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EDV-gestütztes Arbeitszeitkonto

Richtig geplant, falsch berechnet

In den letzten Jahren sind sie wie Unkraut aus dem Boden geschossen, die EDV-Lösungen für den Einsatz des Personals. Auch im Apothekenbereich versuchen nun einige Apothekeninhaber, solche Systeme einzuführen. Ihnen wird versprochen, dass sie effektiver, günstiger und reibungsloser die Arbeits- und Urlaubspläne für ihre Mitarbeiter gestalten können. Dabei kommt es immer wieder zu Beschwerden von Mitarbeitern, die sich im Hinblick auf Krankheits-, Urlaubs- und Feiertage um ihre rechtmäßigen Ansprüche gebracht fühlen.

Einige Entwickler werben sogar damit, dass ihre Methoden "noch am ehesten" den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Sie machen auch nicht davor halt, aus Broschüren des Bundesarbeitsministeriums zu zitieren, in denen ganz andere Arbeitsverhältnisse beschrieben werden (z. B. Abrufarbeit – siehe Infokasten).

Arbeiten auf Abruf


Abrufarbeit wird so gut wie nie im Apothekenbereich vereinbart. Wenn dies doch im Einzelfall geschehen sollte, sind folgende Mindestvoraussetzungen unerlässlich (§ 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz):

Im Arbeitsvertrag muss eine wöchentliche und tägliche Arbeitszeit vereinbart sein. Fehlt diese Vereinbarung, so gilt eine Wochenstundenzahl von zehn Stunden als vereinbart. Fehlt es an einer vertraglichen Festlegung der täglich zu leistenden Arbeitszeit, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen. Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt.

Alle "flexiblen Vereinbarungen", die sich nicht an diesen Mindestvoraussetzungen orientieren, sind nichtig.

Minusstunden bei Urlaub, Krankheit und Feiertagen

Normalerweise werden Zeiten, in denen Mitarbeiter einen Anspruch auf "Lohn ohne Arbeit" haben, neutral berechnet. Das bedeutet, dass eine Mitarbeiterin, egal, ob sie urlaubs-, krankheits- oder feiertagsbedingt nicht arbeitet, so gestellt wird, als hätte sie genau an diesem Tag gearbeitet. Juristen sprechen hier vom Fixschuldcharakter der Arbeit.

Für Mitarbeiterin X, die am Montag regulär 8 Stunden arbeiten würde, und Mitarbeiterin Y, die am Montag frei hat, ergeben sich durch einen Feiertag am Montag weder Vor- noch Nachteile für die Wochenarbeitszeit. In der entsprechenden Woche wird weitergearbeitet wie vorgesehen, ohne dass Plus- oder Minusstunden entstehen.

In den meisten Personaleinsatzprogrammen wird die Berechnung der "arbeitsfreien Tage" aber pauschaliert und mit Durchschnittswerten in das Zeitkonto eingetragen.

So kann es etwa sein, dass eine Mitarbeiterin, die üblicherweise montags 8 Stunden arbeitet, während sie an den Tagen Dienstag bis Freitag für nur jeweils 4 Stunden eingeteilt ist, angeblich Minusstunden macht, wenn sie am Montag erkrankt war oder es sich bei diesem Tag um einen Feiertag handelt. Einige Systeme sehen nämlich vor, dass für einen "Ausfalltag" ein Fünftel der Wochenarbeitszeit angerechnet wird. Da die Angestellte in diesem Fall 24 Stunden in der Woche arbeitet, beträgt ein Fünftel hiervon 4,8 Stunden. Es wären also durch die Ausfallzeit am Montag 3,2 Minusstunden angefallen, die die Angestellte entsprechend ihrem Arbeitszeitkonto "nacharbeiten" müsste.

Höhere Gerechtigkeit?

Die Systementwickler stellen hier lediglich auf eine "mathematisch korrekte" Rechnung ab. Einzelfallgerechtigkeit interessiert sie nicht. Sicherlich könnte man anbringen, dass die Arbeitnehmerin im oben genannten Beispiel, würde sie an den Tagen Dienstag bis Freitag erkranken, genau so viele, also 3,2 Plusstunden erreichen würde. Dies ist zwar schön für die Mitarbeiterin, aber ebenfalls nicht korrekt.

Ebenso gibt es inzwischen Konstellationen, in denen sich durch die Einführung der Systeme zwischen den Mitarbeitern heftiger Streit entwickelt. Und zwar dann, wenn anlässlich eines Feiertages die Mehrheit der Mitarbeiter, die eigentlich an diesem Tag wenige Stunden gearbeitet hätten, einen guten Schnitt machen, also mehr Stunden verbucht erhalten, als sie an diesem Tag gearbeitet hätten, während einige Mitarbeiter, die gerade an diesem Tag 10 Stunden arbeiten würden, das Nachsehen haben und ihnen im Hinblick auf die Wochenarbeitszeit ein Minus entstünde.

Möglicherweise ist dies für den Arbeitgeber insgesamt finanziell neutral. Für das Betriebsklima, die Arbeitsmotivation und damit auch die Teamleistung ist es jedoch schädlich.

Gesetzliche Regelung

Im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist zwingend geregelt, dass sich die Bezahlung und damit auch die Stundenanrechnung im Arbeitszeitkonto nach dem Entgeltausfallprinzip richtet (§ 4 EFZG). Das Gesetz will den Angestellten so stellen, als hätte er gearbeitet. Es ist also immer zu ermitteln, was genau der Arbeitnehmer in der konkret für ihn ausgefallenen Zeit gearbeitet und verdient hätte.

Es kommt also gerade nicht darauf an, was in der entsprechenden Apotheke für den Tag üblich oder für die Wochenarbeitszeit durchschnittlich zu errechnen wäre.

Tarifliche Regelung

Gerade seit der Einführung des Jahresarbeitszeitkontos in den Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter (§ 4 BRTV) ist es für den Apothekenbereich klar, dass so geartete Personaleinsatzsysteme unwirksam sind.

Da ein solches System nicht ohne Arbeitszeitkonto funktioniert und sich die Tarifvertragsparteien deutlich auf das Entgelt-ausfallprinzip geeinigt haben (§ 4 Abs. 3 Satz 6 BRTV), ist im Rahmen des Tarifvertrages keine Pauschalierung möglich.

Zwar ist im Entgeltfortzahlungsgesetz vorgesehen, dass durch Tarifvertrag hier eine andere Regelung zugelassen werden kann. Jedoch wurde hier gerade keine Modifizierung vorgenommen, die eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung zuließe. Der Tarifvertrag geht wörtlich davon aus, dass "Tage, an denen der Mitarbeiter Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat (Krankheit, Urlaub, Feiertage)", genau nach der für ihn im Vertrag festgelegten täglichen Arbeitszeit in das Konto einzutragen sind. Das bedeutet, dass es hier immer einen Arbeitsvertrag geben muss, der eine zeitgenaue Verpflichtung für jeden einzelnen Werktag in der Woche vorsieht.

Eine Legitimierung der Pauschalierung ergibt sich damit weder aus dem Gesetz noch aus dem Tarifvertrag.

Urlaub

Für den Urlaub ergibt sich im Ergebnis auch nichts anderes: Er darf nicht in Stunden umgerechnet werden. Nach dem Bundesurlaubsgesetz wird Urlaub in Wochen bzw. Tagen beantragt und genehmigt. Zwar ist es hier auch erlaubt, den Urlaub von Werk- in Arbeitstage umzurechnen, wenn der Mitarbeiter nicht an allen sechs Werktagen der Woche arbeitet. Jedoch kommt eine Pauschalierung der täglichen Arbeitszeiten auf ein Fünftel oder ein Sechstel auch nach dieser Möglichkeit nicht in Betracht, da es auch hier zu Ungleichbehandlungen (Unter- oder Überstunden) kommen kann.

Der BRTV regelt, dass jeder Urlaubstag so in ein Arbeitszeitkonto eingebracht werden muss, wie der entsprechende Arbeitstag des Mitarbeiters ausgesehen hätte.

Fazit

Eine Pauschalierung von Zeiten, die in ein Arbeitszeitkonto eingetragen werden, ist immer dann unzulässig, wenn der Mitarbeiter hierdurch eine Benachteiligung erfährt. Im Geltungsbereich des BRTV ist sie generell nicht möglich, da das detailliert geregelte Jahresarbeitszeitkonto keine Pauschalierung zulässt.

Im Zweifel hat der Arbeitgeber, der pauschalierende Personal-einsatzsysteme verwendet, den Urlaubsanspruch der Mitarbeiter noch nicht erfüllt, so dass die auf diese Weise benachteiligten Mitarbeiter ihre Ansprüche erstreiten können.


Rechtsanwältin Iris Borrmann
Leitung ADEXA-Justiziariat



DAZ 2012, Nr. 7, S. 107

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