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Grünes Licht für ApBetrO

DAZ-Interview mit ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf

BERLIN (lk). Die vom Bundeskabinett verabschiedete Novelle zur Apothekenbetriebsordnung stößt in weiten Teilen auf die Zustimmung des Präsidenten der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Heinz-Günter Wolf: "Die vom Kabinett beschlossene ApBetrO ist ganz eindeutig besser als der vorherige Entwurf. Denn die ungleiche Behandlung von Filialapotheken und Einzelapotheken ist jetzt endgültig ausgeräumt und das ist auch gut so. Wir freuen uns, dass unsere Argumente verstanden wurden und dass die Politik entsprechend reagiert hat", sagte Wolf im DAZ-Interview.
ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf:"Wir freuen uns, dass unsere Argumente verstanden wurden." Foto: ABDA

DAZ: Vor 14 Tagen hat das Bundeskabinett der Novelle der ApBetrO zugestimmt. Warum hat es so lange gedauert, bis sich die ABDA dazu ausführlich äußert?

Wolf: Das ist doch völlig logisch. Jetzt liegt zwar der Kabinettsbeschluss vor. Damit ist das Verordnungsverfahren aber noch nicht in trockenen Tüchern. Erst muss noch der Bundesrat zustimmen. Die Experten der ABDA ringen um jeden einzelnen Punkt, solange der Schlusspunkt durch den Bundesrat nicht gesetzt ist.

DAZ: Trotzdem ist es Zeit für ein Fazit: Ist die Novelle zur ApBetrO besser als befürchtet oder schlimmer als erhofft ausgefallen?


Wolf: Die vom Kabinett beschlossene ApBetrO ist ganz eindeutig besser als der vorherige Entwurf. Denn die ungleiche Behandlung von Filialapotheken und Einzelapotheken ist jetzt endgültig ausgeräumt und das ist auch gut so. Wir freuen uns, dass unsere Argumente verstanden wurden und dass die Politik entsprechend reagiert hat.

DAZ: Stichwort "Apotheke light": Ist das Thema tatsächlich vom Tisch oder gibt es doch noch eine Hintertür?

Wolf: Die Türchen, die zu einer ‚Apotheke light‘ hätten führen können, sind nach meiner Einschätzung ausgeräumt. Bei der jetzt verankerten größeren Flexibilität beim Nacht- und Notdienst müssen wir, müssen vor allem die Apothekerkammern künftig darauf achten, dass es keine ‚Apotheke light‘ nach Gutdünken geben wird. Das es nicht so geregelt wird, wie es am bequemsten ist.

DAZ: Was ist aber mit der Prüfung der Ausgangsstoffe, die nur noch in der Hauptapotheke eines Filialverbundes durchgeführt werden können muss? Liegt darin nicht eine qualitative Abstufung?

Wolf: Um diese Frage haben wir uns sehr ausführlich und lange gekümmert und mit dem BMG gerungen. Die Prüfung der Ausgangsstoffe ist in der Regel nichts Zeitkritisches, das sofort erledigt werden muss. Das kann also durchaus Sinn machen, dies im Filialverbund zu delegieren. Das heißt ja nicht, dass eine Filiale auf ein Labor verzichten kann. Die volle Laborleistungsfähigkeit bis auf die Prüfung der Ausgangsstoffe bleibt erhalten.

DAZ: Die Apothekerkammer Brandenburg sieht aber genau hier die Gefahr für eine Hintertür zur "Apotheke light".

Wolf: Es gibt eine ganze Menge von Punkten, bei denen ich diese Befürchtung teile. Bislang war alles exakt in der ApBetrO vorgeschrieben: die Labor- und Literaturausstattung. Bislang konnte der Aufsichtsbeamte in die Apotheke gehen und genau abhaken. Das war für beide Seiten eine sehr genaue Rechtslage. Jetzt hat sich das BMG für mehr Liberalität und Flexibilität entschieden. Stimmt jetzt die Auffassung des Apothekern nicht mit der des prüfenden Beamten überein, dann kann es in der Tat Konflikte bis hin zu gerichtlichen Auseinandersetzungen geben.

DAZ: Macht sich das BMG einen schlanken Fuß, indem es Regelungen zur Apothekenausstattung auf Kammern und Pharmazieräte überträgt?

Wolf: Die Philosophie des BMG ist wie gesagt mehr Flexibilität, die die Arbeit in der Apotheke erleichtern soll. Diese Auffassung muss aber nicht mit der der Aufsicht übereinstimmen. Auch für die Aufsicht sind klare Vorgaben leichter umzusetzen. Hier ist gehöriger Konfliktstoff angelegt. Wir werden sehen, wie sich das entwickelt.

DAZ: Kommen da neue Aufgaben und Herausforderungen auf die Kammern zu?

Wolf: Ich sehe hier zwei Entwicklungen: Die Apothekerkammer Niedersachsen hat ja eine herausgehobene Rolle gegenüber anderen Kammer. In Niedersachsen übt sie auch die Aufsichtsfunktion aus. Diese Rolle muss die Kammer Niedersachsen mit Blick auf die neue ApBetrO noch kräftiger ausfüllen und sozusagen als ‚Leuchtturm‘ für die anderen Kammern diese schwierigen Fragen voranbringen, zum Beispiel bei der Ausgestaltung der Not- und Nachtdienstregeln. Aber wir brauchen im gesamten Land künftig noch durchsetzungsfähigere Kammern.

DAZ: Wird es künftig in Deutschland einen Flickenteppich geben bei der Apothekenausstattung: In Bayern etwas mehr oder weniger "Apotheke light" als in Schleswig Holstein?

Wolf: Da kann ich nicht widersprechen. Diese Gefahr besteht in der Tat. Das wird eine neue Aufgabe der ABDA sein, unter der Führung der Bundesapothekerkammer von Beginn an koordinierend tätig zu sein, damit dieser Flickenteppich nicht entsteht.

DAZ: Stichwort Not- und Nachtdienst: Was ist denn nun ein berechtigtes Interesse?

Wolf: Hier besteht ein Dreieck von berechtigten Interessen: An erster Stelle steht das berechtigte Interesse der Patienten auf eine sichere Arzneimittelversorgung in räumlicher Nähe zu seiner Wohnung eine Notdienst-bereite Apotheke zu finden. Besonders auf dem Land verfügt aber auch der Apotheker über das berechtigte Interesse durch den Bereitschaftsdienst nicht überfordert zu werden. Immer wichtiger wird zudem das berechtigte Interesse der Ärzte im Bereitschaftsdienst einen Apotheker als Partner zu haben. In diesem Dreieck müssen sich die Apothekerkammern bei der konkreten Ausgestaltung bewegen. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe.

DAZ: Gibt es eine Rangfolge der berechtigten Interessen?

Wolf: An erster Stelle steht ganz klar der Patient, dann folgt die Zumutbarkeit für den Apotheker und dann die Zumutbarkeit für den Arzt.

DAZ: Die Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern wollte bereits im vergangenen Jahr eine erweiterte Rufbereitschaft einführen und Anfahrtswege zur Apotheke von 30 bis 40 Minuten gestatten. Ist eine solche Regelung in Ordnung, ein berechtigtes Interesse von Apothekern auf dem Land?

Wolf: Zu bestimmten Zeiten kann man das flexibler handhaben als bisher. Aber ich denke, dass 30 bis 40 Minuten in der Regel schon zu lang sind, gerade auf dem Land. Das muss man sich in Einzelfall ansehen. Das hängt beispielsweise davon ab, ob es dort Ärztezentren gibt. Das ist sehr schwer und muss vor Ort pragmatisch gelöst werden.

DAZ: Künftig müssen alle Apotheken Qualitätsmanagement betreiben. Ist das nur mehr Bürokratie oder sinnvoll?

Wolf: Man könnte es Bürokratie nennen. Es kommt auf die Apotheken aber nur zu, was wir schon immer als Anspruch formulieren und auch erhalten wollen: die gute reproduzierbare Qualität jeder Leistung in der Apotheke. Um dies sicherzustellen, macht ein Qualitätsmanagement Sinn, die Abläufe aufzuschreiben und innerhalb des Teams zu besprechen, damit die Beratung für den Patienten kein Zufallsprodukt ist. Das ist das Ziel. Es macht etwas mehr Arbeit. Ich halte das für sinnvoll.

DAZ: Das BMG veranschlagt für QMS 35 Minuten Arbeitsaufwand pro Jahr.

Wolf: Das ist Unsinn.

DAZ: Wie viel dann?

Wolf: Das hängt von der Struktur der einzelnen Apotheke ab. Aber 35 Minuten pro Jahr reichen auf keinen Fall. Da muss man sich schon jede Woche drum kümmern.

DAZ: Ärzte sollen künftig an Schmerzpatienten Betäubungsmittel abgeben dürfen. Wird damit das Dispensierrecht durchlöchert?

Wolf: Wir haben einer Notfalllösung zugestimmt. Zur Klarstellung: Es gibt in Deutschland kein Dispensierrecht für Ärzte und wird es auch künftig nicht geben. Erst recht nicht mit unserer Zustimmung. Es geht darum, das Betäubungsmittelrecht so zu ändern, dass der Arzt eine angebrochene Packung beim Patienten lassen und kurze Zeiträume überbrücken kann. Das geht heute nicht. Das ist so ähnlich wie beim Sprechstundenbedarf. Es geht hier vor allem um eine menschliche Frage in der Palliativmedizin. Für uns Apotheker ist doch klar, dass auch hier das Interesse der Schmerzpatienten im Vordergrund stehen muss.

DAZ: Am 30. März stimmt der Bundesrat endgültig über die ApBetrO ab. Was muss aus ABDA-Sicht noch geändert werden?

Wolf: Es gibt da noch einige Unschärfen, die klargestellt werden müssen. Zum Beispiel der Unterschied zwischen dem Stellen von Arzneimitteln und dem Verblistern. Das ist nicht klar genug geregelt und für kleine Apotheken nicht handhabbar, die keine Möglichkeit für einen extra Raum haben. Es kann doch nicht sein, dass diese Apotheken den Patienten künftig wegschicken müssen. Das kann nicht gemeint sein. Ich gehe davon aus, dass dies redaktionell noch klargestellt wird.

DAZ: Was sonst noch?

Wolf: Nicht eindeutig genug ist die Unterscheidung zwischen Rezeptur und Defektur. Die Vorschriften für die Defektur sind extrem unklar. Da muss noch einmal nachgebessert und größerer Praxisbezug hineingebracht werden.

DAZ: Wieder nicht geregelt ist das leidige Thema Pick up. Haben Sie noch Hoffnung, dass die Koalition hier Wort hält und liefert?

Wolf: Sie selbst haben ja erst kürzlich Gesundheitsminister Daniel Bahr danach gefragt. Er hat geantwortet, er wolle Pick up weg haben und die Koalition prüfe noch. Ich halte Herrn Bahr nach wie vor für einen glaubwürdigen Mann und gehe davon aus, dass er Wort hält. Warten wir ab. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

DAZ: Auch für die Apotheke ist Zeit Geld: Wann steigt endlich das Apothekenhonorar wieder einmal?

Wolf: Wenn von der Apotheke Qualität gefordert wird, dann muss das auch bezahlt werden. Wir arbeiten unsere Vorschläge für die Politik aus. Wir liefern Daten über die wirtschaftliche Lage der Apotheken. Wenn ich Herrn Bahr mit seinen letzten öffentlichen Aussagen richtig verstanden habe, dann sagt er doch: Die Apotheker sind jetzt dran. Wir wollen beispielsweise das Nacht- und Notdiensthonorar von der Inanspruchnahme entkoppeln und in eine Pauschale umwandeln. Das wird den Landapotheken sehr helfen.

Das Apothekenhonorar muss darüber hinaus endlich wieder dynamisiert werden. Seit 2004 ist nichts passiert. Das geht gar nicht. Nach dem Prinzip ‚Mehr Netto vom Brutto‘ muss es auch hier mehr geben. Wenn Arbeitsministerin Ursula von der Leyen für alle Arbeitnehmer deutliche Einkommenserhöhungen fordert, müssen auch die Apotheker mehr Honorar bekommen.

DAZ: Wie zieht die ABDA in die anstehenden Verhandlungen über den Kassenabschlag ab 2013?

Wolf: Die Verhandlungen müssen in diesem Jahr starten. Wir gehen von 1,75 Euro aus. Der DAV erarbeitet derzeit alle Daten. Die Vorwürfe der Politik hierzu sind nicht berechtigt. Wir liefern verlässliche Zahlen über die Wirtschaftslage der Apotheken.

DAZ: Die Politik beklagt, die DAV-Zahlen seien nicht verlässlich und spiegelten nicht die tatsächliche wirtschaftliche Lage der Apotheken wider.

Wolf: Das stimmt nicht. Unsere Daten sind solide und verlässlich. Wir gehen von der typischen Apotheke aus. Das mag einigen nicht passen. Das entspricht aber der Realität.

DAZ: Das BMG hat zuletzt eine zu zögerliche Umsetzung des ABDA/KBV-Konzeptes kritisiert. Wann startet das Pilotprojekt und wo?

Wolf: Wir sind genau im Plan. Jede Kritik entbehrt der Grundlage. Der Startschuss fällt Ende des Jahres. So war es immer geplant. Wenn jetzt die KV Westfalen-Lippe anders als noch vor ein paar Wochen kein Interesse mehr hat – von mir aus, dann ist Westfalen-Lippe erst mal raus. Aber das ändert nichts. Wir machen das.

DAZ: Wann steht das Modellprojekt?

Wolf: Wir wollen nach der Sommerpause fertig sein und auch die Krankenkassen mit im Boot haben.

DAZ: Herr Wolf, vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Lothar Klein, Mitarbeiter des DAZ-Hauptstadtbüros.



DAZ 2012, Nr. 7, S. 22

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