Arzneimittel und Therapie

Risikobewertungsverfahren für Flupirtin gestartet

Flupirtin (Katadolon®) ist ein zentral wirkendes, mittelstarkes bis starkes, nicht-opioides Analgetikum. Weil es neben der schmerzstillenden Wirkung auch muskelrelaxierend wirkt, wird es unter anderem bei schmerzhaften Muskelverspannungen der Halte- und Bewegungsmuskulatur, Spannungskopfschmerz sowie Regelschmerzen eingesetzt. Aufgrund vermehrter Meldungen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die die Leber betreffen, hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) nun ein Risikobewertungsverfahren gestartet.

Das Analgetikum Flupirtin ist der Prototyp einer Substanzklasse, deren Wirkung auf der selektiven Öffnung neuronaler Kalium-Kanäle basiert (SNEPCO, Selective Neuronal Potassium Channel Opener). Der Wirkstoff stabilisiert das Ruhemembranpotenzial und setzt so die neuronale Erregbarkeit herab. Zudem hemmt Flupirtin indirekt die Aktivierung von NMDA-Rezeptoren, da die Blockade der NMDA-Rezeptoren durch extrazelluläres Mg2+ spannungsabhängig ist und erst bei Depolarisation der Zellmembran aufgehoben wird. Die Aktivierung des NMDA-Rezeptors würde zu einem Einstrom von Calcium-Ionen führen, der eine zusätzliche Sensibilisierung der Neuronen zu Folge hätte. Durch Aufrechterhaltung der Blockade wird die Weiterleitung aufsteigender nozizeptiver Impulse bei neuronaler Erregung gehemmt. Die Aktivierung von NMDA-Rezeptoren spielt auch eine Rolle bei der Bildung des Schmerzgedächtnisses, also der Chronifizierung von Schmerzen. Flupirtin soll den Chronifizierungsprozessen entgegenwirken. Außerdem wirkt Flupirtin muskelrelaxierend und soll keine Sucht- oder Toleranzentwicklung verursachen. Der Wirkstoff ist ab dem Kindesalter (sechs Jahre) bei akuten und chronischen Schmerzen wie schmerzhaften Muskelverspannungen der Halte- und Bewegungsmuskulatur, Spannungskopfschmerzen, Tumorschmerz und Dysmenorrhö zugelassen.

Wirksamkeit bei chronischen Schmerzen nicht belegt

Mehr als ein Drittel der gemeldeten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (330 von 950) beschreibt Leber- oder Gallenerkrankungen. Darunter waren 49 Fälle von Leberversagen, Zwölf davon mit tödlichem Ausgang. Aufgrund dieser Meldungen hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bei der EMA ein Risikobewertungsverfahren beantragt, das jetzt in die Wege geleitet worden ist. Im ersten Schritt des Risikobewertungsverfahrens werden die betroffenen pharmazeutischen Unternehmer und andere Interessengruppen befragt. Darüber hinaus sieht das BfArM die Wirksamkeit bei chronischen Schmerzen nicht ausreichend belegt.

Regelmäßige Kontrolle der Leberwerte muss sein

Die behandelnden Ärzte werden in diesem Zusammenhang dazu aufgefordert, bei der Verordnung von Flupirtin-haltigen Arzneimitteln die Gegenanzeigen, Vorsichtsmaßnahmen und Warnhinweise zu beachten. Patienten, die mit Flupirtin behandelt werden, sollten sich regelmäßigen Kontrollen ihrer Leberwerte unterziehen und für Anzeichen einer möglichen Leberschädigung sensibilisiert werden. Die Behandlung sollte gegebenenfalls sofort unterbrochen werden.

BAH hält deutsche Produktinformationen für ausreichend

Laut einer Stellungnahme des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH), der die Zulassungsinhaber in der Regel bei derartigen Verfahren vertritt, handelt es sich um Verdachtsmomente in Bezug auf zum Teil schwerwiegende lebertoxische Reaktionen im Zusammenhang mit der Therapie mit diesem Wirkstoff. Die betroffenen Unternehmen nehmen zur Zeit eine Bewertung der ihnen vorliegenden Daten hinsichtlich der vorgebrachten Verdachtsmomente vor, die noch nicht abgeschlossen ist. Desweiteren vertritt der BAH die Auffassung, dass die Produktinformationen der in Deutschland vertriebenen Produkte in sachgerechter Weise auf die betreffenden Risiken hinweisen.


Quelle

Flupirtin: Europäisches Risikobewertungsverfahren gestartet, Mitteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 15. März 2013.

ABDA-Datenbank


jb


Zum Weiterlesen


Mehr zu Wirkung und Einsatz von Flupirtin und alles über Schmerzen und deren Behandlung lesen Sie in "Pharmako-logisch! Schmerzspezifische Analgesie".

DAZ 2011, Nr. 44, S. 66– 101.











DAZ 2013, Nr. 13, S. 84

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