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Arzneimittel und Therapie
Teriflunomid senkt Schubrate bei MS
Einsetzen der Erkrankung kann verzögert werden
Das oral wirksame Teriflunomid ist ein aktiver Metabolit von Leflunomid (Arava®), das seit Längerem zur Therapie rheumatischer Erkrankungen eingesetzt wird. Teriflunomid wird den Immunmodulatoren zugeordnet. Der Wirkstoff hemmt reversibel das mitochondriale Enzym Dihydroorat Dehydrogenease (DHODH). Dies ist ein Schlüsselenzym für die de-novo-Pyrimidin-Synthese. Rasch proliferierende Zellen wie T- und B-Zellen sind zur DNA-Replikation auf diese Art der Pyrimidin-Synthese angewiesen. Durch die Hemmung der DHODH werden Aktivität und Proliferation der sich rasch teilenden T- und B-Zellen vermindert. Dies unterdrückt in der Folge Entzündungsreaktionen und verlangsamt die Zerstörung der Myelinscheiden in Gehirn und Rückenmark. Die Replikation und Funktion sich langsam teilender Zellen bleibt hingegen erhalten, da diese Zellen ihren Bedarf an Pyrimidin über einen anderen Stoffwechselweg (Salvage-Pathway) decken können.
In experimentellen Studien zur Autoimmunenzephalitis konnten durch Teriflunomid das Einsetzen der Erkrankung verzögert, die Schubrate reduziert und neurologische Parameter verbessert werden. Auch in einer Phase-II-Studie mit MS-Patienten wurde durch Teriflunomid die Krankheitsaktivität verringert und das klinische Erscheinungsbild verbessert. Aufgrund dieser positiven Ergebnisse wurde eine Phase-III-Studie, die TEMSO-Studie (TEMSO: The Teriflunomide Multiple Sclerosis Oral Trial) initiiert, deren Resultate im New England Journal of Medicine publiziert wurden. Die zwischen 2004 und 2010 durchgeführte TEMSO-Studie ist eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Parallel-Gruppen-Studie, in der Wirksamkeit und Sicherheit von Teriflunomid bei rezidivierenden MS-Patienten untersucht wurde. An ihr nahmen 1088 Patienten im Alter zwischen 18 und 55 Jahren teil, die 0 bis 5,5 Punkte auf der EDS-Skala (siehe Kasten) aufwiesen und im vorausgehenden Jahr mindestens einen Krankheitsschub oder wenigstens zwei in den vorausgegangenen zwei Jahren erlitten hatten. Sie wurden drei Behandlungsgruppen zugeordnet und erhielten 108 Wochen lang eine der folgenden Therapien:
- einmal täglich ein Placebo oral (n = 363)
- einmal täglich 7 mg Teriflunomid oral (n = 365)
- einmal täglich 14 mg Teriflunomid oral (n = 358).
Die EDS-SkalaDie EDS-Skala (EDSS = expanded disability status scale) ist eine Leistungsskala und gibt Auskunft über den Grad der Behinderung eines MS-Patienten. Sie reicht von 0 (keine neurologischen Defizite) bis 10 (Tod infolge MS). Die Angaben der Grade (von 0 – 10) in der EDSS beziehen sich auf die Untersuchung funktioneller Systeme durch den behandelnden Arzt. Die funktionellen Systeme sind:
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Das primäre Studienziel war die jährliche Rezidivrate, die als Zahl klinisch bestätigter Rezidive pro Patientenjahr definiert war. Ein sekundäres Studienziel bestimmte die Dauer bis zum Fortschreiten der Erkrankung, gemessen anhand des EDS-Scores. Ein weiterer Studienendpunkt ermittelte mit einer kernspintomografischen Untersuchung das Volumen der Läsionen. Ferner wurde die Verträglichkeit der Therapie bewertet.
Verminderung der Schubrate
Die Therapie mit Teriflunomid senkte die Zahl der Schübe um knapp ein Drittel (um 31,2% mit der niedrigeren und um 31,5% mit der höheren Dosierung). Die annualisierte Schubrate in der Placebo-Gruppe lag bei 0,54. Die durchschnittliche Schubrate konnte so von 0,54 Schüben auf 0,37 Schübe pro Jahr und Patient gesenkt werden (p < 0,001 für beide Verum-Gruppen). Zwischen den beiden Dosierungen bestand kein nennenswerter Unterschied.
Bei der Vermeidung einer Krankheitsprogression wurden mit der höheren Dosierung bessere Ergebnisse erzielt: Unter der Therapie mit 14 mg Teriflunomid kam es nur bei 20,2% der Patienten zu einem Anstieg des EDSS gegenüber 21,7% unter der niedrigeren Dosierung und 27,3% unter Placebo. Auch in den kernspintomografischen Befunden wurde der Benefit einer Teriflunomid-Gabe gezeigt: Das Volumen aktiver inflammatorischer Läsionen nahm unter Placebo um 2,21 ml, unter 7 mg Teriflunomid um 1,31 ml und unter 14 mg lediglich um 0,72 ml zu. Hier war der Vergleich zwischen Teriflunomid in der hohen Dosierung und Placebo statistisch signifikant.
Die häufigsten Nebenwirkungen unter der Einnahme von Teriflunomid waren Diarrhö, Nausea und eine Ausdünnung der Haare. Ferner kam es zu einem leichten Anstieg der Transaminasen. Schwere Infektionen traten unter Teriflunomid (1,6% bzw. 2,5%) nicht häufiger auf als unter Placebo (2,2%). Ob sich unter der Therapie gravierende Nebenwirkungen wie eine progressive multifokale Leukenzephalopathie entwickeln können, kann derzeit noch nicht beantwortet werden. Die Daten aus der Rheumatherapie mit Leflunomid (Daten von mehr als 1,9 Millionen Patientenjahren mit zwei Fällen einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie) deuten nicht darauf hin. Langzeitdaten sind abzuwarten.
Das Fazit der Studienautoren: Die Studienautoren attestieren Teriflunomid eine mäßig positive Wirkung, die im Bereich der derzeit verwendeten Basistherapeutika Interferon und Glatiramer liegt. Teriflunomid kann das Fortschreiten der multiplen Sklerose verlangsamen, aber nicht aufhalten.
Weitere Studien mit TeriflunomidDer Hersteller (Sanofi/Genenzym) von Teriflunomid hat im August 2011 die Zulassung bei der US-amerikanischen FDA beantragt. Im ersten Quartal 2012 soll ein Antrag bei der europäischen EMA folgen. Im Studienregister der US National Institutes of Health sind insgesamt zwölf Studien aufgeführt, bei denen Teriflunomid bei MS-Erkrankungen eingesetzt wird (Sponsor ist in allen Fällen Sanofi-Aventis). So etwa die Phase-III-Studien TOWER und TENERE bei Patienten mit schubförmig remittierender multipler Sklerose oder die Phase-III-Studie TOPIC mit Patienten im Frühstadium oder mit einem ersten Schub (Clinically Isolated Syndrome, CIS). Ferner wird Teriflunomid in der Phase-III-Studie TERACLES als Zusatztherapie zu Interferon β untersucht. |
Quelle
Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
DAZ 2012, Nr. 9, S. 47
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