Fortbildungskongress

Pflanzliche Antirheumatika

Was Rheumatiker von Phytopharmaka erwarten können

Fast alle Rheumatiker wenden (auch) pflanzliche Antiphlogistika an. Sie werden gegen alle rheumatischen und Gelenkbeschwerden eingesetzt, ob nun degenerativ, entzündlich oder extraartikulär sowie bei vielen anderen Schmerzen. Prof. Dr. Oliver Werz, Jena, nahm Teufelskralle, Brennnessel, Weidenrinde und Co. kritisch unter die Lupe.

Prof. Dr. Oliver Werz
Foto: DAZ/wes

Die Rote Liste nennt unter "Pflanzliche Analgetika/Antirheumatika" Präparate aus Teufelskrallen-, Brennnessel- und Weidenrindenextrakt sowie ein Kombinationspräparat aus Zittereschenrinden-, Pappelrinden- und Goldrutenkrautextrakt. Von diesen Pflanzen ist bekannt, dass sie Cyclooxygenasen hemmen können, Teufelskrallen- und Weidenrindenextrakt hemmen zusätzlich NFκB, einen proinflammatorischen Expressionsfaktor, der auch von den Corticosteroiden gehemmt wird.

Teufelskralle

Als Leitsubstanz des Extrakts der Teufelskrallenwurzel (Harpagophytum procumbens und H. zeyheri) gilt Harpagosid, das aber so hydrophil ist, dass seine Bioverfügbarkeit in vivo zweifelhaft ist. Zwar konnte experimentell eine antientzündliche Wirkung gezeigt werden, allerdings waren die benötigten Konzentrationen so hoch, dass sie peroral nicht erreicht werden. Am Menschen ist aber eine mobilitätsverbessernde und analgetische Wirkung des Extrakts gezeigt worden.

Weidenrinde

Aus der Rinde von Weiden (v. a. Salix alba, S. daphnoides und S. purpurea) werden bereits seit Jahrtausenden Extrakte gewonnen und medizinisch eingesetzt. Salicin, das im Körper zum COX-hemmenden Salicylat umgewandelt wird, ist als Leitsubstanz umstritten. Es wird diskutiert, ob nicht Polyphenole für die antioxidativen und Zytokin-hemmenden Wirkungen des Extraktes verantwortlich sind. Im Tierversuch zeigte der Extrakt in hohen Dosen analgetische und antiphlogistische Effekte. Beim Menschen konnte eine Wirksamkeit gegen Rückenschmerzen gezeigt werden, bei rheumatoider Arthritis und Arthrose ist sie unklar.

Brennnessel

Extrakten aus dem Brennnesselkraut (Urtica dioica) werden Wirkungen u. a. gegen Gicht und rheumatoide Arthritis zugeschrieben. Wirksame Bestandteile sind Flavonoide und Kaffeesäurederivate, die in hohen Konzentrationen enthalten sind. Der Extrakt hemmt in vitro die Aktivierung von Immunzellen, eine COX-1-Hemmung konnte dagegen nur mit extrem hohen Dosen gezeigt werden. Es wird von einer moderat entzündungshemmenden Wirkung ausgegangen, ausreichende Belege für eine klinische Wirksamkeit fehlen allerdings.

Neue pflanzliche Antiphlogistika

Neben diesen am Markt befindlichen Phytopharmaka gibt es weitere Pflanzen, denen eine antiphlogistische Wirkung zugeschrieben wird. Wilfords Dreiflügelfrucht (Tripterygium wilfordii Hook F , Chinakraut) ist eine in der Traditionellen Chinesischen Medizin eingesetzte Giftpflanze aus Ostasien. Der aus der Wurzel gewonnene Extrakt enthält die pharmakologisch hochwirksamen Substanzen Triptolid und Celastrol, die Corticoid-ähnliche immunsuppressive und antiinflammatorische Effekte haben. Allerdings zeigt der Extrakt auch ausgeprägte unerwünschte Wirkungen wie Übelkeit, Durchfall oder Osteoporose.

Extrakte aus den getrockneten Früchten der Hagebutte (Rosa canina) zeigen starke antioxidative Effekte und können die Chemotaxis von Neutrophilen hemmen. Bei Ratten zeigte sich eine mit Indometacin vergleichbare antientzündliche Wirkung. Als wirksame Bestandteile werden Galaktolipide und Triterpensäuren diskutiert. Auch beim Menschen konnte eine Wirksamkeit, die der von Placebo überlegen war, gezeigt werden. Dem stehen unerwünschte Wirkungen wie Exantheme sowie eine Negativbewertung durch die Kommission E gegenüber.

Entzündungshemmende Eigenschaften haben auch die Boswelliasäuren und -derivate, die ausschließlich im Weihrauch (Harz verschiedener Boswellia-Arten) vorkommen. In ethanolischen Extrakten sind sie in hoher Konzentration (bis 25 Prozent) enthalten. Die Plasmaspiegel liegen nach oraler Einnahme im pharmakologisch aktiven Bereich. Die Wirkung wird wahrscheinlich über eine Hemmung der PGE2-Synthese sowie des proinflammatorischen Enzyms Cathepsin G durch die β-Boswelliasäure vermittelt.

Werz kritisierte die allgemein schlechte Studienlage. Die Beispiele der neuen Antiphlogistika zeigten aber die Dringlichkeit, qualitativ gute und ausreichend große klinische Studien durchzuführen.


wes



DAZ 2012, Nr. 7, S. 72

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