Recht

Angst vor Brustkrebs – zahlt die Kasse?

In Deutschland lassen sich nur wenige Frauen prophylaktisch operieren

(mh/bü). Die Enthüllung von Angelina Jolie, dass sie sich wegen ihrer familiär bedingten erhöhten Brustkrebsgefahr die Brustdrüsen hat entfernen lassen, bestimmt derzeit die Schlagzeilen. Die AOK teilt dazu mit, dass von den knapp 119.000 Brustentfernungen in Deutschland (im Jahr 2011) weniger als 2 Prozent vorsorglich durchgeführt worden sind.

Die meisten Eingriffe gibt es, wenn Brustkrebs bereits eingetreten ist. Überwiegend konnte damit die Brust erhalten werden (in rund 93.000 Fällen). Ferner macht die AOK darauf aufmerksam, dass die Kosten der Brustentfernung und der kosmetische Wiederaufbau von den gesetzlichen Krankenkassen vollständig übernommen werden. Dies gelte auch bei einer Vorsichtsmaßnahme, ohne dass Brustkrebs bereits diagnostiziert worden sei. Bedingung dafür sei allerdings, dass ein sehr hohes genetisches Risiko für Brustkrebs bestehe. Voraussetzung hierfür sei die Durchführung eines Gentests, der das erhöhte Risiko nachweise.

Wichtig: Das Sozialgericht Kassel hat in diesem Zusammenhang allerdings entschieden, dass eine Frau keinen Anspruch gegen ihre Krankenkasse darauf habe, die Amputation beider Brüste sowie den sofortigen plastischen Wiederaufbau zu bezahlen, obwohl sowohl ihre Großmutter als auch ihre Mutter an Brustkrebs erkrankt waren.

Allein diese "Vermutung einer erheblichen Brustkrebsbelastung führe nicht zum Anspruch auf prophylaktische beidseitige Brustamputation", so das Gericht. Sofern eine erhebliche Brustkrebsbelastung lediglich vermutet, aber als Genmutation diagnostisch mit den hierfür vorgesehenen Tests nicht nachgewiesen werden könne, bleibe die Krankenkasse außen vor. Vielmehr müsse der Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft sowie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe gefolgt werden, zunächst die Beratung durch ein interdisziplinäres Brustzentrum in Anspruch zu nehmen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Arzt und der Psychotherapeut der Frau den Eingriff empfohlen hatten.

(SG Kassel, S 12 KR 34/10 ER)

Weitere Urteile zum Thema

Mistelextrakt zwar rezeptfrei – aber verordnungsfähig – Die gesetzlichen Krankenkassen können verpflichtet sein, Krebspatienten die Therapie mit einem rezeptfreien anthroposophischen Mistel-Extrakt zu bezahlen. (Hier war eine Frau an Brustkrebs erkrankt. Nachdem sie eine Chemotherapie durchlaufen hatte, war sie geschwächt und litt wiederholt an Lungenentzündungen. Die Krankenkasse wollte das verordnete Mittel nicht übernehmen, weil es vom "Gemeinsamen Bundesausschuss" als nicht verordnungsfähig angesehen wurde. Das Sozialgericht Dresden war anderer Ansicht: Da die Misteltherapie in der anthroposophischen Medizin "Standard" zur Verhinderung von Metastasen in der Krebsbehandlung sei, könne die Kasse die Kostenübernahme nicht ablehnen.) (SG Dresden, S 18 KR 534/05)


Misteltherapie ist von der Kasse zu bezahlen – Leidet eine junge Frau an einem "äußert bösartigen Brustkrebs", so muss ihr die Krankenkasse die vom Arzt verordnete Misteltherapie (hier mit einem anthroposophischen Präparat) bezahlen. Sie kann nicht argumentieren, dass die Kosten erst dann zu übernehmen sind, wenn die Krankheit im fortgeschrittenen Stadium ist. Entscheidend ist vielmehr, ob das Präparat zur Behandlung von "schwerwiegenden Erkrankungen" geeignet und deswegen verschreibungspflichtig ist.

(SG Düsseldorf, S 8 KR 321/04)


Bringt erst die "OP" Klarheit, darf geschwiegen werden – Können die Heilungschancen einer an Brustkrebs erkrankten Frau erst durch eine Operation endgültig bestimmt werden und verschweigt ein Arzt vor dem Eingriff, dass "bei einer Bildung von Metastasen die Chancen gegen null sinken", so steht dem Witwer kein Schmerzensgeld zu, wenn seine Frau stirbt. Er kann nicht argumentieren, dass die Frau – umfassend informiert – der Operation nicht zugestimmt hätte. (Pfälzisches OLG Zweibrücken, 5 U 5/02)


Abschließende Studie muss nicht abgewartet werden – Fehlt es an einer abschließenden Studie über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels, so müssen die Folgen abgewogen werden. Der Schutz von Leben und Gesundheit eines Versicherten ist dabei höher zu bewerten als das Interesse einer gesetzlichen Krankenkasse, einen finanziellen Schaden zu vermeiden. (Hier ging es für zwei an Brustkrebs erkrankte gesetzlich Krankenversicherte um das – möglicherweise lebensrettende – Medikament Herceptin. Die Krankenkasse musste die Kosten übernehmen.) (SG Frankfurt am Main, S 25 KR 958/05 ER u. a.)

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