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Fragen aus der Praxis
Silber bei Neurodermitis
Mikrosilber-haltige Cremes auch für Babys?
Die Verwendung von Silber ist uralt und dessen antimikrobieller Effekt wurde bereits in der Antike zur Trinkwasseraufbereitung ausgenützt.
Breites Wirkspektrum
Silber besitzt aufgrund seines sog. oligodynamischen Effektes (Schadeffekt kleinster Mengen von Metall-Kationen auf lebende Zellen) ein breites Wirkspektrum gegen Mikroorganismen. Erfasst werden Pilze, grampositive und -negative Aerobier und Anaerobier, einschließlich Pseudomonaden, multiresistente Staphylokokken und Vancomycin-resistente Enterokokken. Der durch Komplexbildung mit Bakterienproteinen erzielte gleichzeitige Funktions- und Strukturverlust von Zellmembran, Enzymsystemen und DNA/RNA führt zum Zelltod mit einem sehr geringen Risiko der Resistenzbildung.
Teufelskreis durchbrechen
Die Neurodermitis ist eine chronische oder chronisch-rezidivierende, nicht-ansteckende Hauterkrankung, die zumeist mit starkem Juckreiz als Leitsymptom einhergeht. Bei der symptomatischen Behandlung ist es besonders wichtig, den Teufelskreis "Juckreiz – Kratzen – Hautverletzung – Entzündung – erneuter Juckreiz" zu durchbrechen.
Erfolg mit Spezialtextilien
Der Einsatz von Silber soll hierbei die durch Mikroorganismen ausgelösten Entzündungsreaktionen eindämmen. Antimikrobielle Spezialtextilien (Unterwäsche, Bettwäsche, Accessoires wie Halskrausen, Ellenbogenstulpen, Fäustlinge) mit metallischem Silber werden bereits seit einigen Jahren zur Linderung der Symptome bei Neurodermitis erfolgreich eingesetzt [1]. Diese Spezialtextilien bestehen aus silberbeschichteten Mikrofasern und werden auch bereits in Baby-Größen angeboten.
"Große" Partikel in Mikrosilber
Relativ neu auf dem Markt sind Mikrosilber-haltige Hautpflegeprodukte (Cremes, Lotionen, Gele etc.) zur Behandlung u. a. von Neurodermitis und Psoriasis. Hierunter fallen die Produktereihen "Multilind® Mikrosilber" und "Hans Karrer Mikrosilber". In einem Übersichtsartikel "Mikrosilber – alte Aktivsubstanz in neuem Gewand" [2] wird auf diese innovative physikalische Form von metallischem Silber ausführlich eingegangen. Mikrosilber besitzt eine mittlere Teilchengröße von etwa 10 µm. Diese relativ große Größe soll eine Hautpenetration ausschließen. Bei topischer Applikation verbleibt die Substanz nachweislich auf der Haut und kann dort lokal antibakteriell wirken. Im Gegensatz dazu liegen Nanosilber-Partikel in einer mittleren Größe von 50 nm vor und es gibt Befürchtungen, dass diese sehr kleinen Partikel die Haut unkontrolliert penetrieren und systemisch toxische Wirkungen auslösen können. Daher wird nanokristallines Silber bislang nicht im Bereich der Dermokosmetik angewendet.
Penetration bei gestörter Barrierefunktion
In dem oben genannten Artikel [2] wird einschränkend erwähnt, dass derzeit keine Daten zum Penetrationsverhalten von Mikrosilber-Lotionen bei Patienten vorliegen, die durch einen genetisch bedingten Defekt in der Filaggrin-Produktion (bei vielen Neurodermitis-Patienten nachweisbar) eine deutlich verminderte Barrierefunktion der Haut haben.
Fachgesellschaften setzen auf Kleidung
Weder in den aktuellen S2-Leitlinie der entsprechenden Fachgesellschaften aus Österreich, Schweiz und Deutschland "Neurodermitis" [3] noch im HTA-Bericht "Therapie der Neurodermitis" vom DIMDI [4] werden Mikrosilber-haltige topische Therapeutika erwähnt bzw. bewertet. Stattdessen findet man zum Thema "antimikrobielle Kleidung" in beiden Schriftstücken entsprechende Kapitel mit folgenden Ergebnissen:
Auch wenn die bisher vorliegenden Studien noch keinen hohen Evidenzgrad aufweisen, sind die derzeitigen Ergebnisse doch ein Hinweis darauf, dass weitere gezielte kontrollierte Studien lohnenswert sein können [4].
Antiseptisch wirkende Unterwäsche hat einen moderaten klinischen Effekt auf die Neurodermitis. Zur Zeit limitierend für die breite Anwendung sind die recht hohen Kosten für die Textilien. Bei chronischer Neurodermitis kann das Tragen von antimikrobiell wirkender Unterwäsche erwogen werden [3].
Fazit
Aufgrund fehlender großer Studien zur Anwendung von Mikrosilber-haltigen Pflegeprodukten bei Neurodermitis, insbesondere im Baby- und Kleinkindalter, können wir die Daueranwendung dieser Produkte nicht empfehlen. Die Babyhaut ist im Vergleich zur Erwachsenenhaut leichter penetrierbar und hat sehr unterschiedliche Resorptionseigenschaften. Es liegen nach unserer Recherche bislang keine Untersuchungen zur Penetration von Mikrosilber bei Babyhaut vor. Empfehlenswert scheint uns dagegen die Verwendung von antimikrobiellen Spezialtextilien (Unterwäsche, Bettwäsche), um mit dieser antientzündlichen Therapiekomponente den Teufelskreis der Neurodermitis zu durchbrechen.
Antwort kurz gefasst
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Literatur
[1] www.texamed.de; www.binamed.de
[3] S2-Leitlinie Dermatologie: Neurodermitis (Register-Nr. 013/027, Stand:04/2008). www.awmf.org [4] Therapie der Neurodermitis, HTA-Bericht 46, 1.Auflage 2006.. http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta142_bericht_de.pdf
Autorin
Dr. Carolin Schuhmacher Fachapothekerin für Klinische Pharmazie, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen Vöhrenbacher Str. 23 78050 Villingen-Schwenningen
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