auch mit Simvastatin erzielt werden. Die Einnahme von Vitaminpräparaten kann das Schlaganfallrisiko nicht reduzieren; als nicht-medikamentöse Maßnahmen stehen die Bewegung, eine obst- und gemüsereiche Ernährung sowie der Verzicht auf Rauchen im Vordergrund.
Plättchenhemmung und Antikoagulation
Die wichtigsten therapeutischen Maßnahmen sind die Hemmung der Thrombozytenaggregation und die Antikoagulation, die risikostratifiziert durchgeführt werden. Empfehlungen, wann welche Wirkstoffe zur Plättchenhemmung (z. B. ASS, Clopidogrel, ASS plus Dipyridamol) eingesetzt werden, sind unter anderem in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie festgehalten. Zur Einschätzung, ob ein Patient antikoaguliert werden sollte, wird ein Risikoscore (CHA2DS2-VASc Score) herangezogen, der unter anderem das Alter und Geschlecht des Patienten und seine Erkrankungen berücksichtigt. Bei höherem Risiko wird Phenprocoumon (Marcumar®) eingesetzt. Patienten mit persistierendem oder paroxysmalem Vorhofflimmern und begleitenden vaskulären Risikofaktoren (Hypertonie, koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Alter > 75 Jahre) sollen ebenfalls oral antikoaguliert werden mit einer Ziel-INR von 2,0 bis 3,0. Dazu werden Vitamin-K-Antagonisten oder die neuen oralen Antikoagulanzien (Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban) eingesetzt. Die Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten (in Deutschland Phenprocoumon, sonst Warfarin) ist trotz ihrer Effektivität problematisch, da sie häufig von Patient und Arzt mit Skepsis beurteilt wird. Schwierigkeiten bei der Dosisfindung, die Notwendigkeit regelmäßiger Kontrollen, mögliche Interaktionen mit Nahrungs- und Arzneimitteln und die Angst vor Blutungen erschweren den Umgang mit Marcumar®. Hinzu kommt, dass ein schlecht eingestellter Marcumar®-Patient ein höheres Schlaganfallrisiko aufweist als ein Patient, der kein Antikoagulans erhält. Daher wurde die Einführung der neuen oralen Antikoagulanzien mit einer gewissen Euphorie begrüßt, da sie bei gleicher oder besserer Wirkung und vergleichbarem Sicherheitsprofil einfacher zu handhaben sind. Allerdings besteht nicht in jedem Fall die Notwendigkeit einer Umstellung auf die neuen Wirkstoffe. Ist ein Patient mit Vorhofflimmern gut auf Marcumar® eingestellt (Ziel-INR zwischen 2 und 3), besteht keine Notwendigkeit zur Umstellung, bei neu diagnostiziertem Vorhofflimmern können die Patienten auf die neuen oralen Antikoagulanzien eingestellt werden.
Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.