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Arzneimittel und Therapie
EMA: Positives Nutzen-Risiko-Verhältnis von Orlistat
Fachinformationen weisen auf Möglichkeit sehr seltener Leberschädigungen hin
Über 300 Millionen Menschen sind weltweit von Adipositas betroffen. Nach der Definition der WHO liegt eine Adipositas oder Fettleibigkeit ab einem Körpermasseindex (BMI) von 30 kg/m² vor, wobei drei Schweregrade unterschieden werden. Adipositas erhöht das Risiko für zahlreiche Erkrankungen wie arterielle Hypertonie, Typ-2-Diabetes, Herzinfarkte und Schlaganfälle, Arteriosklerose, Arthritis, aber auch Brust- und Darmkrebs. Dies führt jährlich zu mehr als 75.000 durch eine Adipositas bedingten Todesfällen in Deutschland und etwa eine Million in Europa.
Zur medikamentösen Therapie der Adipositas steht mit Orlistat ein Wirkstoff zur Verfügung, der in Kombination mit einer ärztlich überwachten Reduktionsdiät eingesetzt werden soll. Der Lipasehemmer (Xenical®, 120 mg Orlistat) ist seit 1998 für Patienten mit einem Körpermasseindex von mehr als 30 kg/m2 oder von übergewichtigen Patienten (BMI mehr als 28 kg/m2) mit begleitenden, gewichtsabhängigen Risikofaktoren in Verbindung mit einer leicht hypokalorischen Kost zugelassen. Seit 2009 ist Orlistat auch als rezeptfreies, apothekenpflichtiges Präparat (alli®, 60 mg Orlistat) im Handel.
AnwendungstippOrlistat ist ein spezifischer und lang anhaltender Inhibitor der gastrointestinalen Lipasen. Die therapeutische Wirkung setzt im Lumen des Magens und des oberen Dünndarms durch kovalente Bindung an den aktiven Serin-Rest der gastrischen und pankreatischen Lipasen ein. Das inaktivierte Enzym kann dadurch nicht die in Form von Triglyceriden vorliegenden Nahrungsfette in resorbierbare freie Fettsäuren und Monoglyceride hydrolysieren. Die Wirkung von Orlistat führt bereits 24 bis 48 Stunden nach Einnahme zu einer erhöhten fäkalen Fettausscheidung. Bei Absetzen der Therapie erreicht der fäkale Fettanteil üblicherweise innerhalb von 48 bis 72 Stunden wieder die Werte vor Behandlungsbeginn. Orlistat sollte unmittelbar vor, während oder bis zu einer Stunde nach jeder Hauptmahlzeit mit Wasser eingenommen werden. |
Hinweis auf Leberschädigungen in der Fachinformation
Zwischen 2009 und Anfang 2011 waren der EMA insgesamt 21 Verdachtsfälle einer Leberschädigung, darunter vier schwere Lebertoxizitäten nach der Einnahme von Xenical® bekannt geworden. Im selben Zeitraum war das Medikament allerdings 38 Millionen Patienten verordnet worden. Auch unter der niedrigen Dosierung von 60 mg Orlistat waren neun Verdachtsfälle von Leberschäden bei elf Millionen Anwendern gemeldet worden.
Nachdem die US-Arzneibehörde FDA schon 2010 auf die, wenn auch seltene Möglichkeit von Leberschäden unter einer Orlistat-Therapie hingewiesen hatte, hatte auch die Europäische Arzneimittelagentur EMA im September letzten Jahres eine Überprüfung eingeleitet. Die FDA hatte sich dann bereits 2010 mit einem Hinweis in der Fachinformation zu Xenical® begnügt. Zu einer ähnlichen Entscheidung kam jetzt die EMA. Nachdem der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) das Risiko von sehr seltenen Lebererkrankungen und anderen Nebenwirkungen unter einer Orlistat-Therapie überprüft hatte, konnte er keinen eindeutigen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für schwere Leberschäden durch Orlistat feststellen. Auch sei kein Mechanismus für die Auslösung derartiger Erkrankungen durch Orlistat bekannt. Der Nutzen von Orlistat überwiege daher die Risiken bei seiner Anwendung. Alle Orlistat-haltigen Produkte sollen jedoch in ihren Fachinformationen einheitlich einen Hinweis auf die Möglichkeit sehr seltener Leberschädigungen enthalten.
Quelle
European Medicines Agency confirms positive benefit-risk balance of orlistat-containing medicines. Pressemitteilung vom 16. Februar 2012, www.ema.europa.eu
Dr. Hans-Peter Hanssen
DAZ 2012, Nr. 8, S. 52
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