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Arzneimittel und Therapie
Neuer Therapieansatz bei Herzinsuffizienz
Myosin-Aktivatoren erhöhen die Kontraktionskraft des Herzens
Bei der systolischen Herzinsuffizienz (Herzmuskelschwäche) kommt es zu einer Abnahme der Kontraktionskraft des Herzmuskels und zu einer verringerten Pumpleistung. Der Körper versucht, dem gegenzusteuern, und aktiviert neuroendokrine Mechanismen, was aber langfristig zu einem Fortschreiten der Erkrankung führt. Denn durch die Aktivierung kardialer β-adrenerger Rezeptoren wird zwar die Kontraktionskraft erhöht, gleichzeitig steigt aber der Sauerstoffbedarf, was Arrhythmien hervorrufen kann und langfristig das Mortalitätsrisiko erhöht. Mit Myosin-Aktivatoren wird ein neuer Therapieansatz verfolgt, der unabhängig vom Sauerstoffverbrauch zu einer Erhöhung der kardialen Kontraktionskraft und -dauer führen soll.
Steigerung von Kontraktionskraft und -dauer
Ein Vertreter dieser neuen Wirkstoffgruppe ist das von der Firma Cytokinetics in South San Francisco entwickelte small molecule Omecamtiv Mecarbil. Dieses aktiviert das kardiale Myosin, indem es den Schritt der Aktin-abhängigen Phosphatabspaltung aus dem Myosinkopf beschleunigt und damit spezifisch in die Phase des Kraftschlags im Myosin-Aktin-Zyklus eingreift. Omecamtiv Mecarbil aktiviert die enzymatischen und mechanischen Eigenschaften der Myosin-ATPase. Es kommt zur Spaltung von ATP in ADP und einen Phosphatrest. Die Steigerung der Kontraktionskraft erfolgt nicht wie nach beta-adrenerger Stimulation durch eine Beschleunigung der Kontraktion, sondern durch eine Verlängerung der Kontraktionsdauer. Dazu ist kein Anstieg der zytosolischen Calciumkonzentration erforderlich und der Sauerstoffverbrauch des Herzens nimmt nicht zu (siehe Abbildung).
Erste klinische Studien
Omecamtiv Mecarbil wird derzeit in ersten klinischen Studien eingesetzt; Sponsoren sind Amgen und/oder Cytokinetics. Im Studienregister der US National Institutes of Health finden sich aktuell sieben Einträge.
In einer doppelblinden Cross-over-Studie (NCT01380223) wurde Omecamtiv Mecarbil bei 34 gesunden männlichen Probanden eingesetzt. Sie erhielten viermal wöchentlich Placebo oder Omecamtiv Mecarbil in drei verschiedenen Dosierungen als sechsstündige Infusion (von 0,005 bis 1,0 mg/kg/h). Durch die Verum-Gabe kam es zu einer konzentrationsabhängigen Erhöhung der systolischen Ejektionszeit (sensitivster Indikator für die Wirksamkeit der Substanz) sowie zu einer Steigerung des Schlagvolumens und der Ejektionsfraktion. Bis zu einer Dosis von 0,625 mg/kg/h traten keine ernsten Nebenwirkungen auf.
In einer multizentrischen doppelblinden, placebo-kontrollierten, Cross-over-Studie der Phase 2 (NCT00624442) wurden 45 Patienten mit stabiler milder Herzinsuffizienz therapiert. Die Patienten erhielten insgesamt 151 Infusionen Omecamtiv Mecarbil in unterschiedlicher Dosierung bzw. Placebo-Infusionen. Dabei zeigte sich wiederum eine konzentrationsabhängige Zunahme des Schlagvolumens und der linksventrikulären Ejektionszeit. Höhere Dosen von Omecamtiv Mecarbil führten bei zwei Patienten zu einer kardialen Ischämie, wahrscheinlich, weil die erwünschte Verlängerung der Systole eine Verkürzung der Diastolendauer nach sich zieht. Da während der Diastole die Koronararterien mit frischem Blut versorgt werden, ist bei einer Verkürzung dieser Phase die Sauerstoffversorgung des Herzmuskels möglicherweise nicht mehr ausreichend gewährleistet.
Einschätzung der Studienautoren
Omecamtiv Mecarbil ist der erste Vertreter einer neuen Wirkstoffgruppe, die direkt an der kontraktilen Einheit des Herzmuskels angreift und so zu einer Verbesserung der Herzfunktion führt. In welchem Ausmaß dies der Fall sein wird, und ob damit auch eine schwerwiegende Herzinsuffizienz behandelt werden kann, müssen weitere Studien zeigen. Des Weiteren muss geklärt werden, ob die Therapie zu einer Verbesserung der Lebensqualität und zu einer Verringerung der Mortalität führt. Die beobachtete Ischämie könnte den klinischen Nutzen einschränken. Dasselbe gilt für die bislang nur in intravenöser Form vorliegende galenische Applikationsform. Die Entwicklung einer oralen Darreichungsform könnte die Anwendung vereinfachen. In der Theorie erscheint der Einsatz von Myosin-Aktivatoren attraktiv – die Bewährung in der Praxis steht noch aus.
Quelle
Teerlink J., et al.: Dose-dependent augmentation of cardiac systolic function with the selective cardiac myosin activator, omecamtiv mecarbil: a first-in-man study. Lancet 378, 667 – 675.
Cleland J., et al.: The effects of the cardiac myosin activator, omecamtiv mecarbil, on cardiac function in systolic heart failure: a double-blind, placebo-controlled, crossover, dose-ranging phase 2 trial. Lancet 378, 676 – 683 (2011).Dickstein K.: Cardiac myosin activation: will theory and practice coincide? Lancet 378, 639 – 640 (2011).Hein L.: Arzneimittel in den Schlagzeilen. Neue Herzkraft durch direkte Myosin-aktivierung? BIOspektrum 17, 313 (2011).www.clinicaltrials.gov (Zugriff am 23. Januar 2012)Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
DAZ 2012, Nr. 7, S. 56
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