Fortbildungskongress

Der Jogger von heute – der Gelenkpatient von morgen?

Keine gesundheitlichen Probleme durch moderates Laufen

Allgemein wird Sport, vor allem Ausdauersport, als gesundheitlich positiv bewertet und beispielsweise von Krankenversicherungen stark gefördert. Aber jede sportliche Aktivität ist mit Belastungen verbunden, wobei die Belastungen der Gelenke noch nicht ausreichend verstanden sind, betonte Prof. Dr. Gert-Peter Brüggemann, von der Deutschen Sporthochschule Köln. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass in den letzten Jahren gerade ältere Menschen verstärkt Ausdauersport betreiben.

Prof. Dr. Gert-Peter Brüggemann Foto: DAZ/wes

Die Hauptrisikofaktoren für eine Arthrose sind neben Deformitäten, die zu abnormalen Belastungen der Gelenke führen, das Alter, das Gewicht, genetische Faktoren, weibliches Geschlecht und Belastungen in Alltag, Arbeit und Sport. Das heißt, Sport kann einen positiven Effekt auf den Risikofaktor Gewicht haben, stellt aber selbst ein Risiko dar. Das höchste Risiko einer durch Laufen induzierten Arthrose herrscht im Kniegelenk. Das Hüftgelenk hat eine deutlich größere Auflagefläche, so dass hier die mechanischen Belastungen an der Gelenkoberfläche viel niedriger sind.

Wie kann man die Belastung durch Sport messen?

Ein wichtiger Biomarker für die Belastung der Knorpel ist die Konzentration von COMP (Cartilage Oligomeric Matrix Protein), ein Protein, das die Kollagenfasern der Knorpelmatrix verbindet. Bei Belastung des Knorpels wird COMP aus dem Knorpel frei, das heißt die COMP-Konzentration im Serum steigt. Gleichzeitig verliert der Knorpel an mechanischer Belastungsfähigkeit, da die Quervernetzung geringer wird. Nach einem Marathonlauf ist die COMP-Serumkonzentration stark erhöht und normalisiert sich erst nach ungefähr einer Woche.

Welche Kräfte wirken beim Laufen?

Anders als oft vermutet, stellt nicht das Auftreten (der Impact) die höchste Belastung für das Knie dar. Die Belastungen während des Impacts stehen auch in keiner Korrelation zu Verletzungen und lassen sich auch – trotz ausgefeilter Dämpfungstechnologien – durch Schuhe nicht abfangen. Die höchste Belastung wird in der mittleren Stützphase erreicht, wenn der Fuß beginnt, sich vom Boden abzudrücken. Dabei können während des Joggens Belastungen vom bis zu Vierfachen des Körpergewichts auftreten.

Einfluss der Belastung

Es konnte gezeigt werden, dass körperliche Aktivität mit dem Auftreten von Osteophyten, (umschriebene, knöcherne An- bzw. Auflagerungen an Gelenkflächen, die mit degenerativen Prozessen assoziiert sind) korreliert und wohl auch mit Verlust an Knorpelsubstanz. Allerdings gibt es keinen Zusammenhang zwischen Sport und Gelenkspaltveränderungen. Auch konnte kein Beleg dafür gefunden werden, dass Sport die Dicke des Knorpels verändert. Unklar ist, ob körperliche Aktivität zu Knorpelverletzungen führt.

Im Tierversuch zerstörte exzessive Stoßbelastung den Knorpel von Ratten. Allerdings treten solche starken Stöße beim Laufen nicht auf. Exzessive Laufbelastung führte bei Ratten zur Arthrose. Bei Beagle-Hunden dagegen führte weder Laufen mit Gewichtsbelastung noch exzessives Laufen ohne Gewichte zu einer Gelenkdegeneration, allerdings konnten negative Effekte auf die Knorpeldicke und den Proteoglycangehalt gezeigt werden. Moderates Laufen dagegen erhöhte den Proteoglycangehalt und die Dicke des Knorpels.

Moderates Ausdauertraining hat positive Effekte

Viele Untersuchungen mit ehemaligen Sportlern, sowohl aus dem Freizeit- wie dem Elitebereich, zeigen, dass zumindest moderates Joggen, also bei mittleren Geschwindigkeiten und nicht über sehr hohe Distanzen (wie beim Marathon), keine erhöhte Inzidenz für Arthrosen nach sich zieht. Unbestritten sind aber die positiven Effekte eines (moderaten) Ausdauertrainings wie geringere Mortalität und weniger muskulo-skelettale Einschränkungen in der Läufer- als in der Nichtläufergruppe.

Die biomechanischen Belastungen, die durch moderates Laufen auftreten, stellen kein gesundheitliches Problem dar, so Brüggemann. Laufen sei die natürliche Art der Fortbewegung für den Menschen. Zwar könne Laufen zu Veränderungen des Knorpels führen, nach heutigem Wissensstand führt es aber nicht zu Arthrose.


wes



DAZ 2012, Nr. 7, S. 74

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