Interpharm 2013

NSAIDs und Triptane in der Selbstmedikation

(pj). Obwohl die meisten Menschen in Deutschland sporadisch oder häufig unter Kopfschmerzen leiden, sucht nur ein kleiner Teil von ihnen aufgrund dieser Beschwerden den Arzt auf. Das heißt, der große Teil der Betroffenen wendet sich in erster Linie an den Apotheker. Wie eine sinnvolle Selbstmedikation aussehen kann, erläuterte Prof. Dr. Burkhard Hinz, Rostock.
Prof. Dr. Burkhard Hinz bezeichnete die Apotheke als häufigste Anlaufstelle für Kopfschmerzpatienten. Eine fachgerechte Beratung der Patienten setzt die Kenntnis von Kontraindikationen, Nebenwirkungen, Interaktionen, aber auch der Diagnosekriterien voraus!

Die zwei häufigsten Kopfschmerzarten sind Migräne und episodische Kopfschmerzen vom Spannungstyp. Zu ihrer Unterscheidung können einige charakteristische Merkmale herangezogen werden:

  • Migräne: Es müssen mindestens fünf Attacken erfolgt sein, deren Dauer zwischen vier und 72 Stunden betragen kann. Der Schmerz ist einseitig, pulsierend, von mittlerer bis starker Intensität und wird durch körperliche Aktivitäten wie z. B. Bewegung an frischer Luft verstärkt. Von diesen Schmerzcharakteristika müssen mindestens zwei zutreffen. Typische Begleitsymptome sind Übelkeit und Erbrechen sowie Lärm- und Geräuschempfindlichkeit (mindestens eines dieser Kriterien muss vorliegen). Bei ungefähr 15% der Migränepatienten tritt vor der Attacke eine Migräne-Aura mit Gesichtsblitzen oder Gesichtsfeldeinschränkungen auf. Als auslösender Faktor einer Migräneattacke wird das Wechselspiel unterschiedlicher Faktoren wie etwa eine genetische Disposition, unregelmäßiger Lebensrhythmus, bestimmte Nahrungsmittel oder Hormonschwankungen diskutiert.

  • Episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp: In seiner sporadischen Form tritt er an weniger als zwölf Tagen pro Jahr auf, in seiner häufigen Form zwischen 12 und 180 Tagen pro Jahr. Er dauert zwischen 30 Minuten und sieben Tagen. Der Schmerz ist beidseitig oder beengend, aber nicht pulsierend und zeigt eine leichte bis mittlere Intensität. Der Schmerz wird durch körperliche Aktivitäten nicht verstärkt (zwei dieser Kriterien müssen zutreffen). Es treten weder Übelkeit noch Erbrechen auf. Der Patient ist geräusch- oder lichtempfindlich, aber nicht beides gleichzeitig. Als auslösende Faktoren kommen das monotone Sitzen am Arbeitsplatz, ungünstiges Licht, Fehlhaltungen sowie körperliche und psychische Dauerbelastungen infrage.

Bei der Auswahl eines geeigneten Mittels kann man auf die "Empfehlungen zur Selbstmedikation akuter Migräneattacken mit und ohne Aura sowie Kopfschmerzen vom Spannungstyp" zurückgreifen. Diese 2009 publizierten Empfehlungen führen als Mittel der Wahl zur Therapie akuter Migräneattacken Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Paracetamol, Phenazon und eine Kombination aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein auf. Zur Behandlung von Spannungskopfschmerzen werden Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Diclofenac sowie fixe Kombinationen aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein und aus Paracetamol und Coffein genannt (siehe Tabelle).

Empfehlungen zur Selbstmedikation akuter Migräneattacken mit und ohne Aura sowie Kopfschmerzen vom Spannungstyp. Aufgeführt sind die Mittel der 1. Wahl.

akute Migräneattacken mit und
ohne Aura
Kopfschmerzen vom
Spannungstyp
Acetylsalicylsäure (900 bis 1000 mg)
Acetylsalicylsäure (1000 mg)
Ibuprofen (400 mg)
Ibuprofen (400 mg)
Paracetamol (1000 mg)
Diclofenac (12,5 und 25 mg)
Phenazon (1000 mg)
zwei Tabletten der fixen Kombination Acetylsalicylsäure (250 bis 265 mg)
+ Paracetamol (200 bis 265 mg)
+ Coffein (50 bis 65 mg)
zwei Tabletten der fixen Kombination Acetylsalicylsäure (250 bis 265 mg)
+ Paracetamol (200 bis 265 mg)
+ Coffein (50 bis 65 mg)
zwei Tabletten der fixen Kombination Paracetamol (500 mg)
+ Coffein (65 mg)

Bei mittelgradigen bis schweren Migräneanfällen gelten Triptane als Mittel der Wahl. Für die Selbstmedikation stehen zwei Vertreter zur Verfügung: Naratriptan und Almotriptan. Beide Substanzen haben eine höhere Bioverfügbarkeit und eine geringere Nebenwirkungsrate als Sumatriptan. Die Zeit bis zum Wirkungseintritt ist unter Almotriptan kürzer als unter Naratriptan. Daher wird Naratriptan bevorzugt bei mittelschweren oder lang anhaltenden Migräneanfällen empfohlen, Almotriptan bei heftigen Attacken. Werden Kontraindikationen oder mögliche Interaktionen beachtet, sind Triptane sehr sichere Arzneimittel. Sowohl bei der Gabe von NSAIDs als auch von Triptanen sollten dem Patienten die Besonderheiten bei der Einnahme vermittelt werden (s. Kasten).

Tipp für die Beratung: Beratungshinweise zur Selbstmedikation von Migräneattacken (Auswahl)


Analgetika

  • Präparate ausreichend hoch dosieren

  • Einnahme bei ersten Anzeichen des Migränekopfschmerzes

  • Wirkstoffe aus gut resorbierbaren Darreichungsformen (Brausetabletten, Granulat) zeigen schnelleren Wirkeintritt

  • bei Übelkeit und Erbrechen: gleichzeitige Gabe eines (rezeptpflichtigen) Antiemetikums gewährleistet optimale Resorption des Analgetikums

  • Einsatz an maximal zehn Tagen pro Monat

  • bei Gabe von Paracetamol:
    – Check gleichzeitig verabreichter Präparate auf Paracetamol (4-g-Tagesmaximaldosis !)
    – Einsatz nur unter ärztlicher Kontrolle bei vorgeschädigter Leber, Alkoholmissbrauch und schwerer Niereninsuffizienz

  • Kontraindikationen:
    Acetylsalicylsäure: Magen-Darm-Ulcera, hämorrhagische Diathese, Asthma, Schwangerschaft 3. Trimenon, schwere Herzinsuffizienz
    Ibuprofen: wie ASS (Blutungsneigung geringer), schwere Nieren- und Leberfunktionsstörungen
    Paracetamol: schwere hepatozelluläre Insuffizienz


Triptane

  • Einnahme nur bei ärztlich abgesicherter Migräne-Diagnose!

  • Einnahme bei ersten Anzeichen des Migränekopfschmerzes

  • keine Einnahme in der Auraphase!

  • Kombination mit Antiemetikum möglich, aber meist nicht erforderlich

  • Triptane wirken nicht gegen Kopfschmerzen vom Spannungstyp!

  • Einsatz an maximal zehn Tagen pro Monat

  • Kontraindikationen beachten:
    – KHK, schwere Hypertonie, periphere Gefäßkrankheit, Apoplexie oder temporäre Ischämie in der Vorgeschichte
    – gleichzeitige Verabreichung von Ergotamin-Präparaten (Verstärkung der Vasokonstriktion)

  • nicht bei Patienten unter 18 und über 65 Jahren anwenden

  • Interaktionen beachten:
    mögliche Symptome eines Serotonin-Syndroms bei Gabe eines Triptans und eines SSRI oder eines SNRI

Wirkt ein Triptan in der empfohlenen Dosis nicht, hilft auch keine weitere Einnahme.



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"Interpharm 2013 – Eine Patienten-orientierte Interpharm"



DAZ 2013, Nr. 13, S. 64

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