DAZ Aktuell

65 Apotheker im Visier

KKH Allianz ermittelt bei Verdacht der Abrechnungsmanipulation

BERLIN (jz/ks). Im vergangenen Jahr hat das Ermittlerteam der KKH-Allianz, das Betrügern im Gesundheitswesen auf der Spur ist, 589 neue Fälle aufgedeckt. Zudem konnte die Kasse 2011 Forderungen in Höhe von 934.000 Euro im Zusammenhang mit Abrechnungsbetrug erheben. Die zweitgrößte Schadenssumme kam – nach den Krankenhäusern (222.495,12 Euro) – bei den Apotheken zusammen: 174.791,66 Euro wurden von ihnen eingefordert.

Gegenüber dem Vorjahr sind die Zahl der neuen Betrugsfälle und die Schadenssumme deutlich gesunken. 2010 waren knapp 1000 Leistungserbringer ins Visier der Ermittler geraten – die Rückforderungssumme belief sich auf 2,1 Millionen Euro. Dennoch sieht man bei der KKH-Allianz keinen Hinweis, dass die Korruption abgenommen hätte. Man vermutet eher, dass mangelnde Kapazitäten und unterschiedlich aufwendige Ermittlungen zu den Schwankungen führen.

Während 2010 noch am häufigsten gegen Apotheker ermittelt wurde, waren es 2011 die Physiotherapeuten: In 146 der aufgedeckten Fälle ging die KKH-Allianz gegen falsch abrechnende Krankengymnasten vor. Die für das Jahr 2011 eingeforderte Rückforderungssumme liegt hier der Kasse zufolge bei 124.786,30 Euro. Im Apothekenbereich wurden die Ermittler am zweithäufigsten, nämlich in 65 Fällen tätig. Zu ihnen gehörte beispielsweise der Berliner Apotheker, der in großem Umfang Verordnungen von HIV-Präparaten abrechnete, stattdessen aber billigere Arzneimittel oder Bargeld ausgab. Geschätzter Schaden für alle gesetzlichen Kassen: elf Millionen Euro. Vom Landgericht Berlin wurde der Apotheker im Mai 2011 zu einer Gefängnisstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt.

Insgesamt konnte die KKH-Allianz im Apothekenbereich nach eigenen Angaben 174.791,66 Euro zurückfordern. Im Vorjahr lag diese Summe bei rund 431.000 Euro.

Kritische Zusammenarbeit von Leistungserbringern

Mit 55 Ermittlungsfällen rangiert der Bereich der häuslichen Pflege 2011 auf Rang drei der meisten Ermittlungsfälle (Forderungshöhe: 38.542,16 Euro). Ärzte landeten mit 52 Fällen auf Platz vier (Forderungshöhe: 89.420,49 Euro) und auf Platz fünf befinden sich die Fälle der unzulässigen Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern. Diese sind dem KKH-Allianz-Chef Ingo Kailuweit nach wie vor ein großer Dorn im Auge. So erhielten im vergangenen Jahr diverse Ärzte in Baden-Württemberg von einem Pharmahersteller Bonuszahlungen dafür, dass sie entsprechende Medikamente dieses Herstellers verschrieben. Die Kasse prüft derzeit, ob Ärzte und Apotheker ebenfalls – in Form von Aktien – an dem Unternehmen beteiligt sind.

Kailuweit: Mehr Transparenz nötig

Fast 10.000 Fälle haben die Ermittler seit Bestehen des Teams mit dem offiziellen Namen "Prüfgruppe Abrechnungsmanipulation" aufgedeckt. "Leider kommt es längst nicht in allen Fällen zu einer adäquaten Strafverfolgung", beklagt Kailuweit. Er begründet dies unter anderem damit, dass "die Ermittlungsbehörden personell nicht gut genug ausgestattet" sind, um den sehr komplexen Themengebieten ihrer Arbeit bestmöglich nachzugehen. Außerdem mangele es zu oft an Spezialwissen. Der KKH-Allianz-Chef schlägt daher neben mehr Ressourcen auch bundesweite Fortbildungsangebote für Staatsanwälte vor. Ein weiterer Ansatz für ihn: mehr Transparenz. So sollte den Versicherten eine Patientenquittung unaufgefordert und nicht nur auf Antrag zur Verfügung gestellt werden.

Für Dr. Anke Martiny, Vorstandsmitglied bei Transparency International Deutschland, sind die Zahlen der KKH-Allianz ohnehin nur die "Spitze des Eisberges". Die Antikorruptionsorganisation folgt in ihrer Einschätzung des Gesamtschadens der Analyse des European Healthcare Fraud and Corruption Networks (EHFCN), das für Deutschland von einer Summe von 13,5 Milliarden Euro pro Jahr ausgeht.



DAZ 2012, Nr. 9, S. 37

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